Trotz diverser Maßnahmen, die medizinische Versorgung in erster Linie mit heimischen Kräften zu sichern, wird die Schweiz auch in den kommenden Jahren auf die Unterstützung durch Ärzte aus dem Ausland angewiesen sein.
Anfang 2019 hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn angekündigt, deutsche Ärztinnen und Ärzte aus der Schweiz zurückzuholen, da sie in der hiesigen Versorgung fehlen würden. Für die Schweiz wäre das ein herber Verlust, gerade jetzt, da auch die Alpenrepublik unter coronabedingten Ausfällen beim Fachpersonal leidet. Zudem ist die Schweiz auf Ärztinnen und Ärzte aus dem Ausland angewiesen, da sie nach wie vor Schwierigkeiten hat, alle vakanten Stellen mit Nachwuchs aus dem eigenen Land zu besetzen. Ein Abwandern von Ärzten zurück nach Deutschland träfe unser Nachbarland folglich hart.
Eine aktuelle Erhebung des Schweizer Berufsverbands der Ärzte FMH belegt, dass weiterhin rund jeder zweite aus dem Ausland stammende und in der Schweiz tätige Arzt oder Ärztin einen deutschen Pass hat (53,4 Prozent).
Mit insgesamt 13.755 hat die Zahl berufstätiger Ärztinnen und Ärzte, die aus dem Ausland stammen oder im Ausland ihre Berufsqualifikation erworben haben, 2019 sogar einen neuen Höchststand erreicht, obwohl die Alpenrepublik mittels Zuzugsbeschränkungen seit einiger Zeit versucht, heimischen Kräften Vorrang auf dem medizinischen Arbeitsmarkt einzuräumen.
So hat die Schweiz Ende 2016 das Sonderprogramm „Erhöhung der Anzahl Abschlüsse in Humanmedizin“ aufgelegt, mit dem die Zahl der humanmedizinischen Abschlüsse an heimischen Universitäten erhöht werden soll.
Wie aus der FMH-Statistik hervorgeht, lag die Zahl der Ärzte, die im vergangenen Jahr ein eidgenössisches Diplom in Humanmedizin abgelegt haben, zwar mit insgesamt 1.089 Ärzten etwas höher als im Vorjahr. Dennoch ist die Alpenrepublik von ihrem Ziel von 1.300 Abschlüssen im Fach Humanmedizin bis Ende 2025 noch ein gutes Stück entfernt. Bis dahin sind die Eidgenossen somit weiterhin auf qualifizierte Fachkräfte aus dem nahen Ausland angewiesen.
Große Lücken bestehen aufgrund des Ärztemangels vor allem weiterhin in der Grundversorgung auf dem Land, die sich aufgrund anstehender Pensionierungen, dem Wunsch nach einer verstärkten Work-Life-Balance und der Zunahme der Bürokratie voraussichtlich weiter vergrößern werden.
Doch es hakt nicht nur in der hausärztlichen Grundversorgung. Je nach Region sind auch andere Fachrichtungen vom Ärztemangel betroffen. Zu den Top 5 der anerkannten Weiterbildungstitel, mit denen sich ausländische Ärzte gute Chancen auf einen Arbeitsplatz ausrechnen können, gehören nach Informationen der Medizinalberufekommission MEBEKO die Allgemeinmedizin und die Allgemeine Innere Medizin, die Psychiatrie und Psychotherapie, die Anästhesiologie sowie die Gynäkologie und Geburtshilfe.
Die MEBEKO ist die Behörde im Bundesamt für Gesundheit der Schweiz, die für die Gleichwertigkeitsanerkennung ausländischer Diplome zuständig ist. Die Anerkennungen stützen sich auf das Personenfreizügigkeitsabkommen der Schweiz mit der EU. Sie bilden den ersten Schritt im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens. Für deutsche Ärzte ist die Anerkennung, die in der Regel innerhalb von maximal drei Monaten erfolgt, aber eine reine Formsache. Die Kosten hierfür betragen rund 800 bis 1.000 CHF.
Ist diese Hürde genommen, stehen den Zuwanderern grundsätzlich Arbeitsplätze im ambulanten als auch stationären Sektor offen. Im klinischen Bereich sind neben Anästhesisten und Gynäkologen zum Beispiel auch Pädiater sowie Spezialisten im Bereich Intensivmedizin/Schmerztherapie und Onkologie sehr gefragt. Viele deutsche Ärztinnen und Ärzte erhoffen sich von einer Praxistätigkeit in der Schweiz vor allem eine Berufsausübung frei von KV-Deckelung und Leistungsbegrenzung, da hier im ambulanten Bereich überwiegend nach Zeit abgerechnet wird.
Der stationäre Sektor zieht wiederum deutsche Arbeitskräfte aufgrund höherer Klinikbudgets, hoher Personalschlüssel, vergleichsweise flacher Hierarchien und eines geringeren administrativen Aufwands an. Gerne gesehen wird es an Schweizer Kliniken, wenn Bewerber langfristig an einem Arbeitsplatz bleiben möchten. Wer dies plant und die insbesondere in den Städten deutlich höheren Lebenshaltungskosten in Kauf nehmen und seinen Teil dazu beitragen will, sich aktiv auch ins gesellschaftliche Leben zu integrieren, hat gute Chancen, dauerhaft im Nachbarland Fuß zu fassen.