Andrea Martini, Sprecherin Bündnis Junge Ärztinnen und Ärzte gibt im Interview Einblicke, wie junge Ärztinnen und Ärzte heute in Sachen Recruiting angesprochen werden wollen. Dabei zeigt sich: Das geht nicht nebenher. Heute braucht es Kreativität, verschiedenen Kanäle – analog und digital – sowie das gute alte Networking.
Krankenhäuser sind auf der Suche nach Fachpersonal und setzen dabei auf unterschiedliche Strategien. Vor allem, wenn es darum geht, Pflegefachkräfte zu rekrutieren, werden sie richtiggehend kreativ. Da wird dann schon mal zu einer Poolparty eingeladen. Wäre das etwas, wovon Sie sich auch angesprochen fühlen würden?
Andrea Martini: Wenn ich nach einer Stelle suche, will ich das Gefühl haben, dass das in einem seriösen Kontext stattfindet, denn es findet in einem professionellen Umfeld statt. Natürlich soll auch klar werden, dass man auch Spaß bei der Arbeit hat. Dennoch ist mir Seriosität wichtig, weshalb ich eine Poolparty dann doch zu locker fände.
Was würde Sie denn ansprechen?
Andrea Martini: Also, ein Get-together in einem etwas lockerem Rahmen ist zum Beispiel sinnvoll. Das kennt man beispielsweise von Kongressen und den anschließend stattfindenden Get-Together-Veranstaltungen. Während eines netten Empfangs in einem lockeren Kontext kommt man schneller ins Gespräch. Man kann Fragen stellen, die man vor versammelter Mannschaft vielleicht nicht stellen würde. Gerade in einem Bewerbungskontext bespricht man möglicherweise privatere Dinge an. Solche Events sind immer eine gute Gelegenheit, um Kontakte zu knüpfen und sich auszutauschen. Meiner Erfahrung nach sind das die zielführendsten Gespräche.
Mit wem würden Sie auf solchen Veranstaltungen sprechen wollen?
Andrea Martini: Es wäre wichtig, dass man nicht bloß mit Personalverantwortlichen spricht. Eine andere Veranstaltung, von der ich Gutes gehört habe, ist „Operation Karriere“. Ich persönlich wollte immer an eine Uniklinik gehen und Unikliniken sind meines Wissens dort nicht vertreten, aber es gibt einen sehr großen Anteil an Ärztinnen und Ärzten, die den universitären Weg nicht einschlagen wollen. Darum ist Operation Karriere eine gute Option, sich umzuschauen. Dort gibt es Stände, an denen sich die verschiedenen Krankenhäuser vorstellen. Gut ist, dass dort auch die Klinikdirektorinnen und -direktoren oder die Chefärztinnen und -ärzte vertreten sind und mit potenziellen Bewerberinnen und Bewerbern ins Gespräch kommen.
Heute werden die Teams in den Krankenhäusern multiprofessioneller. Wäre es dann nicht auch sinnvoll, etwa Vertreterinnen und Vertreter aus der Pflegedienstleitung oder aus anderen Klinikbereichen vorzustellen, mit denen man später auch zusammenarbeiten soll?
Andrea Martini: Es macht durchaus Sinn, zum Beispiel leitende Personen aus den Abteilungen vorzustellen, mit denen man später viel Kontakt hat. Dazu gehören auch die leitenden Oberärztinnen und Oberärzte, aber auch die Pflegeleitung. Dadurch erhält die/der Bewerber/-in ein vollumfänglicheres Bild der Abteilung.
Mit anderen Worten, ein Konzept für alle funktioniert nicht.
Andrea Martini: Ja, Recruiting nach dem Motto „One size fits all“ wird sicher nicht so gut funktionieren. Erfolgreiches Recruiting sollte individueller gestaltet werden. Außerdem sollten Krankenhäuser unterschiedliche Kanäle nutzen. Natürlich ist das Internet extrem wichtig, um Personal zu finden. Es kommt aber auch immer wieder auf die Art der Stelle an. Wenn es beispielsweise um eine Oberarztstelle geht, wird man diese vielleicht nicht nur durch eine Standardanzeige besetzen können. Nach meiner Erfahrung passiert das eher durch persönliche Empfehlungen. Ab einem gewissen Punkt auf der Karriereleiter ändern sich die Parameter – ich spreche hier vor allem für die Universitätskliniken. Da werden dann persönliche Kontakte wichtiger. Das kann ich aber auch gut nachvollziehen. Wäre ich Klinikdirektorin und müsste eine neue Oberarztstelle besetzen, würde ich auch überlegen, wenn ich kenne und wer gut passen könnte. Wer ist mir auf Kongressen als besonders aktiv aufgefallen und würde sich gut in die vorhandenen Strukturen einfügen? Wer macht gute Forschungsarbeit? Solche Fragen würden meine Wahl beeinflussen.
Und was würden Sie kleinen Häusern empfehlen?
Andrea Martini: Den kleineren Häusern würde ich empfehlen, die sozialen Medien zu bespielen. Ein Beispiel: Als ich noch eine Stelle gesucht habe, wurde mir auf den sozialen Medien ständig Stellenanzeigen in den Feed gespült. Auf Instagram nicht so sehr, aber auf Facebook ist es mir stark aufgefallen. Seit ich nicht mehr suche, passiert das nicht mehr. Der Algorithmus lernt das also. Solche Möglichkeiten sollten Krankenhäuser nutzen.
Wenn Sie also Personalverantwortlichen einen Rat geben müssten, welcher wäre das?
Andrea Martini: Setzt weiterhin auf persönliche Vernetzung, sprecht interessante Leute an, baut Talente auf und lasst die sozialen Medien nicht außen vor. Das heißt nicht, dass eine klassische Anzeige nicht auch funktioniert. Die richtige Mischung macht’s – grundsätzlich funktioniert die Personalsuche nicht nach Schema F. Es ist gut, kreativ zu werden und auch mal etwas auszuprobieren, aber es sollte immer klar sein, dass es den professionellen Rahmen nicht sprengt.