Arbeitsvertrag: Befristung bis zur Regelaltersgrenze bedarf der Schriftform

24 November, 2020 - 08:00
Dr. Torsten Nölling
Arbeitsvertrag mit Stempel "befristet"

In Arbeitsverträgen gilt das Erfordernis der Schriftform, auch für die Regelaltersgrenze, wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) klargestellt hat. Viele Befristungen dürften daher unwirksam sein.

In den meisten Arbeitsverträgen gehört sie zum Standard: eine Regelung, nach der das Arbeitsverhältnis ohne Kündigung endet, wenn Arbeitnehmer das gesetzlich festgelegte Alter der Regelaltersrente erreicht haben. In den meisten Fällen entspricht diese Regelung auch den Interessen beider Parteien. Auch hat die Rechtsprechung bereits geklärt, dass die Vereinbarung einer solchen Befristung grundsätzlich zulässig ist und insbesondere keine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters ist, im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes.

Befristung im Sinne des TzBfG

Im konkreten Verfahren musste sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit der Frage befassen, ob der Arbeitsvertrag zwischen einem Medizinischem Versorgungszentrum (MVZ) und einem angestellten Arzt rechtmäßig befristet war bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze. Das BAG hat in seinem Urteil umfangreich sämtliche Argumente des klagenden Arztes geprüft, die gegen die Wirksamkeit der Regelaltersgrenze vorgebracht wurden, und diese fast alle als unbeachtlich verworfen (BAG-Urteil vom 25. Oktober 2017, Az.: 7 AZR 632/15). Allerdings haben die Richter entschieden, dass die Vereinbarung einer Regelaltersgrenze demselben Schriftformerfordernis unterliegt wie jede andere Befristungsabrede auch. Damit muss auch der Arbeitsvertrag das Schriftformerfordernis erfüllen, wie es im Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) geregelt ist (§ 14 Abs. 4 TzBfG).
 

In Anwendung der bisherigen Rechtsprechung zur Wirksamkeit von Befristungsabreden gilt damit, dass die Vereinbarung einer Regelaltersgrenze nur dann wirksam ist, wenn dem Arbeitnehmer vor Beginn des Arbeitsverhältnisses eine unterschriebene Fassung des Arbeitsvertrages vorgelegen hätte. Das Einhalten der Schriftform erfordert dem Bundesarbeitsgericht zufolge eine eigenhändig vom Aussteller mit Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnete Urkunde (§ 126 Abs. 1 BGB). Bei einem Vertrag müsse die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen (§ 126 Abs. 2 Satz 1 BGB). Werden über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen, genüge es, wenn jede Partei die für die jeweils andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichne (§ 126 Abs. 2 Satz 2 BGB).

Das BAG macht deutlich, dass diese Schriftform nicht nur Nachweis- und Beweiszwecken dient, sondern insbesondere dem Schutz der Arbeitnehmer. Sie sollen „bei Vertragsbeginn durch Lesen der Vertragsvereinbarungen erkennen können, dass sie keinen Dauerarbeitsplatz erhalten, um gegebenenfalls den Vertragsschluss zugunsten anderer Angebote ablehnen zu können“.

Einhaltung der Formvorschriften

Diese Formvorschrift wird zum Beispiel dann eingehalten, wenn Arbeitnehmer und Arbeitgeber vor Arbeitsbeginn gemeinsam ein Vertragsdokument unterzeichnen und der Arbeitnehmer sodann das Original oder eine Kopie für seine Unterlagen erhält. Auch wird die Formvorschrift eingehalten, wenn beide Parteien vor Ort jeweils eine gleichlautende Ausfertigung des Vertragsunterzeichnen und sodann die Ausfertigung erhalten, die die andere Vertragspartei unterschrieben hat.

Wenn sich die Parteien nicht zur Unterzeichnung des Vertrages vor Ort treffen, können die Formvorschriften auch im sogenannten Umlaufverfahren eingehalten werden. Wurde die Schriftform nicht eingehalten, kann sie nur einvernehmlich und in der Regel nur nachgeholt werden, wenn ein sachlicher Grund vorliegt. Ob allein der Wunsch des Arbeitgebers nach einem planmäßigen Ausscheiden des Arbeitnehmers als sachlicher Grund ausreicht, hatte das Bundesarbeitsgericht nicht zu entscheiden. Dies bleibt einer künftigen Entscheidung vorbehalten.

Arbeitgeber in der Beweispflicht

In dem konkreten Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht musste der Arbeitgeber beweisen, dass er die Regelaltersgrenze formwirksam vereinbart hatte, was der Regelfall ist. Das lag daran, dass der Arbeitgeber sich auf die Wirksamkeit dieser Klausel berufen hatte und das Arbeitsverhältnis aus diesem Grund für beendet erachtete. Zwar ist auch eine umgekehrte Fallkonstellation grundsätzlich denkbar, in der der Arbeitgeber von einem Arbeitnehmer verlangt weiterzuarbeiten und sich dabei auf die Unwirksamkeit der Regelaltersgrenze beruft. Da jedoch der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag regelmäßig stellt und er selbst damit die Unwirksamkeit der Klausel zu verantworten hätte, wäre dieses Verhalten regelmäßig rechtsmissbräuchlich. Auch könnten Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis notfalls kündigen.
 

Konkret bedeutet das: Der Arbeitgeber muss beweisen, dass ein wirksamer Vertrag mit der Regelaltersgrenze vor Beginn des Arbeitsverhältnisses geschlossen worden ist. Je nach Fallkonstellation reicht dafür ein vom Arbeitnehmer unterzeichnetes Vertragsexemplar in den Unterlagen des Arbeitgebers nicht aus. Vielmehr muss der Arbeitgeber beweisen, dass der Arbeitnehmer ein vom Arbeitgeber unterzeichnetes Vertragsangebot erhalten und dieses gegenüber dem Arbeitgeber vor Beginn des Arbeitsverhältnisses angenommen hat. Daher ist dringend anzuraten, den Einstellungsprozess rechtssicher zu gestalten.

Regelung bei Anwendung eines Tarifvertrages

Diese Ausführungen gelten nicht, wenn das Arbeitsverhältnis insgesamt einem einschlägigen Tarifvertrag unterliegt, der eine Befristung in Form einer Regelaltersgrenze vorsieht. Dies ist zum Beispiel bei dem in Krankenhäusern weitverbreiteten Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzten an kommunalen Krankenhäusern (TV-Ärzte/VKA) und dem Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzten an Universitätskliniken (TV-Ärzte/TdL) der Fall, wenn entweder beide Vertragsparteien tarifgebunden sind, also insbesondere der Arbeitnehmer Gewerkschaftsmitglied ist, oder im Arbeitsvertrag die Anwendung des Tarifvertrags individuell vereinbart wurde. Für alle außertariflichen und sonstigen individuellen Verträge, wie dies bei allen Chef- und vielen Oberarzt-, aber auch vielen Konsiliar- und Honorararztverträgen üblich ist, gelten die Vorgaben des Bundesarbeitsgerichts uneingeschränkt. Auch in der ambulanten Versorgung, zum Beispiel in Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) und vertragsärztlichen Praxen, finden regelmäßig keine Tarifverträge Anwendung, sodass das Schriftformerfordernis bei der Regelaltersgrenze unbedingt zu beachten ist.

Dtsch Arztebl 2020; 117(48): [2]
 


Der Autor:

Dr. iur. Torsten Nölling
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Medizinrecht
04229 Leipzig

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