Arzt-Patienten-Kommunikation: So gelingen gute Gespräche

13 Oktober, 2020 - 07:17
Andreas Speth
Arzt sitzt am Bett einer älteren Patientin und spricht mit ihr

Eine gute Kommunikation ist entscheidend für die Therapietreue des Patienten und damit den Behandlungserfolg. Sie gelingt mit kurzen und einfachen Fragen in der Eigensprache des Patienten.

Zuhören und Fragen gehören zusammen wie zwei Seiten einer Medaille. Es ist stets die Frage des Arztes, die den Patienten zum Sprechen veranlasst und dem Arzt die Möglichkeit gibt, genau zuzuhören und in die Vorstellungswelt des Patienten einzutauchen. So erleben Patienten eine kurze Frage, beispielsweise nach den persönlichen Lebensumständen, als wertschätzend. Interesse am anderen führt zu Vertrauen. Eine gute Kommunikation zwischen Arzt und Patient ist auch ersichtlich am Redeanteil des Arztes, der im Normalfall nicht über dem des Patienten liegen sollte.

Was wir von Kindern lernen können, ist einfaches Fragen. Kinder sind neugierig und erkunden die Welt und stellen viele einfache Fragen. Wie machst du das? Wie geht das? Kinder stellen mitunter aber auch die Frage nach dem Warum. Dann merken Eltern, wie sie sich schwer tun mit ihren Erklärungen, wenn die Kinder jeder Antwort wiederum ein Warum folgen lassen. Die direkte Frage nach dem Warum lässt Eltern verstandesmäßig nachdenken und fordert von ihnen eine Begründung. Wenn sich die Frage auf sie selbst bezieht, fühlen sie sich aufgefordert, sich zu rechtfertigen. Die Frage „Warum?“ ist somit weniger günstig, um den Gesprächsfluss aufrechtzuerhalten.

Ärzte unterbrechen Patienten nach 18 Sekunden

Beim Erheben der Anamnese hören Ärzte zuerst den Spontanbericht des Patienten. Kurze und offene Fragen dazu könnten lauten: „Was führt Sie zu mir?“ Oder: „Was kann ich für Sie tun?“ Weiteres Nachfragen und Hinterfragen wiederum mit einfachen, kurzen Fragen ist sinnvoll: „Was verstehen Sie darunter?“ Oder: „Können Sie mir dafür ein Beispiel geben?“

In der Regel unterbrechen Ärzte jedoch ihre Patienten bereits nach durchschnittlich 18 Sekunden! Wohl auch aus der Angst heraus, nicht genügend Zeit zu haben für die freie Schilderung der Patienten. Günstiger wäre es, sie aussprechen zu lassen und genau hinzuhören, was und wie sie etwas sagen.

Im weiteren Verlauf fragen Ärzte entsprechend ihrer ersten diagnostischen Hypothese und zum Abklären differenzialdiagnostischer Überlegungen immer gezielter nach. Seit wann? Wie stark? Wie lange? Gibt es Auslöser? Wann ist es besser? Wann ist es schlechter? Und vieles mehr. Je nach Diagnose ist es auch wichtig, mögliche Komorbiditäten abzufragen. Die Fragen werden in diesem Maße immer geschlossener und schränken die Antwort im Extremfall auf ein „Ja“ oder „Nein“ ein.

Die Kunst des Fragens und Zuhörens

Um authentische Informationen zu erhalten, ist es günstiger, eine Frage anzuknüpfen an die wörtlichen Beschreibungen des Patienten:

  • Patient: „Ich habe ein ständiges Kloßgefühl in meinem Hals.“
  • Arzt: „Können Sie mir das Kloßgefühl genauer beschreiben?“
  • Patient: „Es ist wie ein großer Brocken, den ich nicht hinunterschlucken kann.“

Die Kunst des Fragens ist somit eng verknüpft mit der Kunst des Zuhörens. Fragt der Arzt in der Sprache des Patienten nach, kann dieser in seinen bildhaften Beschreibungen bleiben und diese konkretisieren. Die Fragen sollten kurz und einfach sein:

  • Arzt: „Großer Brocken?“
  • Patient: „Es ist wie ein Kloß, der im Hals stecken bleibt.“

Dabei zeigt der Patient mit der Faust die Größe an, seine Stimme wird brüchig. Dies zeigt dem Arzt an, dass er bei einem zentralen Thema angekommen ist. Eine einfache Art nachzufragen ist, nach nur einem Wort zu fragen und dieses mit einem Fragezeichen zu versehen.

  • Arzt: „Kloß?“
  • Patient: „Ich kann den vielen Anforderungen, die beruflich an mich gestellt werden, nicht gerecht werden.“

Der Arzt hat zwar nach dem Kloß gefragt, die Antwort hat sich aber auf eine ganz andere Ebene, nämlich die berufliche Belastung, bezogen. Das heißt, der Patient kann eine Verbindung herstellen zwischen dem Körpersymptom und der konkret belastenden beruflichen Situation. Der Arzt hat somit die Möglichkeit, darauf einzugehen oder aber beim Kloß (dem Körpersymptom) zu bleiben.

Eine weitere Möglichkeit wäre es, wegzugehen von Belastungen und Körpersymptomen hin zu Ressourcen, also Fähigkeiten, Fertigkeiten oder auch nur Tätigkeiten und Erlebnisse:

  • Arzt: „Was bräuchte es, um den vielen Anforderungen gerecht zu werden?“
  • Patient: „Ich bräuchte einfach mehr Zeit! Denn in der Zeit, die mir zur Verfügung steht, ist das einfach nicht machbar. Jede Aufgabe an sich kann ich meistern. Aber nicht alles gleichzeitig.“

Auch bei dieser Frage nach den Ressourcen hat der Arzt darauf geachtet, die eigenen Worte des Patienten aufzugreifen: ,viele Anforderungen‘ als auch ,gerecht werden‘. Fragt er nach den Ressourcen des Patienten, bereits vorhandene oder erst mal nur erdachte, so reduziert sich die Anspannung des Patienten. Er wird lockerer. Der Gesprächsfluss nimmt zu.

Nicht kommunizieren geht nicht

Seit Watzlawick wissen wir, man kann zwar nicht fragen, aber man kann nicht nicht kommunizieren. Gestik, Mimik und Tonfall des  Patienten geben der nächsten Frage eine Richtung. Es gilt, vieles gleichzeitig zu beachten. Was hat der Patient gesagt? Vor allem aber: Wie hat er es gesagt?

Der gleiche Satz, gesprochen mit einer anderen Gestik und Mimik und anderem Tonfall, kann schon das Entgegengesetzte ausdrücken. Ein Beispiel dafür ist: „Alles ist umsonst.“ Spricht ein Pessimist diesen Satz aus, wird die Sprachmelodie im Verlauf des Satzes nach unten gehen. Spricht ein Optimist diesen Satz, wird die Sprachmelodie im Verlauf des Satzes nach oben gehen.

Das Gespräch im Fluss halten

Paraverbale Signale wie Sprechtempo und Intonation sind für Ärzte Hinweise, inwieweit sich ihr Gesprächspartner wohlfühlt und die Möglichkeit erhält, sich im Gespräch weiterzuentwickeln. Auf diese Weise entsteht eine ständige, flüssige Konversation. Je weniger sie etwas von sich in ihrer Sprache einbringen, desto mehr kann der Patient bei sich bleiben. Denn vertraute Worte, die der Arzt aus dem Sprachgebrauch des Patienten aufgreift, lösen weniger Irritation und Abwehr aus.

Um ein gutes Gespräch zu führen, müssen Ärzte dafür sorgen, dass das Gespräch im Fluss bleibt. Die Perspektive des Patienten einzunehmen und in seiner Sprache nachzufragen, erleichtert die Kommunikation. Diese Art des Nachfragens bedeutet aber nicht, dass der Arzt seine Fachkompetenz aufgibt. Er stellt sie für diesen Teil des Gesprächs einfach in den Hintergrund und hört gleichzeitig auf verschiedenen Ebenen zu.

Dtsch Arztebl 2020; 117(42): [2]
 


Der Autor:

Andreas Speth
Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie
Gemeinschaftspraxis für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, Sozialpsychiatrische Versorgung
63773 Goldbach

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