
Seit Januar 2025 schreibt der Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte in Unikliniken eine elektronische Zeiterfassung zwingend vor. Was bedeutet das konkret? Und wird die Regelung auch konsequent umgesetzt? Das erfahren Sie im Beitrag.
Der Tarifvertrag "TV-Ärzte" wird regelmäßig zwischen dem Marburger Bund und der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) verhandelt. Nach Aussage des Marburger Bundes gilt er für einen Großteil mehr als 20.000 Ärztinnen und Ärzte in Unikliniken. Außerdem gibt es in einigen Bundesländern Haustarifverträge, die aber in weiten Teilen an den TV-Ärzte angelehnt sind.
Elektronische Zeiterfassung ist Pflicht
Seit dem 1. Januar 2025 gilt: Eine elektronische Zeiterfassung ist Pflicht für alle Ärztinnen und Ärzte, für die der TV-Ärzte gilt. Konkret heißt es:
„Die Arbeitszeiten der Ärzte sind durch elektronische Verfahren so zu erfassen, dass die gesamte Anwesenheit am Arbeitsplatz dokumentiert ist. Dabei gilt die gesamte Anwesenheit der Ärzte abzüglich der tatsächlich gewährten Pausen als Arbeitszeit.“ (§ 10 Abs. 2 TV-Ärzte)
Vor dieser Regelung galt die Pflicht zur elektronischen Zeiterfassung nur mit bestimmten Einschränkungen: So war auch eine Erfassung „auf andere Art mit gleicher Genauigkeit“ möglich. Allerdings führte das dazu, dass in den meisten Unikliniken keine wirklich zuverlässige Zeiterfassung per Stechuhr praktiziert wurde, heißt es vom Marburger Bund – mit Raum für Manipulation. Beispielsweise wurde nur die vertragsmäßig vereinbarte und im Dienstplan hinterlegte Arbeitszeit im System dokumentiert.
Mit der Neuregelung ist nun eine ausschließlich elektronische Zeiterfassung Pflicht – diese sogenannte "Negativ-Arbeitszeiterfassung" wird damit vertragswidrig. Das gilt auch für rein manuelle Aufzeichnungen zur Arbeitszeit. Stattdessen gilt nur noch die "Positiv-Arbeitszeiterfassung" – also eine elektronische und manipulationsfreie Erfassung von Beginn und Ende der Arbeitszeiten. Für die Kliniken bedeutet das: Es müssen elektronische Terminals bzw. Zeiterfassungsgeräte eingerichtet werden, um dieser Regelung gerecht zu werden. Dabei gelten alle Anwesenheitszeiten am Arbeitsplatz auch als Arbeitszeit, Pausen können nur dann abgezogen werden, wenn sie tatsächlich gewährt wurden. Als "gewährt" gilt eine Pause dann, wenn sie im Dienstplan vorgesehen ist und die Arbeitsabläufe durch den Arbeitgeber so gestaltet wurden, dass die Ärztinnen und Ärzte ihre Arbeit auch tatsächlich für eine Pause unterbrechen können.
Manipulationen sind vertragswidrig
Als vertragswidrige Manipulation gilt beispielsweise, wenn Vorgesetzte die Zeiten noch freigeben müssen, damit sie in der Dokumentation erscheinen, oder wenn erfasste Zeiten nachträglich nicht anerkannt und entfernt werden. Das gilt auch für Mehrarbeit. Überstunden müssen der Regelung zufolge als Arbeitszeit anerkannt und entweder in Form von Freizeit oder finanziell ausgeglichen werden. Außerdem muss den Ärztinnen und Ärzten ermöglicht werden, die Arbeitszeitdokumentation einzusehen und zu überprüfen.
Aber auch, wenn die tarifrechtliche Lage eigentlich klar ist: In der Praxis ist sie offenbar noch nicht angekommen. Einer Umfrage des Marburger Bundes zufolge werden die neuen Regelungen in vielen Kliniken nicht umgesetzt. Insgesamt wurden im März / April 2025 etwa 3.500 Ärztinnen und Ärzte aus Unikliniken befragt. Das Ergebnis: Nur bei 17 Prozent findet eine elektronische, manipulationsfreie Zeiterfassung statt, wie sie im Tarifvertrag vereinbart wurde. Bei 83 Prozent der Befragten ist das nicht der Fall.
Überstunden nur teilweise erfasst
Und auch bei der Erfassung von Überstunden gibt es noch Defizite: So müssen sich nur 25 Prozent der Befragten die geleistete Mehrarbeit nicht von ihren Vorgesetzten freigeben lassen. 48 Prozent müssen sich die Überstunden genehmigen lassen, 28 Prozent gaben an, es gebe in ihrem Unternehmen die Erwartungshaltung, Überstunden gar nicht zur Genehmigung vorzulegen. Bei 44 Prozent der Befragten bleiben eingereichte Überstunden bei der Dokumentation der Arbeitszeit unberücksichtigt.
Nur bei 25 Prozent blieben keine Überstunden nicht erfasst oder nicht berücksichtigt. Bei 31 Prozent wurden zwischen einer und vier Stunden pro Woche nicht erfasst oder nicht berücksichtigt. Bei 22 Prozent waren es zwischen fünf und acht Stunden, bei 11 Prozent sogar zehn Stunden oder mehr.
Die Betroffenen klagten über Auswirkungen auf ihre Arbeitssituation und ihr Privatleben. Mehr als zwei Drittel (68 Prozent) gaben an, weniger Erholungszeit zu haben. Gut die Hälfte erlitt finanzielle Nachteile (52 Prozent), erlebt eine größere Erschöpfung und befürchtet eine erhöhte Burn-out-Gefahr (51 Prozent). 57 Prozent fühlen sich weniger motiviert.
Insgesamt fordert der Marburger Bund, die bestehende Regelung zur elektronischen Arbeitszeiterfassung konsequent umzusetzen.
Quelle: Marburger Bund 2025