Facharzt-Weiterbildung Arbeitsmedizin: Dauer, Inhalte, Berufsperspektiven

24 Mai, 2023 - 10:18
Stefanie Hanke
Ärztin behandelt Mitarbeiter in Lagerhalle
Arbeitsmediziner sind auch für die Erste Hilfe im Betrieb zuständig (Symbolbild). Meistens werden sie dabei aber nicht selbst aktiv, sondern organisieren ein System von Ersthelfern innerhalb der Belegschaft.

Fachärztinnen und Fachärzte für Arbeitsmedizin arbeiten vor allem präventiv und beraten Unternehmen und deren Mitarbeiter in Gesundheitsfragen. Wie lange dauert die Weiterbildung und wie läuft sie ab? Das erfahren Sie im Beitrag.

Auf einen Blick: Weiterbildung (Facharztausbildung) Arbeitsmedizin

  • Definition: Die Arbeitsmedizin ist ein präventivmedizinisches Fach, das sich mit den Wechselbeziehungen zwischen Arbeitswelt und Gesundheit beschäftigt. Im Mittelpunkt stehen dabei der Erhalt und die Förderung der physischen und psychischen Gesundheit und Leistungsfähigkeit arbeitender Menschen.
  • Dauer:  Die Weiterbildungszeit in der Arbeitsmedizin beträgt 60 Monate, davon müssen 24 Monate in anderen Gebieten der unmittelbaren Patientenversorgung abgeleistet werden. Außerdem sind 360 Stunden Kurs-Weiterbildung in Arbeitsmedizin/Betriebsmedizin Pflicht.
  • Anzahl der Fachärzte: In Deutschland gibt es 5.831 Fachärzte für Arbeitsmedizin. Davon sind 3.954 berufstätig. 651 arbeiten ambulant, 335 stationär in einer Klinik. 382 arbeiten bei Behörden oder Körperschaften, beispielsweise in Gesundheitsämtern. 2.586 sind in anderen Bereichen tätig, z.B. als Betriebsarzt eines Unternehmens oder in einem arbeitsmedizinischen Zentrum.

Der Alltag von Arbeitsmedizinern unterscheidet sich ein wenig von den Aufgaben anderer Ärzte: Statt in einer Praxis oder Klinik Patienten zu betreuen, die zu ihnen kommen, sind Arbeitsmediziner viel unterwegs. Sie besuchen die unterschiedlichsten Betriebe und Unternehmen. "Arbeitsmedizin ist ein bisschen wie die Sendung mit der Maus", erklärt die Arbeitsmedizinerin Dr. Christina Roth (B.A.D Gesundheitsvorsorge und Sicherheitstechnik GmbH). Wie in dem beliebten TV-Format können die Arbeitsmediziner hinter die Kulissen der unterschiedlichsten Arbeitsplätze blicken. Von den Hochöfen einer Gießerei über die Küche eines Sternerestaurants bis in den Orchestergraben eines Opernhauses: Überall, wo Menschen arbeiten, sind auch Arbeitsmediziner als Berater tätig.

Aufgabenschwerpunkt: Prävention

Die Aufgabe der arbeitsmedizinischen Fachärzte und Fachärztinnen ist dabei vor allem die Prävention. Sie finden Gesundheitsrisiken in den Arbeitsabläufen eines Betriebes, erstellen Präventionsprogramme, bauen Konzepte für die Erste Hilfe und den Arbeitsschutz auf, engagieren sich im Gesundheitsmanagement und unterstützen Beschäftigte, die nach längerer Erkrankung wieder an den Arbeitsplatz zurückkehren. In größeren Betrieben sind Arbeitsmediziner als Betriebsärzte teil des Arbeitsschutzausschusses (ASA), der in Deutschland für alle Betriebe ab 20 Beschäftigten vorgeschrieben ist. In diesem Ausschuss beraten die Ärzte die Unternehmen bei Fragen der Arbeitssicherheit und Unfallvermeidung.

Natürlich richten sich die arbeitsmedizinischen Aufgaben dabei nach den besonderen Anforderungen der jeweiligen Unternehmen. Geht es bei Büroangestellten vor allem um ergonomische Bildschirm-Arbeitsplätze, die der Haltung nicht schaden, haben andere Berufsgruppen andere Gesundheitsrisiken: So prüfen Arbeitsmediziner beispielsweise, ob Feuerwehrleute vom Lärm der Sirene Hörschäden davontragen können. Das Thema Lärmschutz ist aber auch in ganz anderen Berufen relevant: Wenn in einem Orchester beispielsweise die Streicher stundenlang neben den Bläsern sitzen, ist auch das ein Fall für den Arbeitsmediziner. Bei Kfz-Mechanikern spielt dagegen eher der Hautschutz eine Rolle, wenn der häufige Umgang mit Schmierstoffen zu Dermatosen führt. Aber auch die reisemedizinische Prävention und Impfberatung fallen in den Bereich der Arbeitsmedizin: Die Fachärzte und Fachärztinnen beraten beispielsweise Unternehmen, die regelmäßig Mitarbeiter ins Ausland schicken – egal, ob eine Managerin viele verschiedene Länder in kurzer Zeit besucht, oder ein Monteur monatelang in einem Regenwald Produktionslinien montiert.

Arbeitsmediziner erstellen Gesundheitskonzepten mit

Seit einigen Jahren unterstützen die Arbeitsmediziner viele Unternehmen außerdem zunehmend dabei, Gesundheitskonzepte für den Arbeitsalltag auszuarbeiten. Dabei geht es von gesundem Kantinenessen über Betriebssport bis hin zu Entspannungsräumen. Denn: In Zeiten des Fachkräftemangels wissen Unternehmen, dass sie mit solchen Angeboten auch bei ihren Mitarbeitern punkten können und für Bewerber attraktiver sind.

Die Facharzt-Weiterbildung im Gebiet Arbeitsmedizin eignet sich damit vor allem für Ärztinnen und Ärzte, die sich eher als Generalisten sehen und es abwechslungsreich mögen. Hier kann man zwar nicht unmittelbar Menschenleben retten, aber doch viel dazu beitragen, dass die Menschen gar nicht erst krank werden. Ein weiterer Vorteil sind die geregelten Arbeitszeiten. Anders als im Krankenhaus gibt es in der Arbeitsmedizin in der Regel keine Nacht-, Wochenend- und Feiertagsarbeit.

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Arbeitsmediziner werden: Die Weiterbildung (Facharztausbildung) im Überblick

Die Dauer der Weiterbildung

Die Weiterbildungszeit in der Arbeitsmedizin beträgt 60 Monate, davon

  • müssen 24 Monate in anderen Gebieten der unmittelbaren Patientenversorgung abgeleistet werden
  • 360 Stunden Kurs-Weiterbildung in Arbeitsmedizin/Betriebsmedizin

Inhalte der Weiterbildung

Übergreifende Inhalte der Facharzt-Weiterbildung Arbeitsmedizin

  • Wesentliche Gesetze, Verordnungen und Richtlinien
  • Duales Arbeitsschutzsystem durch den Staat und die Träger der Gesetzlichen Unfallversicherung
  • Betriebliche Organisationsstrukturen und Ablaufprozesse
  • Beratung von Arbeitgebern, Beschäftigten und deren Interessenvertretungen im Fall arbeitsbedingter Gefährdung der Gesundheit einschließlich psychischer Belastung und Beanspruchung
  • Berufskunde
  • Konzepte der Arbeitsmedizin, z. B. Belastungs-Beanspruchungs-Konzept und Dosis-Wirkungs-Beziehungen
  • Grundlagen der Epidemiologie und Statistik
  • Arbeitsphysiologie
  • Grundlagen der Sozialmedizin
  • Sozialmedizinische Beratung
  • Grundlagen der Reise-, Tropen- und Flugmedizin
  • Beratung über gesundheitsgerechtes Verhalten im Ausland einschließlich der Expositionsprophylaxe, bei gesundheitlichen Einschränkungen sowie bei Reisen während der Schwangerschaft
  • Grundlagen hereditärer Krankheitsbilder
  • Indikationsstellung für eine humangenetische Beratung
  • Wissenschaftlich begründete Gutachtenerstellung (Richtzahl: 10)

Funktionsstörungen und Erkrankungen von Organsystemen

  • Differentialdiagnose und Therapieoptionen bei Funktionsstörungen und Erkrankungen
  1. des Auges
  2. des Blutes und der Blutgerinnung
  3. des Endokriniums und Stoffwechsels
  4. des Gastrointestinaltraktes
  5. von Hals, Nase und Ohren
  6. der Haut
  7. des Herzkreislaufsystems
  8. der Lunge
  9. des Muskel-Skelettsystems
  10. des Nervensystems
  11. der Psyche
  12. des Urogenitalsystems einschließlich Niere
  • Differentialdiagnose und Therapieoptionen bei nichtinfektiösen, infektiösen, toxischen und neoplastischen sowie von allergischen, immunologischen, metabolischen, ernährungsabhängigen und degenerativen Erkrankungen
  • Berufsbezogene Risiken
  • Berufsanamnese mit Erhebung von berufsbezogenen Risiken und Symptomen
  • Bewertung der Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit sowie der physischen und psychischen Leistungsfähigkeit anhand von
  1. EKG (Richtzahl: 100)
  2. Lungenfunktionsprüfung (Richtzahl: 50)
  3. Ergometrie (Richtzahl: 50)
  4. apparative Techniken zur richtungsweisenden Untersuchung des Hörvermögens (Richtzahl: 50)
  5. apparative Techniken zur richtungsweisenden Untersuchung des Sehvermögens (Richtzahl: 50)
  • Indikationsstellung zu und Befundinterpretation von radiologischen Untersuchungen

Primärprävention

  • Verhältnisprävention und Verhaltensprävention einschließlich Arbeitsplatzgestaltung, Ergonomie, Arbeitshygiene und Unfallprävention
  • Betriebs- und Arbeitsplatzbegehung, Arbeitsplatzbeurteilung, Gefährdungsbeurteilung einschließlich psychischer Belastungen, Risikobeurteilung, z. B. für besondere Beschäftigungsgruppen wie Jugendliche, Schwangere, leistungsgewandelte Beschäftigte
  • Beratung und Gefährdungsbeurteilung im Rahmen des Mutterschutzgesetzes
  • Beratung zu Maßnahmen der Verhaltensprävention, Präventionsberatung
  • Beurteilung von Messergebnissen verschiedener Arbeitsumgebungsfaktoren, z. B. Lärm, Klima, Beleuchtung, Gefahrstoffe
  • Beratung zur Auswahl von persönlichen Schutzausrüstungen, z. B. beim Umgang mit Gefahrstoffen
  • Durchführung von Maßnahmen der Infektionsprophylaxe im Betrieb
  • Organisation der Ersten Hilfe im Betrieb
  • Grundzüge der Pandemieplanung im Betrieb

Sekundärprävention

  • Früherkennungsuntersuchungen bei Risikofaktoren und arbeitsbedingten Erkrankungen
  • Vorsorge gemäß Verordnung arbeitsmedizinischer Vorsorge
  • Eignungsuntersuchungen und Eignungsbeurteilungen nach entsprechenden Rechtsverordnungen einschließlich verkehrsmedizinischer Untersuchungen

Tertiärprävention

  • Medizinische, arbeitsplatzbezogene, betriebliche und soziale Rehabilitation
  • Beratung zum betrieblichen Eingliederungsmanagement einschließlich individueller Einzelmaßnahmen
  • Beratung zur Arbeitsplatzgestaltung bei Beschäftigten, z. B. mit chronischen Erkrankungen und bei leistungsgewandelten Beschäftigten

Arbeitsbedingte Erkrankungen einschließlich Berufskrankheiten

  • Berufskrankheiten gemäß SGB VII und gemäß Berufskrankheiten-Verordnung, insbesondere
  1. durch chemische Einwirkungen verursachte Krankheiten
  2. durch physikalische Einwirkungen verursachte Krankheiten
  3. Infektionskrankheiten und Tropenkrankheiten
  4. Atemwegserkrankungen
  5. Hautkrankheiten
  • Arbeits(mit)bedingte Erkrankungen
  • Wechselwirkungen zwischen Arbeit und Volkskrankheiten
  • Meldung des Verdachts von Berufskrankheiten gemäß SGB VII
  • Beteiligung am Feststellungsverfahren für Berufskrankheiten
  • Finale und kausale Gutachtenerstellung einschließlich Zusammenhangsgutachten bei Berufskrankheiten

Arbeitstoxikologie

  • Toxikologische Grundlagen
  • Grundlagen der Kanzerogenese
  • Biomonitoring am Arbeitsplatz
  • Ambient Monitoring
  • Beurteilung chemischer Belastungen und Beanspruchungen
  • Beratung beim Umgang mit Gefahrstoffen

Arbeit und psychische Gesundheit

  • Grundlagen psychischer und psychosomatischer Krankheitsbilder und Symptome
  • Grundlagen der Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie einschließlich betrieblichem Konflikt- und Stressmanagement
  • Beurteilung psychischer Belastungen und Beanspruchungen
  • Beratung und Begleitung im Rahmen betrieblicher Suchtprävention
  • Psychologische und psychometrische Analyseverfahren und Fragebögen zur Gefährdungsbeurteilung
  • Auswirkungen kultureller Faktoren und Einflüsse auf den Zusammenhang von Arbeit und psychischer Gesundheit

Umweltmedizinische Risikofaktoren

  • Erfassung, Beschreibung und Beurteilung von Umweltfaktoren hinsichtlich ihrer gesundheitlichen Relevanz am Arbeitsplatz
  • Umweltmedizinische Beratung, z. B. bei umweltassoziierten Belastungen, umweltbezogenen Syndromen, umweltbedingten Erkrankungen

Betriebliches Gesundheitsmanagement

  • Grundlagen der Förderung der Gesundheit der Beschäftigten
  • Beratung zum betrieblichen Gesundheitsmanagement in Unternehmen und Organisationen
  • Grundsätze der Salutogenese
  • Grundsätze gesunder Führung
  • Instrumente der Gesundheitsförderung
  • Koordination von Präventionsdienstleistern im Betrieb

Quellen: (Muster-)Weiterbildungsordnung 2018, Ärztestatistik der Bundesärztekammer 2022
 


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