Personalmanagement: Wichtige Phasen des Changeprozesses

8 Dezember, 2020 - 07:24
Martin Michel
Schematische Darstellung: Grüne Personen-Symbole schweben über ausgestreckter Hand

Es gibt viele Gründe, die es notwendig machen, in der Abteilung einer Klinik neue Strukturen einzuführen. Dazu zählt zum Beispiel die Neubesetzung der Leitungsposition.

Die neue Leitung einer medizinischen Fachabteilung hat eigene Mitarbeitende in die Klinik mitgebracht und will nunmehr ihre Erfahrungen und Ideen in der Chefposition umsetzen. Dafür reicht die bisherige Abteilungsorganisation nicht aus, ist in diesem Organisationsstadium nicht geeignet oder müsste sich weiterentwickeln. Es bedarf einer genauen Analyse des aktuellen Systems und einer Vision, wohin sich die Abteilung entwickeln sollte. Bereits zu diesem Zeitpunkt ist es wichtig, die Mitarbeitenden einzubinden. In der Regel gehen 15 bis 20 Prozent der Mitarbeitenden einen neuen Weg mit, doch genauso viele können sich das überhaupt nicht vorstellen. Alle anderen sind in der Regel unentschlossen.

Fragen im Transformationsprozess

Wankelmut und Unsicherheit sowie verdeckter Widerstand werden den Handelnden im System nicht verborgen bleiben. Ein Veränderungsprozess kann sich dadurch stark verzögern, wenn nicht sogar verhindert werden. Der bevorstehende Prozess wirft viele Fragen auf:

  • Wozu tun wir das?
  • Warum sind diese Veränderungen dringend erforderlich?
  • Wer ist daran interessiert?
  • Welche Resultate wollen wir erzielen?
  • Worin genau besteht die angestrebte Veränderung?
  • Was haben wir von der Veränderung?
  • Wie werden die Patienten von unseren Veränderungsbemühungen profitieren?
  • Wie werden wir uns und die Arbeitsprozesse sich verändern?
  • Welche Fähigkeiten brauchen wir für die Zukunft?
  • Auf welche Aspekte unserer gegenwärtigen Tätigkeit wird sich die Veränderung auswirken?
  • Wer wird beteiligt sein?
  • Wo finden wir Unterstützung?
  • Was muss jeder persönlich tun?
  • Wann werden wir mit der Veränderung beginnen?
  • Was ist als Erstes zu tun?
     

Die Antworten auf diese Fragen sollten die neue Leitung im Regelfall gemeinsam mit den Mitarbeitenden erarbeiten und klar kommunizieren. Im Verlauf des Prozesses wird das Team es mit verschiedenen Phasen der Veränderung zu tun bekommen:

1. Vorahnung und Sorge:

Nach der ersten Besprechung der Notwendigkeit von Veränderungen wird sich voraussichtlich Unsicherheit unter den Mitarbeitenden breitmachen. Insbesondere die informellen Informationskanäle werden dies durch Gerüchte verstärken.

2. Schock und Schreck:

In dieser Phase werden die bisherigen Mitverantwortlichen sowie alle anderen Mitarbeitenden konkret mit der neuen Situation konfrontiert. Dies wird oft der Wechsel in neue Positionen sein, die sich von der vorherigen unterscheiden. Es gilt, Panik zu vermeiden, die dadurch entstehen könnte, dass Erwartungen der Beteiligten in der neuen Situation nicht erfüllt werden. Ist der Unterschied zwischen Erwartungen und Wirklichkeit extrem groß, können Betroffene wie „gelähmt“ wirken. Sie können plötzlich außerstande sein, Pläne zu machen oder logisch zu argumentieren. Dann ist die Gefahr eines Produktivitätsverlusts gegeben.

3. Abwehr, Ärger und Verneinung:

Das Gefühl nimmt zu, kompetent zu sein und mit der Situation fertig zu werden. Meistens reden sich die Beteiligten ein, dass sich die neue Situation nicht wesentlich von der alten unterscheidet. Etliche werden der Überzeugung sein, dass sie ihre Praktiken, die in der alten Rolle zum Erfolg geführt haben, nur wiederholen müssen. Das ist der schwierigste Punkt im Changeprozess, da diese Denkweisen eine Weiterentwicklung verhindern können. Mitarbeitende werden versuchen, in Zeiten der Unsicherheit Sicherheit durch bekannte Verhaltensweisen zu erreichen. Rückenwind im Sinne des Changeprozesses könnte es von benachbarten Abteilungen geben, mit denen man eng zusammenarbeitet.

4. Rationale Akzeptanz, Frustration und Einsicht:

Den Beteiligten wird bewusst, dass sie dem Veränderungsprozess vielleicht unfähig gegenüberstehen. Ihnen ist unklar, wie sie das wünschenswerte Niveau an Fertigkeiten und Kompetenzen sowie Strukturveränderungen erreichen können. Frust entsteht, insbesondere aus der eigenen Verwirrung und Unsicherheit darüber, wie man nun mit dem Veränderungsprozess fertig werden soll.

5. Emotionale Akzeptanz und Trauer:

Wenn diese Phase im Veränderungsprozess erreicht ist, akzeptieren die Mitarbeitenden die neue Realität und Umsetzung der ursprünglichen Vision endlich. Die neue Situation erfordert ein Umdenken sowohl in der Aufbau- und Ablaufstruktur als auch in der persönlichen Weiterentwicklung in diesem neuen System. Beteiligte müssen teils liebgewonnene und gewohnte Einstellungen und Verhaltensweisen loslassen. Einige werden für sich überlegen, wie sie aus dieser unangenehmen Lage wieder herauskommen können. Insgesamt wird dies eine „Experimentierphase“ sein. Jeder wird probieren, wie er die Probleme dieser neuen Struktur in einer neuen Weise lösen kann. Neue Fähigkeiten, Fertigkeiten und Führungsverhalten werden entwickelt.
 

15.03.2024, Niedersächsische Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung
Lüneburg

6. Öffnung Neugier, Enthusiasmus, Ausprobieren und Erkenntnis:

Die neue Aufbau- und Ablaufstruktur soll den Mitarbeitenden wie auch den Patienten eine Reihe von Vorteilen bieten. Verhaltensweisen, die diese Vorteile bringen, sind auszuprobieren. In dieser Phase werden Erkenntnisse gesammelt und Verständnis dafür gewonnen, warum diese neuen Aufbau- und Ablaufstrukturen zum gewünschten Erfolg führen und die alten Aufbau- und Ablaufstrukturen an vielen Stellen ineffektiv waren. Es bedarf aber auch in dieser Phase der Anerkennung des bisher Geleisteten.

7. Integration:

In der letzten Phase des Veränderungsprozesses sollen die Mitarbeitenden Verhaltensweisen, die in der neuen Aufbau- und Ablaufstruktur geboten sind, in ihr aktives Verhaltensrepertoire übernehmen. Eine parallel dazu neu entwickelte Kommunikationsstruktur stützt und stabilisiert diese neue Struktur.

Prozessfachlicher Blick von außen

Vielleicht werden die Beteiligten auch manche dieser Phasen überspringen, was nicht unbedingt schädlich sein muss. Schwierig wird es nur, wenn der Veränderungsprozess in einer der Phasen „hängenbleibt“ und sich nicht weiterentwickelt. Auch ist es nicht unüblich, dass am Anfang des Umsetzungsprozesses zum Teil chaotische Situationen oder Zustände entstehen. Die Gründe dafür sind sicher vielfältig und aus den einzelnen Phasen heraus begründbar. Daher ist es wichtig, solche einschneidenden Umgestaltungsprozesse begleiten zu lassen und einen prozessfachlichen Blick von außen auf das System zu haben.

Dtsch Arztebl 2020; 117(50): [2]
 


Der Autor:

Martin Michel
Referat Personal
St. Franziskus-Stiftung Münster
48145 Münster
Mitglied des Initiativkreises neue Personalarbeit in Krankenhäusern (InPaK)

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