Arbeiten in der Schweiz: Diese Voraussetzungen müssen deutsche Ärztinnen und Ärzte erfüllen

21 März, 2024 - 07:32
Miriam Mirza

Wenn deutsche Ärztinnen und Ärzte auswandern, zieht es sie am häufigsten in die Schweiz. Angaben der Ärztestatistik der Bundesärztekammer aus dem 2022 ist das Nachbarland mit 703 aus Deutschland eingewanderten deutlicher Spitzenreiter. Auf dem Zweiten Platz landet Österreich, allerdings nur mit 276 Einwanderungen. Welche Hürden müssen genommen werden, um dort gut arbeiten zu können? Antworten auf diese Fragen geben die Präsidentin der FMH (Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte), Dr. med. Yvonne Gilli, und Barbara Linder, Senior Legal Expert beim SIWF (Schweizerisches Institut für ärztliche Weiter- und Fortbildung).

Wie sieht der Prozess für deutsche Medizinerinnen und Mediziner aus, die in der Schweiz arbeiten möchten? Welche Schritte müssen sie unternehmen, um in der Schweiz medizinisch tätig zu werden?
 
Dr. Yvonne Gilli:
Personen mit Diplomen aus einem Staat der EU/EFTA benötigen für die berufliche Tätigkeit eine Diplomanerkennung. Deutsche Arztdiplome erhalten auf der Basis der bilateralen Abkommen mit der EU eine direkte Anerkennung auf Antrag an die eidgenössische Medizinalberufekommission (MEBEKO).
 
Gibt es spezifische Anforderungen oder Qualifikationen, die deutsche Ärztinnen und Ärzte erfüllen müssen, um in der Schweiz praktizieren zu können? Werden ihre deutschen Abschlüsse und Erfahrungen in der Schweiz anerkannt?

Barbara Linder: In Deutschland erworbene Facharzttitel werden analog zur Diplomanerkennung ebenfalls automatisch im Rahmen der bilateralen Abkommen auf Antrag bei der MEBEKO anerkannt. Die vorgängige Anerkennung des Arztdiploms ist Voraussetzung für die Anerkennung eines Facharzttitels. Wichtig zu wissen ist, dass es sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz Facharzttitel gibt, welche nicht unter die automatische gegenseitige Anerkennung fallen. Im Antragsformular findet sich eine abschliessende Liste derjenigen Weiterbildungstitel (= Facharzttitel), welche in der Schweiz anerkannt werden.

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Was passiert, wenn Facharzttitel nicht automatisch anerkannt werden?

Barbara Linder: Ist eine automatische Anerkennung eines Facharzttitels nicht möglich und gibt es in der Schweiz eine analoge Qualifikation, legt das Schweizerische Institut für ärztliche Weiter- und Fortbildung (SIWF) basierend auf dem entsprechenden Weiterbildungsprogramm die Bedingungen für den Erwerb des eidgenössischen Facharzttitels fest.

Können Sie ein typisches Beispiel nennen?

Barbara Linder: Deutsche Ärztinnen und Ärzte mit einer Weiterbildung in Allgemeinmedizin werden in der Schweiz als «Praktische Ärztin / Praktischer Arzt» anerkannt. Dieser Titel ist nicht identisch mit dem schweizerischen Facharzttitel in «Allgemeiner Innerer Medizin, welcher dem deutschen Titel «Innere Medizin» entspricht. Für den Erwerb des Facharzttitels in Allgemeiner Innerer Medizin müssen die Bedingungen gemäss Weiterbildungsprogramm Allgemeine Innere Medizin ausgewiesen werden. Zuständig für die Beurteilung ist ebenfalls das SIWF.

Welche Regelungen gelten, wenn Medizinerinnen und Mediziner selbständig arbeiten wollen?

Barbara Linder: Für die freiberufliche Tätigkeit in der Schweiz gelten zusätzliche Anforderungen. Für die Zulassung zur freiberuflichen Tätigkeit sind in der föderalistisch organisierten Schweiz die Kantone zuständig. Es gilt eine gesetzlich verankerte Zulassungsbeschränkung, welche facharztspezifisch ist und zum Ziel hat, eine ärztliche Überversorgung zu verhindern. In der Regel wird eine dreijährige angestellte berufliche Tätigkeit an einer vom SIWF für die ärztliche Weiterbildung anerkannten Weiterbildungsstätte in der Schweiz vorausgesetzt mit dem Ziel, sich mit dem schweizerischen Gesundheitssystem vertraut zu machen. Ausnahmen gelten für Facharztrichtungen mit ausgeprägtem Fachkräftemangel, wie Allgemeine Innere Medizin, Praktische Ärztin / Praktischer Arzt, Kinder- und Jugendmedizin, Kinder- und Jugendpsychiatrie.

Warum gehen deutsche Ärztinnen und Ärzte in die Schweiz?

Was macht die Schweiz für deutsche Medizinerinnen und Mediziner so attraktiv?

Die Antwort: Die Gründe sind vielfältig. Einer der Hauptgründe ist das attraktive Gehalt, das in der Schweiz im Vergleich zu Deutschland oft höher ist. Darüber hinaus profitieren Ärztinnen und Ärzte von einem hochgeschätzten Gesundheitssystem, das weltweit anerkannt ist. Diese Arbeitsumgebung erlaubt Medizininnen und Medizinern den Zugang zu fortschrittlichen medizinischen Technologien und Verfahren. Die Arbeitsbedingungen in Schweizer Krankenhäusern und Praxen werden oft als besser im Vergleich zu denen in Deutschland wahrgenommen, einschließlich moderner Ausstattung und günstigeren Arbeitszeiten. Dahingehend bietet die Schweiz für Ärztinnen und Ärzte ideale Bedingungen für eine erfolgreiche Karriere. Und nicht zuletzt bietet die Schweiz eine hohe Lebensqualität und eine schöne Natur, was ebenfalls ein Anreiz sein kann.

Welche Rolle spielt die Sprache in Bezug auf die Arbeitsmöglichkeiten für deutsche Ärzte in der Schweiz? Müssen sie zusätzliche Sprachzertifikate oder Qualifikationen vorweisen, um effektiv in einer schweizerischen medizinischen Umgebung arbeiten zu können?

Dr. Yvonne Gilli: Um in der Schweiz tätig zu sein, werden Sprachkenntnisse für diejenige Region vorausgesetzt, in welcher die deutsche Ärztin oder der Arzt tätig sein möchte – deutsch, französisch, italienisch. Anforderungen für den Nachweis dieser Sprachkenntnisse und deren Anerkennung erhalten Bewerberinnen und Bewerber bei der Medizinalberufekommission.

Können Sie uns etwas über die strukturellen Unterschiede im Gesundheitssystem zwischen Deutschland und der Schweiz erzählen, die für deutsche Ärztinnen und Ärzte relevant sein könnten?

Dr. Yvonne Gilli: Neben kulturellen Unterschieden, geprägt durch die unterschiedlichen Sprachregionen, unterscheidet sich die Schweiz durch das stärker ausgeprägte föderalistische System. Das Gesundheits- wie auch das Bildungswesen liegen grundsätzlich in der Hoheit der Kantone. Eidgenössisch geregelt sind die beruflichen Qualifikationen der Ärzte und Ärztinnen, welche im Medizinalberufegesetz festgehalten sind.

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Unterstützen Sie ausländische Ärztinnen und Ärzte bei der Integration in das schweizerische Gesundheitssystem?

Dr. Yvonne Gilli: Die FMH empfiehlt ausländischen Ärzten und Ärztinnen, welche in der Schweiz tätig sind, die Mitgliedschaft in einer fachärztlichen Vereinigung oder und einer kantonalen Ärztegesellschaft. Damit verbunden ist auch die Mitgliedschaft in der Dachorganisation FMH. Für Mitglieder erbringen diese Organisationen – neben dem Arbeitgeber – Dienstleistungen, welche die Integration in das Schweizerische Gesundheitswesen unterstützen.

Haben Sie Einsichten in die Arbeitsbedingungen und die Berufszufriedenheit von deutschen Ärztinnen und Ärzten, die in der Schweiz tätig sind? Gibt es bestimmte Herausforderungen oder Vorteile, die sie im Vergleich zu einheimischen Medizinerinnen und Medizinern erfahren?

Dr. Yvonne Gilli: Die Schweiz ist in hohem Mass auf die Zuwanderung von ausländischen Ärzten und Ärztinnen angewiesen, um die Versorgung der Bevölkerung in hoher Qualität gewährleisten zu können. Neben den Bemühungen, diese Auslandsabhängigkeit zu reduzieren angesichts des auch im Ausland vorhandenen Fachkräftemangels ist es deshalb in unmittelbarem Interesse der Schweiz, für ausländische Ärztinnen und Ärzte gute Arbeits- und Lebensbedingungen anbieten zu können.

Die Expertinnen

Dr. med. Yvonne Gilli

Dr. med. Yvonne Gilli

Dr. med. Yvonne Gilli ist Präsidentin der FMH (Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte).

Bild © FMH

Barbara Linder

Barbara Linder

Barbara Linder ist Senior Legal Expert beim SIWF (Schweizerisches Institut für ärztliche Weiter- und Fortbildung).

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