Recht: Arzthaftung – was Ärzte wissen sollten

17 Januar, 2020 - 10:23
Oliver Pramann
Viele Paragraphenzeichen und eines trägt ein Stethoskop

Wie läuft eigentlich ein Arzthaftungsprozess in der Praxis ab? Das im Detail komplexe und individuelle Verfahren beginnt schon lange vor dem eigentlichen Gerichtsverfahren.

Immer mehr Leistungen werden kritisch hinterfragt. Dazu gehört auch die ärztliche Behandlung im Krankenhaus. Es kann daher sein, dass sich ein Arzt im Laufe seiner beruflichen Karriere mit dem Vorwurf eines Behandlungsfehlers konfrontiert sieht. Für diesen Fall ist der Behandelnde in der Regel versichert. Das häufig über viele Jahre andauernde Verfahren ist für ihn durchaus herausfordernd.

Wesentlich in der Auseinandersetzung zwischen Behandelndem und Patienten ist die Frage, ob der Arzt den Patienten fachgerecht behandelt hat. Denn dazu ist der Arzt grundsätzlich verpflichtet. Es gilt der zum Zeitpunkt der Behandlung geltende fachärztliche Standard, wenn nichts anderes vereinbart ist. Fehler im Zusammenhang mit der Aufklärung liegen vor, wenn der Arzt den Patienten nicht adäquat über das mögliche Risiko der Behandlung aufgeklärt hat. Daneben existiert auch eine Pflicht zur Sicherungsaufklärung oder therapeutischen Aufklärung. Dabei ist der Arzt verpflichtet, den Patienten darüber zu informieren, wie er sich beispielsweise nach dem Eingriff zu verhalten hat, um den Behandlungserfolg zu sichern.

Haftpflichtversicherer umgehend informieren

Ist der Patient der Auffassung, dass er falsch behandelt worden ist, wird er an den behandelnden Arzt herantreten und ihn auffordern, die Haftung dem Grunde nach anzuerkennen oder bereits ein Schmerzensgeld und weiteren Schadensersatz zu zahlen. In diesem Fall ist der behandelnde Arzt gehalten, seine Haftpflichtversicherung umgehend zu informieren. Denn in der Regel hat er aus dem Versicherungsvertrag die Obliegenheit, dem Versicherer mögliche Schäden unverzüglich zu melden.

Der Versicherer setzt sich meist direkt mit dem Patienten oder dessen Anwalt in Verbindung und verhandelt über die Forderung des Patienten. Meist bittet er den betroffenen Arzt um eine Stellungnahme. Darin hat dieser die Behandlungsfehlervorwürfe zu diskutieren und dem Haftpflichtversicherer seine medizinische Auffassung mitzuteilen. Ist der Behandlungsfehlervorwurf begründet, wird der Haftpflichtversicherer bemüht sein, den Schaden adäquat zu regulieren. Sollte ein Behandlungsfehler nicht begründet und bei Gericht nicht durchsetzbar sein, wird der Versicherer den Anspruch voraussichtlich zurückweisen.

Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen

Patienten haben die Möglichkeit, kostenfrei Gutachten bei den Schlichtungsstellen oder Gutachterkommissionen einzuholen oder ein solches Verfahren zu beantragen. Im Jahr 2017 beispielsweise wurden dort insgesamt 11.100 Anträge gestellt. Diese freiwilligen Verfahren können nur mit der Zustimmung des Behandelnden erfolgen. Lehnt dieser das Verfahren ab, wird kein Gutachten erstellt. Der Patient wird dann direkt auf das gerichtliche Verfahren verwiesen. Auch der Medizinische Dienst der Krankenkassen kann dem Patienten unter Umständen ein Gutachten zur Frage des Behandlungsfehlers zur Verfügung stellen.

Bei einem Streitwert von mehr als 5.000 Euro ist ein Verfahren beim Landgericht der richtige Weg. Dort sind in der Regel spezielle Kammern für Arzthaftpflichtfragen eingerichtet, die auf diesem Gebiet schwerpunktmäßig tätig sind. Die Klage wird formell zugestellt. Dabei gilt es, wichtige Fristen zu beachten. Zum Beispiel wird meist ein sogenanntes schriftliches Vorverfahren angeordnet. Der Behandelnde muss also rasch handeln und beim Landgericht mit einem Rechtsanwalt die Verteidigungsbereitschaft anzeigen. Beim Landgericht existiert in solchen Verfahren ein „Anwaltszwang“. Nur mit einem Anwalt gibt es die Möglichkeit, sich gegen die Klage zu verteidigen. Eine Absprache mit dem Versicherer ist von besonderer Bedeutung. Sollte die Frist versäumt sein, drohen Rechtsnachteile. Möglicherweise kann ein sogenanntes Versäumnisurteil ergehen. Daher ist es wichtig, diese Frist einzuhalten.

Gericht beauftragt einen Sachverständigen

Das weitere Verfahren führt ein Rechtsanwalt. Der Arzt unterstützt den Anwalt, was seine medizinische Sicht und den Ablauf des Geschehens der ärztlichen Behandlung angeht. Sind die Schriftsätze ausgetauscht, wird deutlich, worum sich der Streit dreht. Dann wird das Gericht einen Sachverständigen beauftragen, der vom Gericht vorgegebene Fragen bewertet. Dabei hat der Rechtsanwalt Gelegenheit, Stellung zu nehmen, Ergänzungsfragen zu stellen oder auch in der folgenden mündlichen Verhandlung den Sachverständigen anzuhören und ihm Fragen zu stellen.

Rechtlich sind verschiedene Aspekte zwischen Arzt und Rechtsanwalt abzustimmen. Während des gesamten Verlaufs ist die Kommunikation wichtig. So hängen beispielsweise besondere beweisrechtliche Probleme davon ab, ob ein medizinischer Gutachter einen möglichen Behandlungsfehler als so gravierend einschätzt, dass er einem Arzt dieses Fachgebiets schlechterdings nicht unterlaufen darf. Aus juristischer Sicht ist dies ein sogenannter grober Behandlungsfehler. Er führt dazu, dass der Arzt beweisen muss, dass der Zusammenhang zwischen dem Schaden und dem Behandlungsfehler äußerst unwahrscheinlich oder nicht herstellbar ist.

Bei Gericht wird die Angelegenheit mündlich verhandelt. Mitunter werden Vergleiche geschlossen, die den Streit beenden. Kommt kein Vergleich zustande, ergeht ein Urteil. Entweder wird die Klage abgewiesen oder der betroffene Arzt verurteilt, ein vom Gericht bestimmtes Schmerzensgeld und Schadensersatz zu zahlen. Gegen solche Urteile kann der Betroffene dann in der Regel das Rechtsmittel der Berufung zum nächst höheren Gericht einlegen.

Verhalten bei einem Behandlungsfehlervorwurf

Sollte ein Arzt mit einem Behandlungsfehlervorwurf konfrontiert werden, ist es ratsam, zunächst die Behandlungsunterlagen zu sichten und sich davon eine Kopie zu machen. Denn die Unterlagen werden im Verfahren in der Regel im Original gebraucht. Der Arzt sollte sich mit dem Behandlungsfehlervorwurf auseinandersetzen und umgehend seine Haftpflichtversicherung informieren. Führt das außergerichtliche Verfahren zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis, kann sich eine Klage anschließen. Hat der betroffene Arzt noch keinen Anwalt eingeschaltet, sollte er darauf achten, eine mögliche Frist von zwei Wochen nach Zustellung einer Klage einzuhalten um einen Rechtsanwalt zu beauftragen und den Haftpflichtversicherer umgehend von der Klagezustellung zu unterrichten.

Dtsch Arztebl 2019; 116(25): [2]
 


Der Autor:

Dr. iur. Oliver Pramann
Rechtsanwalt und Notar, Fachanwalt für Medizinrecht
Kanzlei 34
30175 Hannover

Das könnte Sie auch interessieren: