Die Approbation verlieren: Wann droht das dem Arzt oder der Ärztin?

18 Mai, 2022 - 07:40
Gerti Keller
Medizinrecht: Arzt neben Waage

Falsche Abrechnungen, kontraindizierte Impfungen oder auch einfach das Gaspedal zu oft durchgedrückt? Bei welchen Vergehen droht Medizinerinnen und Medizinern der Verlust der Approbation? Rechtsanwalt Dr. Th. Alexander Peters, Spezialist für Medizinstrafrecht, gibt Auskunft.

Vorneweg gefragt: Was kann alles zum Entzug der Approbation führen?

Dr. Th. Alexander Peters: Ganz verschiedene Verfehlungen, diese Liste ist wirklich lang. Da gibt es Vorwürfe, die unmittelbar mit der ärztlichen Tätigkeit zusammenhängen, wie sexueller Missbrauch unter Ausnutzung des Behandlungsverhältnisses. Aber auch beim Abrechnungsbetrug oder einer Vorteilsannahme, beispielsweise sich eine Patientenzuführung vergüten zu lassen, wird von einem Berufsbezug ausgegangen. Ebenso bei einer Körperverletzung durch eine kontraindizierte Impfung oder fehlerhafte Behandlung. Zudem können Gefälligkeitsgutachten, unterlassene Aufklärungen sowie der Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz, beispielsweise bei einer Substitutionsbehandlung, die Zulassung zur Berufsausübung gefährden.

Darüber hinaus müssen die Vorwürfe aber nicht zwingend mit der ärztlichen Arbeit zusammenhängen. So kann der Erwerb von kinderpornografischem Material oder Steuerhinterziehung ebenfalls dazu führen. Oder Kreditbetrug. 2015 wurde ein Arzt zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt, weil er sich bei Banken ein Darlehen erschlichen hatte – und zwar mit der fälschlichen Angabe, er besäße Anteile an einer Privatstation in einem Krankenhaus. Im Anschluss an diese Verurteilung wurde seine Approbation widerrufen. Und auch Straftaten von Brandstiftung bis hin zur Anstiftung zum Mord hatten dies schon zur Folge.

Führen auch gesundheitliche Gründe wie Suchterkrankungen oder Demenz dazu?

Dr. Th. Alexander Peters: Ja. Das ist sogar ein recht großer Teil unserer anwaltlichen Tätigkeit. In der Regel handelt es sich um Suchterkrankungen. Meiner Erfahrung nach hängt das auch damit zusammen, dass der Zugang zu verschreibungspflichtigen Medikamenten für Ärztinnen und Ärzte eben sehr einfach ist. Ich meine auch, dass sich da teilweise ein sehr unkritischer Gebrauch dieser Mittel breitgemacht hat, auch bedingt durch die oft sehr beanspruchenden Arbeitsbedingungen. In Bezug auf Demenz habe ich bislang allerdings erst einmal davon gehört. Das ist wirklich nicht der Regelfall, der auf meinem Schreibtisch landet.

Was ist denn der Regelfall?

Dr. Th. Alexander Peters: Die meisten Verurteilungen gibt es zweifelsohne beim Abrechnungsbetrug. Das betrachten die Staatsanwaltschaften zunehmend, ich sag das mal so, mit wenig Humor. Da kommt es auch zu Anklagen, selbst wenn nur Formalschäden zu beklagen sind. Also wenn eine Leistungserbringung zugrunde liegt, die aber nicht den vertragsarztrechtlichen Regelungen entspricht oder dagegen verstößt. Von daher wird, meiner Erfahrung nach, die Situation für Ärztinnen und Ärzte hier ernster – und die Notwendigkeit immer größer, strikt die Regelkonformität zu beachten.

Führt Abrechnungsbetrug zwangsläufig zum Approbationsentzug?

Dr. Th. Alexander Peters: Nein. Ich habe schon Ärzte deswegen verteidigt, die durchaus zu empfindlichen Freiheitsstrafen verurteilt wurden, und trotzdem sah man im anschließenden Approbationsverfahren davon ab, den Widerruf auszusprechen. Ich habe aber auch von Kollegen gehört, dass deren Mandaten mit der Mindeststrafe davonkamen, also einer Verwarnung unter vorbehaltener Geldstrafe von 120 Tagessätzen. Dies ist quasi eine Geldstrafe auf Bewährung, die erst dann zu zahlen ist, wenn gegen die Bewährungsauflagen des Wohlverhaltens durch eine neue Straftat verstoßen wird. Dennoch kam es hinterher zum Widerruf der Approbation. Wie das letztlich ausgeht, hängt auch immer stark damit zusammen, wie der Strafrichter in seinem Urteil formuliert. Kann ich die Verurteilung nicht verhindern, was ich natürlich zunächst immer versuche, achte ich daher sehr genau darauf, dass diese Formulierungen für meine Mandanten nicht von Nachteil sind – selbst wenn sich dadurch die Freiheitsstrafe beispielsweise von 15 auf 18 Monate erhöhen sollte. Das ist am Ende für den Erhalt der Approbation erfolgsversprechender.

Wie läuft das überhaupt ab? Muss vorher immer eine Straftat vor Gericht verhandelt werden?

Dr. Th. Alexander Peters: Nein, aber oft ist dies so. Die Approbationsbehörde kann auch ohne Verurteilung tätig werden, insbesondere bei Gefährdung des Patientenwohls. Ansonsten läuft das im Allgemeinen so ab: Bereits zum Zeitpunkt, wenn die Staatsanwaltschaft Anklage gegen einen Arzt oder eine Ärztin erhebt, werden die zuständige Approbationsbehörde sowie übrigens auch die Ärztekammer hiervon in Kenntnis gesetzt. Bei der Ärztekammer landen, aber gegebenenfalls auch ohne Anklage, Fälle zur Beurteilung des Suchtmittelkonsums – dort üblicherweise zuerst bei ihrem Suchtbeauftragten. Der schaut, ob er den Arzt soweit „eingefangen“ bekommt, unter anderem durch regelmäßige Kontrollen. Die Ärzte-Selbstverwaltung besitzt darüber hinaus einen Sanktions-Katalog für berufswidriges Verhalten. Hier kann es auch nach dem Strafverfahren zu einer berufsrechtlichen Überprüfung des bereits geahndeten Verhaltens kommen.

Bekomme ich dann einen „blauen“ Brief der Approbationsbehörde?

Dr. Th. Alexander Peters: Ja. Man erhält ein Anschreiben, in dem die Behörde ihre Bedenken formuliert und der Widerruf der Approbation angekündigt wird. Dem können Ärztinnen und Ärzte zuvorkommen, indem sie sie freiwillig zurückgeben. Man kann aber zur Sache Stellung beziehen und sich – häufig erfolgreich – wehren.

Wenn mir die Approbationsbehörde den Widerruf ankündigt, muss ich dann gleich dicht machen?

Dr. Th. Alexander Peters: Nein, nein. Der oder die Beschuldigte kann gegen den späteren Bescheid der Behörde Rechtsmittel einlegen, also grundsätzlich einen Widerspruch formulieren und dann klagen, was zumindest aufschiebende Wirkung hat. Das heißt, der tatsächliche Verlust der Approbation tritt erst im Lauf der Berufungsinstanz beim OVG ein, mit anwaltlicher Hilfe oftmals sogar erst mit Abschluss auch dieses Gerichtsverfahrens. Anders verhält es sich, falls eine sofortige Vollziehbarkeit angeordnet wird, etwa wenn gesundheitliche Defizite des Arztes oder der Ärztin im Raum stehen. Je nachdem wie massiv diese Verdachtsmomente sind, kann die Behörde das sofortige Ruhen der Approbation anordnen. Heißt: Mit Zustellung darf man vorerst nicht mehr praktizieren. Wer damit nicht einverstanden ist, kann ein gerichtliches Eilverfahren anstrengen, um dort seine Einwände vorzutragen, um zumindest mal die sofortige Vollziehbarkeit wieder los zu werden.

Kann ich die Approbation zurückbekommen?

Dr. Th. Alexander Peters: Ja, und zwar durch den Nachweis eines inneren Reifeprozesses. Das alles ist natürlich eine sehr langwierige Sache. Allgemein gilt, dass dies in Fällen des Widerrufs nach einer Straftat frühestens nach fünf Jahren möglich ist, bei gravierenden Verfehlungen sogar erst ab acht Jahren. Wurde andererseits das Ruhen wegen gesundheitlicher Defizite wie Suchterkrankungen angeordnet, muss man beweisen, dass diese überstanden und der Arzt oder die Ärztin wieder zuverlässig ist. Hierfür gibt es keine zeitlichen Vorgaben.

Wann empfiehlt sich die freiwillige Rückgabe?

Dr. Th. Alexander Peters: Das lässt sich nicht pauschal sagen. Bis diese Verfahren abgeschlossen sind, können durchaus einige Jahre vergehen. Handelt es sich um einen älteren Arzt, der vielleicht nicht mehr so lange praktizieren möchte, kann er die Interimszeit noch gut nutzen, um zum Beispiel einen Nachfolger zu finden und/oder seine Praxis zu veräußern. Geht es um eine junge Ärztin, die aufgrund der Vorwürfe ihre Approbation unvermeidlich verlieren wird, würde ich dazu raten, sie schnell zurückzugeben, um die Wohlverhaltensphase unverzüglich anzuschließen.

Im Gesetz steht, einem Arzt kann die Approbation entzogen werden, wenn er sich unzuverlässig oder unwürdig für die Ausübung seines Berufs gezeigt hat. Was ist der Unterschied?

Dr. Th. Alexander Peters: Tatsächlich kann einem Arzt oder einer Ärztin für dasselbe Vergehen Unwürdigkeit sowie Unzuverlässigkeit zum Vorwurf gemacht werden. Der Hauptunterschied ist: Bei Unzuverlässigkeit kommt ein weiterer Aspekt hinzu. Hier muss die Behörde nachweisen, dass nicht mehr sichergestellt ist, dass ein Arzt oder eine Ärztin den Beruf in Zukunft ordnungsgemäß ausüben wird. Dafür ist also eine Prognose notwendig. Unwürdigkeit befasst sich dagegen nur mit der Vergangenheit – sehr viel häufiger wird daher dieser Vorwurf gewählt, weil das viel leichter zu entscheiden ist. Für beides gibt es unterschiedliche, wortgewaltige Rechtsprechung. So definierte das Bundesverwaltungsgericht es als unwürdig, wenn der Arzt oder die Ärztin durch sein oder ihr Verhalten nicht mehr das Vertrauen besitzt, dass für die Ausübung seines Berufes unabdingbar ist. Das impliziert, dass dadurch auch das ganze Ansehen des Berufsstands in Mitleidenschaft gezogen wird. Andererseits heißt es aber, dass eine Unwürdigkeit vorliegt, wenn das Verhalten einer Öffentlichkeit nicht bekannt wurde. Wenn da die Verteidigung argumentiert, das hat ja gar keiner mitbekommen, interessiert das das Gericht auch nicht.

Was führt nicht zum Approbationsentzug?

Dr. Th. Alexander Peters: Hierzu gibt es eine ganz interessante Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts NRW. Demnach gehört beispielsweise selbst eine Häufung von Verkehrsdelikten nicht dazu. Es ist in der Rechtsprechung zudem anerkannt, dass ein fahrlässiger Behandlungsfehler aufgrund dessen eine Verurteilung erfolgte, wie fahrlässige Körperverletzung und Tötung, nicht zum Verlust der Approbation führt. Dennoch handelt es sich in der Regel um ausgesprochene Einzelfall-Entscheidungen.

Ich habe „läuten“ gehört, die Behörden wollen niemand verlieren. Jeder, der Einsicht zeigt, behält seine Approbation?

Dr. Th. Alexander Peters: Das ist sehr pauschal formuliert. Wie die einzelnen Fälle behandelt werden, ist eher unterschiedlich. Ich sage immer: Es menschelt überall und ganz viel ist eine Frage der Stimmung. Ich wage zu behaupten, wenn ich denselben Fall zehn Approbationsbehörden in Deutschland vorlege und verschiedene Strategien verfolge, dann wird die Approbation eher nicht widerrufen, wenn ich eine konsensuale Taktik anwende. In den Fällen, in denen ich das nicht tue, dagegen schon – und das, bei ansonsten gleichem Sachverhalt. Also in Beantwortung Ihrer Frage: Ich meine ja, da ist was dran ...

Übrigens: Bei ärztlichen Fehlern drohen generell noch weitere Folgen auf anderen Ebenen. So kann der Zulassungsausschuss bei der Kassenärztlichen Vereinigung die vertragsärztliche Zulassung entziehen, die Ärztekammer Sanktionen aussprechen. Und wenn ein Strafverfahren anhängig ist, ist das Strafgericht befugt, ein Berufsverbot anordnen. Ich kenne allerdings keinen Fall in dem letzteres ausgesprochen wurde.

Der Experte

Dr. Th. Alexander Peters

Der bundesweit tätige Rechtsanwalt Dr. Th. Alexander Peters ist zugleich Fachanwalt für Medizinrecht und Strafrecht in Berlin, Köln, Düsseldorf, Koblenz, Frankfurt und München, außerdem Healthcare Compliance Officer (HCO) und Lehrbeauftragter der Carl Remigius Medical School. Weitere Infos: https://medizinrecht-strafrecht.de.

Bild: © Artur Lik

Das könnte Sie auch interessieren: