
Die Telemedizin gewinnt im Rettungsdienst immer mehr an Bedeutung. So sind Klinikärzte zunehmend auch als Telenotärzte gefragt. Einige Bundesländer haben den Telenotarzt bereits in ihren Rettungsdienstgesetzen verankert, manche stehen kurz davor, andere experimentieren noch.
Eine Tätigkeit als Telenotarzt scheint eine gute Erweiterung im Rettungsdienst zu sein. Sie ist auch für Ärztinnen und Ärzte attraktiv. Diese sollten nichtsdestotrotz die rechtlichen Besonderheiten des Systems kennen. Der Rettungsdienst fällt in die Gesetzgebungskompetenz der Bundesländer. Das bedeutet, jedes Bundesland kann weitestgehend selbst entscheiden, wie es den Rettungsdienst konzeptioniert. Die Länder entscheiden auch, ob und wie sie Ärzte und Ärztinnen im Rettungsdienst einsetzen. Alle Länder sehen die Vorhaltung eines Notarztes vor, meist in Kombination mit einem Notarzteinsatzfahrzeug oder Notarztwagen. Die Vorhaltung ist in der Bedarfsplanung zu berücksichtigen, wobei die gesetzlichen Vorgaben zu beachten sind.
Keine Notärzte im herkömmlichen Sinn
Hingegen ist der in einer Telenotfallzentrale sitzende Arzt kein Notarzt im herkömmlichen Sinn, auch wenn er über die gleiche Qualifikation verfügt. Er ist physisch nicht beim Patienten, kann also seine ärztlichen Kenntnisse und Fertigkeiten nicht unmittelbar am Patienten einsetzen. Dafür benötigt er Dritte. Telenotärzte dürfen daher kein Notarzteinsatzfahrzeug ersetzen, es sei denn, das Gesetz lässt das zu. Solange Notärzte für die Bedarfsplanung relevant sind, bleibt es bei der Entsendung des Notarztes an den Einsatzort. Doch hätte es der Gesetzgeber sogar in der Hand, vollständig auf Notärzte zu verzichten und sie durch Telenotärzte zu ersetzen, wenn der Patientenschutz gewährleistet bliebe.
Aufgaben, Tätigkeiten und die Qualifikation von Telenotärzten richten sich nach dem Landesrecht. Und das unterscheidet sich nicht nur in Nuancen, sondern teils erheblich. Teilweise können die Weiterbildungsordnungen der jeweiligen Ärztekammern neben dem Schwerpunkt Notfallmedizin weitergehende Vorgaben für Telenotärzte vorsehen.
Selbstständig oder nicht selbstständig?
Telenotärzte werden meist in einer Telenotarztzentrale tätig. Sofern sie dabei ihren Tätigkeitsort nicht frei wählen können, sie das Equipment des Trägers und dessen Software verwenden und im Rahmen eines Dienstplans tätig werden, dürfte es bei ihnen um eine nicht selbstständige Erwerbstätigkeit gehen. Eine andere Beurteilung kann sich ergeben, wenn sie sich ihre Zeit frei einteilen, selbstständig ihre Arbeitszeiten bestimmen und selbst nach einer Vertretung suchen sowie das eigene oder jedenfalls gegen Entgelt überlassene Equipment nutzen, vor allem aber, wenn sie selbst gegenüber den Patienten abrechnen. Rechtssicherheit bietet ein Statusfeststellungsverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung Bund.
Einnahmen aus Tätigkeiten als Notarzt im Rettungsdienst sind nach dem SGB IV nicht beitragspflichtig, wenn die Tätigkeiten neben einer Beschäftigung von regelmäßig mindestens 15 Stunden wöchentlich außerhalb des Rettungsdienstes oder einer Tätigkeit als zugelassener Vertragsarzt oder Arzt in privater Niederlassung ausgeübt werden (§ 23 c Abs. 2 SGB IV). Für Tätigkeiten, bei denen die Einnahmen demnach nicht beitragspflichtig sind, gibt es keine Meldepflichten nach dem SGB IV. Ob § 23 c Abs. 2 auch den Telenotarzt erfasst, ist bislang nicht geklärt.
Wenn andere Unternehmer notärztliche Leistungen für den Träger erbringen, sind die Vorgaben des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes zu beachten. Arbeitnehmerüberlassung bedeutet, dass ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber einem Dritten gegen Entgelt und für eine begrenzte Zeit überlassen wird. Der Arbeitgeber ist Verleiher, der Dritte Entleiher. Der Verleiher benötigt dafür eine Erlaubnis. Abzustellen ist jedoch stets auf den konkreten Einzelfall, sodass eine vorherige Prüfung der jeweiligen Konstellation sinnvoll ist.
Amtshaftung und Versicherung
Telenotärzte sollten sich der Unterscheidung zwischen Notarzt und Telenotarzt bewusst sein. Zu prüfen sein wird, welche Funktion Telenotärzte ausüben und in welchem Verhältnis sie tätig werden. So werden Notärzte in manchen Bundesländern hoheitlich tätig; dann gelten die Haftungserleichterungen der Amtshaftung. Anders kann das für Telenotärzte aussehen, wenn sie im Gesetz nicht verankert sind. Sie sollten vorsorglich auch ihren Versicherungsvertrag in der Berufshaftpflichtversicherung prüfen und gegebenenfalls dieses Tätigkeitsgebiet absichern, sollte es nicht bereits vom Tarif umfasst sein.
Auch im Telenotarztdienst sind Datenschutz und Schweigepflicht zu wahren. Betreiber einer Telenotarztzentrale müssen bei der Planung und vor der Errichtung die gesetzlichen Anforderungen berücksichtigen. Insbesondere sind die erforderlichen technischen und organisatorischen Maßnahmen (TOM) zum Schutz der Patientendaten zu ergreifen. Dazu zählt, die Mitarbeitenden im Umgang mit der Verarbeitung der personenbezogenen Daten zu schulen. Auch eine Datenschutzfolgeabschätzung ist vorzunehmen. Empfehlenswert sind Handlungsanweisungen an die Mitarbeitenden, welche Daten zu welchem Zweck verarbeitet und herausgegeben werden dürfen.
Delegation ärztlicher Maßnahmen
Bei der Delegation ärztlicher Maßnahmen müssen sich Telenotärzte vergewissern, dass die Durchführenden über die erforderliche Qualifikation verfügen. Sie sollten die Besatzung vor Ort zumindest nach ihrer Qualifikation fragen, um vermeidbare Irrtümer zu verhindern. Die Telenotärzte haben bei der Delegation an nichtärztliches Personal eine Auswahl- und Überwachungspflicht. Zugleich haftet die nichtärztliche Besatzung eines Rettungsmittels für das eigene Übernahmeverschulden. Ein Übernahmeverschulden liegt vor, wenn jemand eine medizinische Behandlung durchführt, für die er persönlich nicht geeignet oder nicht qualifiziert ist. Äußern kann sich dies durch fehlende Ausbildung, zum Beispiel wenn der Rettungssanitäter kein Notfallsanitäter ist, oder eine nicht vorhandene Spezialisierung.
Gibt die Besatzung allerdings an, Notfallsanitäter zu sein, können sich Telenotärzte zumindest so lange auf die Ausbildung und Qualifikation der Notfallsanitäter verlassen, bis ihnen Zweifel kommen. Bestenfalls fragen sie trotzdem vor der Maßnahme nach. Spezifisch ärztliche Leistungen, darunter auch die Leichenschau, bleiben Ärzten vorbehalten; sie ist nicht delegierbar.
Dtsch Arztebl 2025; 122(7): [2]
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