Burn-on bei Ärztinnen und Ärzten: Ursachen, Symptome, Therapie

21 Februar, 2024 - 08:33
Bianca Freitag
Burn-on

Das Burn-out ist heutzutage allen bekannt. Aber wie sieht es mit Burn-on aus? An welchen Symptomen man das Krankheitsbild erkennen kann, welche Ursachen es haben kann und was Betroffene dagegen tun können, erfahren Sie im Beitrag.

Nur noch diese Untersuchung, dieser eine Arztbrief, noch diese Schicht, dann wird es besser. Dann nur noch bis zum Urlaub, den nächsten Verwandtenbesuch und die Geburtstagsfeier schaffen. Dann ist wieder Zeit für Erholung und die schönen Dinge im Leben.

Diese Sätze sagt man sich immer wieder – aber bis zu diesem Punkt der Entspannung kommt man im Burn-on nicht. Denn der Arbeitsmodus hat Betroffene zu diesem Zeitpunkt schon so fest im Griff, dass sogar die eigentlich entspannte Zeit abgearbeitet wird und eben nicht mehr der Erholung dient.

Unterschied zwischen Burn-on und Burn-out

Das Burn-on ist bisher noch keine anerkannte Diagnose und wenig erforscht. Betroffene funktionieren im Arbeitsalltag und Privatleben immer weiter. Sie haben zwar einen hohen Leidensdruck und sind nach innen krankhaft erschöpft, doch sie erlauben es sich nicht, diese Erschöpfung nach außen zuzulassen und stehen immer am Limit. Diese Personen brennen immer weiter, ohne auszubrennen. Ein Burn-on ist einfach gesagt ein Burn-out ohne den körperlichen und psychischen Zusammenbruch. Den Begriff geprägt haben Prof. Dr. med. Bert te Wildt und Timo Schiele von der Psychosomatischen Klinik im Kloster Dießen am Ammersee im Jahr 2021.

Wer an einem Burn-out leidet, für den oder die sind nicht nur Kraft- und Antriebslosigkeit, sondern auch eine Abneigung gegen die Arbeit kennzeichnend. Das trifft auf Personen mit einem Burn-on nicht zu. Denn sie arbeiten in der Regel immer noch gern – sogar mit Tendenzen zur Arbeitssucht –, tun dies mit einem Lächeln, doch sie stehen unter einer massiven Anspannung, die sich auch in körperlichen Symptomen niederschlägt. Es fällt ihnen schwer, dieses Hamsterrad zu verlassen, und sie merken oft selbst nicht, dass ihre Situation gesundheitlich problematisch ist. Sie ordnen sowohl ihren Arbeitsalltag als auch ihr Privatleben dem Arbeitsmodus unter und haken alles wie eine To-Do-Liste ab: egal ob Meeting, Arztbrief schreiben, Abendessen mit der Familie, Sport, Geburtstage usw. Gleichzeitig bereitet ihnen keine der Aktivitäten mehr Freude.

Charakteristisch für Betroffene mit einem Burn-on ist, dass sie zwar regelmäßig bis an ihr eigenes Limit gehen – aber nie darüber hinaus. Dieser Zustand kann sich über Monate oder sogar Jahre hinziehen. Zu erholsamen Entspannungsphasen kommt es nicht. In der Folge stellt sich eine chronische Erschöpfungsdepression mit den entsprechenden Symptomen ein. Doch der mentale und körperliche Zusammenbruch kommt nicht.

Ursachen von Burn-on

In unserer Gesellschaft sind Leistung, Erfolg, Anerkennung und Konkurrenzdruck allgegenwärtig. Hinzu kommt die ständige Verfügbarkeit sowohl im Arbeits- als auch im Privatleben durch Home Office, Internet und soziale Medien. So fällt es vielen Menschen schwer, Berufliches und Privates strikt zu trennen und ausreichend Zeit und Platz für die Dinge zu schaffen, die einem wirklich guttun. Bei Personen mit einem Burn-on ist ebenso die Tendenz zur Arbeitssucht gegeben. Gleichzeitig steigt die Belastung durch Probleme wie die Pandemie, hohe Lebenshaltungskosten oder eine Doppelbelastung durch Job und Kinderbetreuung.

In einem stressigen Alltag, in dem man nur von Termin zu Termin hetzt, werden dann schnell Aktivitäten gestrichen, die für Entspannung gesorgt und die eigenen Akkus wieder aufgeladen hätten. Darunter leiden sowohl Beziehungen als auch Freundschaften.

Besonders in Bereichen mit einem hohen Einsatz an Arbeitszeit und viel Verantwortung kann ein Burn-on vermehrt auftreten. Gefährdet sind demnach gesundheitliche Berufe wie Arzt oder Ärztin, Pflegekräfte, Therapeutinnen und Therapeuten oder auch Berufe wie Lehrerinnen und Lehrer. Gerade Ärztinnen und Ärzte arbeiten oft mehr, als sie laut Arbeitsvertrag müssten. Laut MB-Monitor aus dem Jahr 2022 arbeiten etwa 18 Prozent der Ärztinnen und Ärzte wöchentlich zwischen 60 und 79 Stunden.

Symptome beim Burn-on

Schiele und te Wildt beschreiben ein Burn-out als eine akute und Burn-on als eine chronische Erschöpfungsdepression. Beim Burn-on fallen drei wesentliche Merkmale auf:

  1. Das Verhalten: großer Aktionismus bei allem, was mit der Arbeit zu tun hat. Handlungslähmung bei alltäglichen Aufgaben und Privatem
  2. Die Emotionen: angestrengter Positivismus, eigentlich herrscht jedoch Freudlosigkeit vor
  3. Der Verstand: vordergründig dominierender Perfektionismus, gleichzeitig innere empfundene Unzulänglichkeit

Diese Merkmale sind jedoch auf den ersten Blick nicht erkennbar, da Betroffene ihren Alltag augenscheinlich im Griff haben, ihr Leben schön finden und sich selbst nicht bewusst sind, dass es ein Problem gibt. „Alles wird der Funktionalität des Arbeitsmodus untergeordnet. Und das funktioniert einfach nicht“, sagt te Wildt.

Weitere Symptome beim Burn-on können sein:

  • Depressionen
  • Konzentrationsstörungen
  • kognitive Überreizung
  • Gereiztheit
  • hoher Selbstanspruch
  • Selbstzweifel
  • starke Anspannung
  • sozialer Rückzug

Körperliche und psychosomatische Symptome:

  • Schulter-Nacken-Schmerzen
  • Verspannungen (bis hin zu Bandscheibenvorfällen)
  • Kopfschmerzen
  • Schwindel
  • Tinnitus
  • Bluthochdruck

Gesundheitlich kann ein nicht behandelter Burn-on sogar lebensgefährlich werden. Denn Bluthochdruck ist eine Vorstufe eines Herzinfarkts oder Hirninfarkts. Auch Depressionen können im schlimmsten Fall zu einem spontanen Suizid führen.

Was tun? Therapie beim Burn-on

In der psychosomatischen Medizin ist bekannt, dass das Wissen um bestimmte Erkrankungen dazu führt, dass sich Symptome verschieben und neue Krankheitsbilder entstehen. „Das Wissen um den Burn-out hat zu einer Verschiebung und zu einem neuen Störungsbild geführt, das nicht minder gefährlich ist“, erklärt te Wildt.

Eines der größten Probleme bei der Behandlung von Burn-on ist, dass sich Betroffene eingestehen müssen, dass sie Hilfe benötigen und es so nicht weitergehen kann. Oft merken sie erst in einer Gesprächstherapie, dass hinter ihren körperlichen Beschwerden eine Ursache steckt und sie zu lange am Limit gelebt und gearbeitet haben.

Wichtig ist, dass sich Betroffene Zeit und Räume schaffen, die sie nicht ihrem Arbeitsmodus unterordnen, sondern gezielt zur emotionalen und körperlichen Entspannung nutzen. Wie sie diese Zeit gestalten, ist individuell unterschiedlich. Hilfreich ist es, sich die Fragen zu stellen: Was passt wirklich zu mir? Was hat mir früher Freude bereitet? Wobei konnte ich mich früher gut entspannen? Was wollte ich schon immer mal machen? Mögliche Entspannungstechniken sind Yoga, Meditation oder Atemtechniken gegen Stress und Nervosität.

Darüber hinaus sollten Betroffene auch im Job lernen, „Nein“ zu sagen und klar die eigenen Grenzen aufzuzeigen. Gerade Ärztinnen und Ärzte sollten darauf achten, regelmäßig Pausenzeiten einzuhalten und den Arbeitsalltag bestmöglich zu strukturieren, sich also beispielsweise bewusst Zeit für administrative Aufgaben zu nehmen, in denen man nicht mit anderen Dingen gestört werden darf.

28.02.2025, Praxis
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Ist Personen mit Burn-on aber nicht damit geholfen, ihr Mindset zu ändern und Entschleunigungstechniken anzuwenden, kann professionelle Hilfe in Form einer Psychotherapie dabei unterstützen. Wenn eine ambulante Psychotherapie nicht ausreicht, sollten Betroffene eine stationäre Behandlung in Betracht ziehen. Hier können Therapieansätze zur Reduktion des Leidensdrucks (auch bei körperlichen Symptomen wie Tinnitus etc.) wie Achtsamkeits-, Bewegungs-, Kunst-, Tanztherapie sowie Einzel- und Gruppengespräche möglich sein.

Tipps: Sind Sie Burn-on-gefährdet?

1. Warnzeichen früh erkennen: Sie wollen seit Wochen eine Freundin anrufen oder einfach joggen gehen, finden aber keine Zeit, weil Sie Ihre Freizeit doch mit irgendwelchen Erledigungen verbringst? Es dreht sich die ganze Woche alles darum, was Sie noch schaffen wollen? Das sind erste Anzeichen für ein Burn-on, die Sie ernstnehmen sollten.

2. Wieder entspannen: Wobei können Sie richtig abschalten und sowohl die Arbeit als auch den Alltag vergessen? Für manche ist es Yoga, für andere Sport oder Kreatives. Nutzen Sie freie Zeit für Dinge, die Ihnen wirklich guttun.

3. Pausen: Besonders Ärztinnen und Ärzte tendieren dazu, keine Pausen zu machen oder nur mal schnell einen Kaffee zu trinken. Aber Pausen sind notwendig, um einen klaren Kopf zu behalten und nicht im Dauerstress zu landen. Planen Sie also Ihre Pausenzeiten und halten Sie sie auch ein!

4. Soziale Medien: Instagram und Co. sind oft eine willkommene Ablenkung, doch entspannend ist es nicht, dauerhaft verfügbar zu sein oder die unbewusste Angst zu haben, etwas zu verpassen. Hier hilft es, sich für den Konsum von Social Media Grenzen zu setzen (z.B. täglich eine Stunde) und diese einzuhalten.

5. Achtsamkeit: Immer im Arbeitsmodus heißt auch, dass sich ein Ausbrechen aus diesem Hamsterrad komisch anfühlt, weil man sich vielleicht nutzlos oder ängstlich fühlt. Diesen Emotionen kann man auf den Grund gehen und Gedankenspiele entwickeln mit Fragen wie: Was ist mir eigentlich wichtig, was eher nicht? Was passiert wirklich, wenn ich das jetzt nicht mache? Worauf will ich in meinem Leben absolut nicht verzichten? Das kann dabei helfen, wieder den Fokus auf sich selbst zu lenken und zu erkennen, wie man Ausgleich und Lebensfreude schaffen kann.

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