Der digitale Wandel macht es möglich, Versorgungs- und Behandlungsprozesse zu transformieren, die gravierende Veränderungen erfordern. Für die Kliniken bedeutet das neue Formen der Zusammenarbeit. Dabei gilt es, tradierte Hierarchiestrukturen durch ein teamorientiertes Führungsverhalten zu ersetzen.
Mit dem Investitionsprogramm zum Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) hat das Bundesgesundheitsministerium den Rahmen für die digitale Transformation in Kliniken gesetzt. Die Medizin sowie die interdisziplinäre und interprofessionelle Zusammenarbeit werden zunehmend digital, mit Fokus auf neue Technologien in den Behandlungsprozessen. Besonders mit Blick auf die demografische Alterung in Deutschland, als zweitältester Gesellschaft nach Japan, wird der Bedarf an Gesundheitsversorgung in den nächsten Jahren weiter steigen. Digitalisierung und digitalisierte Medizin bieten Entlastung und eine Revolutionierung der medizinischen Möglichkeiten. Dies äußert sich in schnelleren und punktgenaueren Diagnosen und in präziseren, individuelleren Therapien für verschiedene Krankheitsbilder.
Ärztliches Leadership ist unerlässlich
Informationstechnologische Entwicklungen wie Telemedizin, Robotics, Bildgebung, Televisiten und Telekonsile haben erhebliches Innovations- und Produktivitätspotenzial, um die Patientenversorgung und -sicherheit zu optimieren und die Kommunikation zwischen den Professionen und Organisationseinheiten innerhalb und außerhalb der Klinik zu vereinfachen. Damit diese digitale Transformation gelingt, ist ärztliches Leadership unerlässlich, hinsichtlich organisationaler und technokratischer Aspekte im Sinne der Prozesssteuerung wie auch einer Neuorientierung der kollegialen Zusammenarbeit. Es gilt, bei der Initialisierung, Implementierung, Institutionalisierung mitzuwirken und die IT zu unterstützen. Digitale Transformation erfordert handlungsfähige, kompetente ärztliche Leader!
Digitale Medizin verändert das klassische Bild der Ärztin und des Arztes. Die digitale Medizin fordert breit denkende Ärztinnen und Ärzte mit einem neuen Kompetenzprofil. Hintergrund ist, dass sich Ärztinnen und Ärzte durch die digitale Transformation in der Medizin vor allem aufgrund umfassenderer Informationen künftig noch intensiver und tiefgreifender mit ihrem medizinischen Behandlungsrepertoire auseinandersetzen können und müssen. Aspekte wie Informationssicherheit, Datenschutz, Datenkompetenz sind im KHZG „eingepreist“ und von der genuinen Fachkompetenz her in der IT angesiedelt. Aber das entlastet ärztliche Führungskräfte keineswegs vom grundsätzlichen Verstehen der Zusammenhänge.
Klassische Veränderungskompetenzen
Klinische Entscheidungsunterstützung mit KI, virtuelle, augmentierte Technologien und Robotik in der Chirurgie: All dies sind Beispiele für die untrennbare Wechselwirkung von Technologie und medizinischer Ethik. Vertiefend ermöglicht die Telematikinfrastruktur, alle Beteiligten im Gesundheitswesen zu vernetzen. Die Elektronische Patientenakte (EPA) charakterisiert die umfassende digitale Vernetzung. Mit diesen Entwicklungen gewinnen im digitalen Wandel die klassischen Veränderungskompetenzen eine noch größere Bedeutung. Das sind analytische Fähigkeiten, Problemlösestrategien, Kreativität, Anpassungsfähigkeit, aber auch die Fähigkeit, Teams zu bilden, zu motivieren und kommunikativ gemeinsam neue Entscheidungsprozesse gestalten zu können.
Sowohl Patientinnen und Patienten als auch nachgeordnete Mitarbeitende kommunizieren zunehmend digital. Leitende Ärztinnen und Ärzte sind als Taktgeber und damit als „Leader“ gefordert, im Spannungsfeld zwischen der Anpassung an neue Trends und der kritischen Reflexion zur Adaptation und deren Grenzen, etwa durch ärztliche Ethik und den KHZG-Vorgaben. Durch die permanent besser werdenden diagnostischen und therapeutischen Optionen sowie digitale und mobile Instrumente verändert sich das ärztliche Rollenverständnis hin zu ärztlichem Leadership. Im Verhältnis zu den Patientinnen und Patienten drückt sich das im Wandel vom paternalistischen hin zu einem beratenden Vorgehen aus. Ziel ist die vertrauensvolle Beziehung zwischen Ärztin/Arzt und Patientin/Patient als Partnerschaft.
Partizipativer Umgang mit Mitarbeitenden
Im Kontext einer modernen Arbeitswelt steht im Fokus, wie gut es der Leitenden Ärztin/dem Leitenden Arzt in ihrem/seinem medizinischen Verantwortungsbereich gelingt, die Balance zwischen struktureller und personaler Führung zu halten und Synergien zu heben, insbesondere mit Blick auf Teamarbeit und Interdisziplinarität im Krankenhaus. Oft wird unterschätzt, in welchem Ausmaß die Digitalisierung tiefgreifende Änderungen für die Belegschaften und Kliniken zeitigt. Technische Innovationen bedeuten auch soziale Innovation. Ärztliche Führungskompetenz hat dabei eine Schlüsselfunktion, etwa in Gestalt des partizipativen Umgangs mit Mitarbeitenden, damit diese bereit sind, sich aktiv miteinzubringen. Es gilt, tradierte Denk- und Hierarchiestrukturen durch ein modernes, teamorientiertes Führungsverhalten zu ersetzen. Auch die ärztliche Weiterbildung wird künftig den Erwerb von digitalen und erweiterten sozial-kommunikativen Schlüsselkompetenzen umfassen müssen.
Gesundheitsunternehmen sind gut beraten, ihre Führungskräfte zu befähigen, digitale Kompetenzen zu erlangen, um Maßnahmen und Ziele des Krankenhauszukunftsgesetzes nachhaltig zu verankern: weg vom Bereichs- hin zum Prozessdenken. Führungskompetenzen wie Kommunikationsfähigkeit, Changemanagement und Beziehungskompetenz sowie Innovationsfähigkeit sind unabdingbar, um die Auswirkung der digitalen Transformation auf die ärztliche Profession zu übertragen und die Wettbewerbsfähigkeit und den Erfolg der Klinik zu garantieren.
Prozess der digitalen Transformation
Zentrale Herausforderung wird sein, Managementkompetenzen, die geleitet und getrieben sind von der Integration technologischer Entwicklung, mit medizinischer Qualität und ärztlichem Leadership, Sinnhaftigkeit und ethischer Vertretbarkeit zu fundieren. Der Prozess der digitalen Transformation der Medizin bewegt sich im Spannungsfeld zwischen medizinischer Ethik, technischer Brillanz und Rechtskonformität. Über den Gesundheitssektor hinaus erfordert dies hohe gesellschaftliche Akzeptanz.
Dtsch Arztebl 2022; 119(14): [2]
Die Autorin
Karin Burtscher
Leiterin Personalwesen
Klinikum Ingolstadt GmbH
85049 Ingolstadt
Mitglied des Initiativkreises neue Personalarbeit in Krankenhäusern (InPaK)