„Ärztin / Arzt mit Kind gesucht“ heißt es explizit in einer Stellenausschreibung des Bezirksklinikums Mainkofen. Welche Strategie steckt dahinter? Und fühlen sich Menschen ohne Kind nicht benachteiligt? Martina Lösl hat die Recruiting-Kampagne als Assistentin der Geschäftsführung mitentwickelt. Im Interview erklärt sie, warum ihr Klinikum auf Familienfreundlichkeit setzt.
Frau Lösl, das Bezirksklinikum Mainkofen sucht in einer Stellenanzeige bewusst nach einem Arzt oder einer Ärztin mit Kind. Was steckt dahinter?
Martina Lösl: Die Idee ist gemeinsam mit unseren Chefärztinnen und Chefärzten entstanden. Wir überlegen natürlich immer wieder, wie wir Mitarbeiter in unserer sehr ländlichen Region akquirieren können. Es gibt sehr viele Ärztinnen und Ärzte hier in der Region, die gerade in Elternzeit sind – und die möchten wir erreichen. Außerdem wollten wir mit dieser Anzeige Aufsehen erregen und auf uns aufmerksam machen. Neben den großen Playern in den Großstädten sind wir als Arbeitgeber überregional einfach (noch) nicht sehr bekannt. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird immer wichtiger – und da können wir punkten.
In der Anzeige wird Vieles offengelassen: Einerseits sprechen Sie Fachärzte und Fachärztinnen für Psychiatrie und Psychotherapie an, andererseits können sich auch junge Ärzte bewerben, egal, ob sie an einer Weiterbildung in diesem Bereich interessiert sind oder nicht. Um was für eine Stelle geht es denn dabei?
Martina Lösl: Es geht gar nicht um eine konkrete Stelle – die Ausschreibung ist Teil einer Kampagne. Viele Mütter und Väter möchten vielleicht gern arbeiten, haben aber gerade keine Lust auf eine Weiterbildungsstelle. In der fachärztlichen Weiterbildung muss man ja immer bestimmte Vorgaben erfüllen. Junge Eltern haben dafür nicht immer den Kopf frei, sondern möchten vielleicht einfach ohne diesen Stress in Teilzeit arbeiten. Diese Ärztinnen und Ärzte wollen wir erreichen. Gleichzeitig interessieren wir uns natürlich auch für Eltern, die schon eine Weiterbildung im Bereich Psychiatrie angefangen haben oder sogar schon den Facharzttitel haben, aber ihre Berufstätigkeit wegen der Elternzeit unterbrochen haben. Wir wollen auch Ärzte ansprechen, die eigentlich aus anderen Fachgebieten kommen. So jemand ist eine große Bereicherung fürs Team. Unsere Patientinnen und Patienten haben oftmals nicht nur psychische oder psychiatrische Probleme – viele von ihnen sind mehrfacherkrankt und benötigen auch in somatischen Belangen ärztliche Hilfe und Unterstützung. Was die Eltern betrifft, die sich bei uns bewerben, sind wir für Vieles offen.
Wie sprechen Sie diese Ärztinnen und Ärzte konkret an?
Martina Lösl: Wir haben im Rahmen dieser Kampagne alle unsere Mitarbeiter in Elternzeit angeschrieben und gefragt, ob sie gern stundenweise wieder einsteigen würden. Außerdem haben wir unsere Stellenausschreibungen im vergangenen Jahr persönlicher gestaltet. Früher hatten wir gar keine Bilder dazu. Jetzt arbeiten wir mit Bildern, auf denen Kolleginnen und Kollegen aus unserem Haus zu sehen sind. Wir wollen unser Haus transparent machen und zeigen, wer bei uns arbeitet – auch schon in der Stellenausschreibung. Auf dem Bild für „Ärztin / Arzt mit Kind“ sind drei Mitarbeiter mit ihren Kindern zu sehen: zwei Ärztinnen und ein Mitarbeiter aus der Technik, der auch bei uns arbeitet und mit einer der Ärztinnen verheiratet ist.
Die Bilder zeigen also auch die Kinder. Wie präsent sind die denn im Klinikalltag?
Martina Lösl: Unsere Klinik liegt ja im Bayrischen Wald – einer Region, in der andere Urlaub machen und ihre Freizeit verbringen, auch mit Kindern. Das heißt, die Infrastruktur ist durchaus anders als in einer Großstadt. Auch unser Klinikgelände ist anders: Unsere Klinik ist im Pavillon-Stil gebaut und in den Ort integriert. Das Klinikum besteht aus 92 Einzelgebäuden. Insgesamt haben wir 33 Krankenstationen, die zum Teil in einem Einzelgebäude oder aber in modernen Gebäudewürfeln untergebracht sind. Auf dem Gelände haben wir auch einen Kindergarten – und die Kinder sind natürlich auch mal mit den Erzieherinnen unterwegs. Ich selbst bin als Kind hier Fahrrad gefahren. Das schafft eine besondere Atmosphäre – für die Mitarbeiter, aber auch für die Patienten, die sich bei uns gut erholen können. Wir wollen ein Teil des Ortes sein und uns nicht davon abgrenzen.
Fühlen sich von der „Arzt mit Kind“-Ausschreibung nicht potentielle Bewerber benachteiligt, die keine Kinder haben?
Martina Lösl: Normalerweise sind es ja eher die Eltern, die im Berufsleben benachteiligt werden – da wollten wir den Spieß umdrehen. Wir haben tatsächlich zwei Rückmeldungen von Ärzten bekommen, die keine Kinder haben und sich ausgeschlossen fühlen. Natürlich können sich aber auch Kinderlose bei uns bewerben. In einer neueren Fassung der Anzeige weisen wir darauf auch hin. Uns war gar nicht bewusst, dass sich Menschen ohne Kinder benachteiligt fühlen könnten, weil wir die Anzeige als Teil der Kampagne gesehen haben – in den anderen Ausschreibungen der Kampagne haben wir Oberärzte, Fachärzte oder Weiterbildungsassistenten gesucht, ohne Bezug auf die Familiensituation.
Welches Feedback haben Sie sonst von den Bewerbern bekommen?
Martina Lösl: In den Bewerbungen der vergangenen Monate hat leider niemand direkt auf diese Ausschreibung Bezug genommen. Allerdings konnten wir in diesem Zeitraum schon mehrere Teilzeitkräfte eingestellt. Dazu muss man auch sagen, dass wir derzeit nicht genau nachverfolgen, wer sich auf welche Ausschreibung bewirbt. Das wollen wir in Zukunft verstärkt analysieren. Aber wir haben viel positives Feedback bekommen – beispielsweise über Facebook, aber auch von unseren Mitarbeitern. Viele finden es toll, dass mal direkt etwas für Eltern getan wird.
Was macht Ihre Klinik so besonders familienfreundlich?
Martina Lösl: Unser Kindergarten ist aktuell noch öffentlich mit für uns reservierten Plätzen, geplant ist aber ein Betriebskindergarten mit 20-30 Plätzen für die Kinder unserer Mitarbeiter. Außerdem bieten wir stark individualisierte Dienstzeiten an. Eine Mutter von mehreren Kindern arbeitet beispielsweise nur am Wochenende. Unser Krankenhausdirektor sagt gern: „Einmal Mainkofen, immer Mainkofen“. Das bezieht sich auf unsere Mitarbeiter und bedeutet, dass wir eine eher geringe Fluktuation haben. Wir haben flache Hierarchien und die Mitarbeiter kennen sich untereinander sehr gut. Das schafft natürlich eine enge Verbundenheit zu unserem Klinikum. Und durch die Gebäudestruktur hat auch die Zusammenarbeit in den Teams fast etwas Familiäres.
Welche Bedeutung hat Familienfreundlichkeit heute beim Recruiting?
Martina Lösl: Eine große Bedeutung – die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird ja immer wichtiger. Eltern wollen wirklich Mamis und Papis sein und nicht nur Teilzeitversorger. Darum geht es uns. Mainkofen ist eine Klinik mit einer sehr langen Geschichte. Wir haben unter unseren Mitarbeitern manchmal mehrere Generationen einer Familie. Da haben vor 30 Jahren die Eltern bei uns in der Pflege angefangen und mittlerweile arbeiten auch die Kinder als Pflegekräfte oder Ärzte bei uns. Wenn wir jetzt nach Ärztinnen und Ärzten mit Kindern suchen, haben wir also auch schon die nächste Generation unserer Kolleginnen und Kollegen im Blick. Bei uns soll man sich wohlfühlen – und auch die Kinder sollen uns als attraktiven Arbeitgeber kennenlernen, bei dem sie später vielleicht selbst arbeiten wollen.