Recht: Warum ermächtigte Ärzte nicht am KV-Notdienst teilnehmen müssen

12 Februar, 2020 - 13:08
Eva-Maria Neelmeier
Juristen Hammer und im Hintergrund Justitia

Einem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) zufolge können ermächtigte Krankenhausärzte nicht verpflichtet werden, am ärztlichen Bereitschaftsdienst teilzunehmen (Urteil vom 12. Dezember 2018, Az.: B 6 KA 50/17).

Dem BSG-Urteil liegt folgender Fall zugrunde: Nachdem die KV Hessen ihre Bereitschaftsdienstordnung (BDO) geändert hatte, erstreckte sich die Verpflichtung zur Teilnahme am ärztlichen Bereitschaftsdienst auch auf ermächtigte Krankenhausärzte. Ein Krankenhausarzt, der vom Zulassungsausschuss wiederholt zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt worden war, legte gegen die Einteilung zum ärztlichen Bereitschaftsdienst für einen Vormittagsdienst Widerspruch ein.

Die KV Hessen wies den Widerspruch zurück und begründete dies damit, dass der Arzt als ermächtigter Krankenhausarzt nach der neuen BDO verpflichtet sei, am ärztlichen Bereitschaftsdienst teilzunehmen – und zwar begrenzt auf den Umfang von 0,25 eines Versorgungsauftrages, sodass der Besonderheit der Ermächtigung ausreichend Rechnung getragen worden sei. Der betroffene Krankenhausarzt erhob daraufhin Klage beim Sozialgericht.

Sozialgericht bestätigte Bescheid der KV Hessen

Das Sozialgericht Marburg wies die Klage zurück und bestätigte den Bescheid der KV Hessen (Urteil vom 25. Februar 2015, Az.: S 11 KA 11/15). Ein ermächtigter Krankenhausarzt, begründete das Gericht, werde wie ein Vertragsarzt tätig, sodass ihn auch die entsprechenden Rechte und Pflichten treffen und somit auch die Verpflichtung, am ärztlichen Bereitschaftsdienst teilzunehmen. Als entscheidenden Grund nannte das Sozialgericht den Vertragsärzten durch ihre Zulassung verliehenen Status, der ihnen abverlange, nicht nur in bestimmten Zeiträumen, sondern rund um die Uhr zur Verfügung zu stehen, um die vertragsärztliche Versorgung sicherzustellen.

Der klagende Krankenhausarzt wollte sich mit dieser Entscheidung nicht abfinden und legte Berufung ein. Das Landessozialgericht Hessen gab ihm Recht. Es hob das erstinstanzliche Urteil auf und stellte fest, die Verpflichtung des ermächtigten Krankenhausarztes zur Teilnahme am ärztlichen Bereitschaftsdienst sei rechtswidrig (Urteil vom 14. Dezember 2016, Az.: L 4 KA 18/15). Als Begründung gab das Gericht an, dass der Gesetzgeber die Teilnahme am Bereitschaftsdienst bewusst im Rahmen der Niederlassung in freier Praxis ausgestaltet habe. Es müsse klar unterschieden werden zwischen einem niedergelassenen Arzt und einem ermächtigten Krankenhausarzt. Denn der ermächtigte Krankenhausarzt nehme nur in dem von den Zulassungsgremien explizit zu bestimmendem Umfang an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Ebenso verhalte es sich bei Medizinischen Versorgungszentren (MVZ), die zum Bereitschaftsdienst herangezogen würden, nicht aber die dort angestellten Ärzte. Hinsichtlich der Fremdbestimmung und der potenziell widerstreitenden Interessen sei die Situation mit der eines angestellten Krankenhausarztes vergleichbar.

BSG: Verstoß gegen höherrangiges Recht

Das Bundessozialgericht schloss sich der Ansicht des Landessozialgerichts an. Die Richter urteilten, dass eine Verpflichtung von Krankenhausärzten zur unmittelbaren Teilnahme am ärztlichen Bereitschaftsdienst gegen höherrangiges Recht verstoße.

Sie begründeten dies damit, dass die grundsätzliche Verpflichtung eines jeden Vertragsarztes zur Teilnahme am Bereitschaftsdienst nicht aus der Satzungsgewalt der Kassenärztlichen Vereinigung stamme, sondern auf den Zulassungsstatus des Arztes zurückzuführen sei. Mit der Zuteilung dieses Status sei die Berechtigung und Verpflichtung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung und der Honorarverteilung verbunden. Jedoch würden ermächtigte Krankenhausärzte diesen Status nach der Rechtsprechung der Sozialgerichtsbarkeit nicht erlangen.

Unterschiede: Zulassung und Ermächtigung

Differenziert werden muss nach Ansicht des BSG zwischen einer Zulassung und einer Ermächtigung, die Ärzte grundsätzlich anders in die vertragsärztliche Versorgung einbeziehen. Ermächtigungen seien von der qualifizierten Prüfung des Versorgungsbedarfs abhängig und würden zeitlich, räumlich sowie hinsichtlich ihres medizinischen Gegenstands und der überweisungsbefugten Ärzte begrenzt. Nach Ablauf des Zeitraums werde wieder neu über die Ermächtigung entschieden. Daher habe die ambulante Tätigkeit eines Krankenhausarztes für diesen eher eine Nebenfunktion im Vergleich zu seiner Krankenhaustätigkeit. Dies zeige sich auch darin, dass ihn keine Sprechstundenpflicht in Bezug auf seine ermächtigten vertragsärztlichen Tätigkeiten treffe.

Auch wies das Bundessozialgericht auf praktische Schwierigkeiten hin, die sich ergeben könnten, wenn der Dienstplan des Krankenhauses mit dem Bereitschaftsdienstplan der KV abgestimmt werden müsste.

Ermächtigte Ärzte schließen Versorgungslücken

Ermächtigungen von Krankenhausärzten seien dafür da, Lücken in der vertragsärztlichen Versorgung zu schließen. Auch die Pflichtmitgliedschaft in der Kassenärztlichen Vereinigung führe nicht dazu, dass der ermächtigte Krankenhausarzt einem zugelassenen Arzt gleichzustellen ist, was die Pflicht angeht, am ärztlichen Bereitschaftsdienst teilzunehmen. So ergebe sich die Verpflichtung zur Teilnahme nicht aus der KV-Mitgliedschaft, sondern aus dem Zulassungsstatus und der sich daraus ergebenden umfassenden Versorgungspflicht.

Bereits im Jahr 2016 hat das BSG festgestellt, dass belegärztlich tätig werdende Vertragsärzte zum Notdienst herangezogen werden dürfen. Auch diese Verpflichtung ergibt sich aus Sicht der Richter aus dem Zulassungsstatus. So müsse eine belegärztliche Tätigkeit gegenüber der ambulanten Praxis von untergeordneter Bedeutung sein. Bei einem ermächtigten Krankenhausarzt sei es genau anders herum: Dessen Beteiligung an der vertragsärztlichen Versorgung müsse gegenüber den Pflichten, die aus der Krankenhaustätigkeit folgen, zurückstehen.

Zudem muss aus Sicht des BSG berücksichtigt werden, dass Krankenhausärzte verpflichtet sind, am Bereitschaftsdienst und an der Rufbereitschaft teilzunehmen, zumindest dann, wenn sie unter einen entsprechenden Tarifvertrag fallen. Müssten sie dann auch noch am vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst teilnehmen, könnten sie schnell zu stark beansprucht werden.

Dtsch Arztebl 2019; 116(48): [2]
 


Die Autorin:

Eva-Maria Neelmeier
Rechtsanwältin
Kanzlei 34
30175 Hannover

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