Facharzt-Weiterbildung Orthopädie und Unfallchirurgie: Dauer, Inhalte, Perspektiven

24 Mai, 2023 - 14:16
Lukas Hoffmann
junger lächelnder Arzt mit Tablet in der Hand in einer Arztpraxis
Niedergelassene Orthopäden bzw. Orthopädinnen erwirtschaften monatlich rund 17.000 Euro im Durchschnitt.

Die Weiterbildung zum Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie gibt es erst seit dem Jahr 2005. Jetzt wurde das Curriculum noch einmal überarbeitet. Hier sind alle Inhalte gelistet, die man in der Weiterbildung zum Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie ableisten muss.

Auf einen Blick: Weiterbildung (Facharztausbildung) Orthopädie und Unfallchirurgie

  • Definition: Fachärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie beschäftigen sich mit dem menschlichen Stütz- und Bewebungsapparat, der sich aus Knochen, Sehnen und Muskeln zusammensetzt. Ihr Behandlungsspektrum reicht von der konservativen Orthopädie über die der Endoprothetik und der Versorgung von Frakturen bis hin zum Polytrauma.
  • Dauer: Die Facharzt-Weiterbildung in der Orthopädie und Unfallchirurgie dauert 72 Monate. Davon müssen jeweils 6 Monate in der Notfallaufnahme und in der Intensivmedizin abgeleistet werden. Bis zu 12 Monate können in anderen Gebieten erfolgen.
  • Anzahl der Fachärzte: In Deutschland gibt es 14.711 Fachärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie. Davon sind 13.736 berufstätig. 4.603 arbeiten ambulant, 8.633 stationär in einer Klinik, 112 in Behörden, Körperschaften und ähnlichen Einrichtungen.

Anders als Allgemeinmediziner oder Radiologen müssen Orthopäden notfallkompetent sein. Das heißt, der Zustand einer schwerverletzten Person muss schnell eingeschätzt werden, um andere Spezialisten entsprechend einzubinden und die nötigen Eingriffe durchzuführen. Die Orthopädie und Unfallchirurgie ist also ein manuelles Fach, es kommt weniger auf grobe Kraft an, dafür um so mehr auf Fertigkeiten wie eine schnelle Auffassungsgabe, Stressresistenz und Geschicklichkeit.

Orthopädie und Unfallchirurgie: Weitere Spezialisierungen möglich

Als Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie kann man sich spezialisieren, zum Beispiel auf die Wirbelsäulenchirurgie, die Handchirurgie oder die Notfallchirurgie. Unter Umständen ist es sinnvoll, eine Zusatz-Weiterbildung in dem entsprechenden Bereich zu absolvieren. So gibt es gemäß der Musterweiterbildungsordnung verschiedene Zusatz-Weiterbildungen, z.B. für Handchirurgie, Orthopädische Rheumatologie oder Sportmedizin. Grundsätzlich behandeln Orthopäden das gesamte Spektrum der muskuloskeletalen Chirurgie, wer sich auf eine ältere Patientengruppe spezialisiert, wird in Zukunft allerdings besonders viel zu tun haben. "Die größte Herausforderung im Bereich der Orthopädie und Unfallchirurgie ist die immer älter werdende Bevölkerung. Wir sehen immer häufiger osteoporotische Frakturen. Die älteren Patienten haben meist relevante Vorerkrankungen, die bei der Versorgung berücksichtigt werden müssen", so Prof. Dr. Gerhard Schmidmaier, Leiter der Unfall- und Wiederherstellungschirurgie der Uniklinik Heidelberg.

Facharztweiterbildung auch in Niederlassung möglich

Manche Ärzte entscheiden sich nach der Facharztweiterbildung für die Niederlassung. Dies ist in diesem Fachbereich gut möglich, allerdings muss man zuvor abklären, ob in der Lieblingsregion die Gründung einer neuen Praxis möglich ist. Als Faustregel gilt: Wenn der Versorgungsgrad in einem Gebiet unter 110 Prozent liegt, dann gibt es eine Kassenzulassung und man kann eine Praxis neu gründen. Liegt der Versorgungsgrad über 110 Prozent ist nur die Übernahme einer bereits bestehenden Praxis möglich. Wer sich einen Überblick verschaffen will, welche Praxen gerade angeboten werden, findet auf KVbörse viele Anzeigen. Über den genauen Versorgungsgrad der einzelnen Regionen informiert die zuständige Kassenärztliche Vereinigung.

Versorgungsgrad niedergelassener Orthopäden

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Ob man sich für die Selbstständigkeit und die damit verbundene Niederlassung oder eine Anstellung in der Klinik entscheidet, hängt mit einer Reihe von persönlichen Präferenzen zusammen. Fakt ist, dass man mit der Praxis mehr Geld verdienen kann, wenn man über ein gewisses unternehmerisches Geschick verfügt. Im Durchschnitt verdient ein niedergelassener Orthopädie 17.000 Euro/Brutto pro Monat, während ein angestellter Orthopäde in der Funktion eines Oberarztes im Klinikum nur auf rund 7.500 Euro/Brutto monatlich kommt. Bei dem monatlichen Einkommen des Praxisinhabers handelt es sich um den Reinertrag, also das Ergebnis des Geschäftsjahres der Praxis. Hier sind Ausgaben für Personal, Material, Miete und weitere tägliche Aufwendungen zwar schon abgezogen, Aufwendungen für eine Praxisübernahme und für die Anschaffung medizinischer Geräte sind allerdings nicht eingerechnet. Trotz dieser Ausgaben dürfte das Einkommen bei den meisten niedergelassenen Orthopäden höher ausfallen als bei ihren angestellten Kollegen.

Und wie läuft die Weiterbildung in der Orthopädie und Unfallchirurgie nun ab? Zu Beginn startet man mit einem "Common Trunk" - also einer struktierten 2-jährigen Basisweiterbildung: 6 Monate verbringt man in der Notfallaufnahme, 6 Monate in der Intensivmedizin in der Chirurgie, weitere 12 Monate der Weiterbildung können in einem anderen Gebiet erfolgen. Danach lernt man weitere vier Jahre ausschließlich in der Orthopädie und Unfallchirurgie und führt dort schon entsprechende Untersuchungen, Operationen und Eingriffe durch. Insgesamt beträgt die Weiterbildungszeit in der Orthopädie und Unfallchirurgie 72 Monate, in denen die entsprechenden Facharztkompetenzen erworben werden.

Hier geht es zu aktuellen Assistenzarztstellen im Bereich Orthopädie und Unfallchirurgie.
 


Orthopäde und Unfallchirurg werden: Die Weiterbildung (Facharztausbildung) im Überblick

Dauer der Weiterbildung

Die Weiterbildungszeit in der Unfallchirurgie/Orthopädie beträgt 72 Monate bei einem Weiterbildungsbefugten an einer Weiterbildungsstätte, davon

  • müssen 48 Monate in Orthopädie und Unfallchirurgie abgeleistet werden
  • müssen 6 Monate in der Notfallaufnahme abgeleistet werden
  • müssen 6 Monate in der Intensivmedizin abgeleistet werden
  • können zum Kompetenzerwerb bis zu 12 Monate Weiterbildung in anderen Gebieten erfolgen

Inhalte der Weiterbildung

Übergreifende Inhalte Chirurgie

  • Wesentliche Gesetze, Verordnungen und Richtlinien
  • Chirurgische Techniken und Instrumentengebrauch, insbesondere Inzision, Präparation, Retraktion, Naht- und Knotentechniken einschließlich Laseranwendung unter Berücksichtigung der verschiedenen Gewebestrukturen
  • Chirurgische perioperative Behandlung einschließlich Vorbereitung, Lagerungstechniken, Nachsorge und Komplikationsmanagement sowie Indikationsstellung zu weiterführenden Maßnahmen
  • Techniken der temporären Ruhigstellung und Fixationsverbände
  • Prophylaxe, Diagnostik und Therapie von Thrombosen
  • Wundheilung und Narbenbildung
  • Wundmanagement und stadiengerechte Wundtherapie sowie Verbandslehre einschließlich verschiedene Wundauflagen, Unterdruck- und Kompressionstherapie
  • Defektdeckung bei akuten und chronischen Wunden
  • Grundlagen der medikamentösen Tumortherapie
  • Basisbehandlung palliativmedizinisch zu versorgender Patienten
  • Scoresysteme und Risikoeinschätzung

Lokalanästhesie und Schmerztherapie

  • Lokal- und Regionalanästhesien
  • Abklärung peri- und postoperativer Schmerzzustände
  • Diagnostik und Therapie nach dokumentierten Schmerztherapieplänen
  • Behandlung von Patienten mit komplexen Schmerzzuständen
  • Injektionen und Punktionen

Notfall- und Intensivmedizin

  • Erkennung und Behandlung akuter Notfälle einschließlich lebensrettender Maßnahmen
  • Kardiopulmonale Reanimation
  • Pathophysiologie von schweren Verletzungen, des Polytraumas und deren Folgen
  • Indikationsstellung zur Notfall-Laparotomie und Thorakotomie
  • Überwachung, Monitoring, Dokumentation und Betreuung von intensivmedizinischen Patienten
  • Differenzierte Beatmungstechniken
  • Atemunterstützende Maßnahmen bei intubierten und nicht-intubierten Patienten
  • Beatmungsentwöhnung bei langzeitbeatmeten Patienten
  • Mitbehandlung bei septischen Krankheitsbildern
  • Pharmakologie der Herz-Kreislauf-Unterstützung
  • Infusions-, Transfusions- und Blutersatztherapie, enterale und parenterale Ernährung
  • Zentralvenöse Zugänge (Richtzahl: 20)
  • Arterielle Kanülierung und Punktionen
  • Thorax-Drainage
  • Legen eines transurethralen und/oder suprapubischen Katheters

Übergreifende Inhalte Orthopädie und Unfallchirurgie

  • Biomechanik der Bewegungsorgane
  • Technische und biomechanische Grundlagen operativer und konservativer Verfahren
  • Wissenschaftlich begründete Gutachtenerstellung (Richtzahl: 10)
  • Einleitung und Durchführung von berufsgenossenschaftlichen Heilverfahren einschließlich Durchgangsarztverfahren

Diagnostische Verfahren

  • Richtungsweisende Sonographie der Säuglingshüfte
  • Durchführung und Befunderstellung von Ultraschalluntersuchungen (Richtzahl: 300) davon:
  1. Notfallsonographien (eFAST) - Richtzahl: 50
  2. am Bewegungsapparat einschließlich Arthrosonographien - Richtzahl: 50
  • Indikation, Durchführung und Befunderstellung von konventioneller Röntgendiagnostik, davon
  1. Notfalldiagnostik: Röntgendiagnostik ohne CT im Rahmen der Erstversorgung bei Erwachsenen und Kindern
  2. am Skelett
  3. intraoperative radiologische Befundkontrolle
  • Indikationsstellung und Befundinterpretation weiterer bildgebender Verfahren
  • Indikation, Durchführung und Befunderstellung der Osteodensitometrie (Richtzahl: 50)
  • Indikationsstellung und Befundinterpretation neurophysiologischer Diagnostik

Weichteilverletzungen und Wunden

  • Therapieoptionen komplexer Weichteilverletzungen, Wunden und Verbrennungen sowie Infektionen der Weichteile, des Knochens und der Gelenke
  • Diagnostik von komplexen Weichteilverletzungen und Wunden, die mit einer Knochenverletzung einhergehen
  • Diagnostik und Therapie unkomplizierter Weichteilverletzungen einschließlich einfacher thermischer Verletzungen
  • Prävention, Diagnostik und Therapie des zentralen und peripheren Kompartmentsyndroms

Konservative Therapiemaßnahmen

  • Grundlagen manualmedizinischer Verfahren
  • Indikationsstellung, Überwachung und Dokumentation von Verordnungen der physikalischen Therapie bei Erkrankungen der Stütz- und Bewegungsorgane, insbesondere
  1. zur Prävention
  2. zur Frühmobilisation und Rehabilitation
  • Therapieoptionen einschließlich schmerztherapeutischer Maßnahmen bei degenerativ-entzündlichen Erkrankungen
  • Konservative Therapie einschließlich schmerztherapeutischer Maßnahmen, davon
  1. bei degenerativen Erkrankungen (Richtzahl: 100)
  2. bei angeborenen und erworbenen Deformitäten im Kindes- und Erwachsenenalter (Richtzahl: 100)
  3. bei Luxationen, Frakturen, Distorsionen (Richtzahl: 200)
  • Injektionen und Punktionen an Stütz- und Bewegungsorganen auch radiologisch/sonographisch gestützt (Richtzahl: 75), davon
  1. an der Wirbelsäule (Richtzahl: 50)
  • Indikation, Gebrauchsschulung und Überwachung von Hilfsmitteln an den Stütz- und Bewegungsorganen, insbesondere bei Einlagen, Orthesen und Prothesen
  • Grundlagen alternativer Heilverfahren

Deformitäten und Reifungsstörungen

  • Angeborene und erworbene Deformitäten im Kindes- und Jugendalter, z. B. bei Hüftdysplasie, Wirbelsäulen- und Fußdeformitäten
  • Diagnostik angeborener und erworbener Deformitäten und Reifungsstörungen der Stütz- und Bewegungsorgane

Rheumatische Erkrankungen

  • Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises
  • Therapieoptionen entzündlich-rheumatischer Erkrankungen an den Bewegungsorganen

Verletzungen, Erkrankungen und Funktionsstörungen der Hand und des Unterarms

  • Verletzungen und Funktionsstörungen der Hand und des Unterarms
  • Erstversorgung von Verletzungen, Erkrankungen und Funktionsstörungen der Hand und des Unterarms (Richtzahl: 20)

Sportverletzungen

  • Diagnostik und Therapie von Sportverletzungen und Sportschäden

Tumore an den Stütz- und Bewegungsorganen

  • Konservative und operative Therapieoptionen von muskuloskelettalen Tumorerkrankungen
  • Diagnostik von muskuloskelettalen Tumorerkrankungen

Polytraumamanagement

  • Diagnostik, Therapie und interdisziplinäres Management für Schwer- und Mehrfachverletzte, davon
  1. mit einem Injury Severity Score (ISS) von mindestens 16 Punkten (Richtzahl: 10)

Operative Verfahren

  • Grundlagen der operativen Technik und Operationsschritte bei Erkrankungen und Verletzungen an den Stütz- und Bewegungsorganen
  • Weichteileingriffe, insbesondere an Sehnen, Bändern, Muskeln, Haut, Weichteiltumoren, Nerven, Synovia (Richtzahl: 50), davon
  1. Nervenfreilegungen und Neurolysen (Richtzahl: 10)
  2. notfallmäßige Versorgung von Gefäßen (Richtzahl: 10)
  • Therapeutische Arthroskopien an großen Gelenken, insbesondere Knie-, Sprung- und Schultergelenk (Richtzahl: 60), davon
  1. Knie (Richtzahl: 20)
  2. Schulter (Richtzahl: 20)
  • Osteosynthesen bei Frakturen und Osteotomien an der oberen Extremität (Richtzahl: 60), davon
  1. Plattenosteosynthesen (Richtzahl: 10)
  2. Marknagelungen (Richtzahl: 10)
  3. Fixateur externe (Richtzahl: 10)
  4. Zuggurtungsosteosynthesen (Richtzahl: 5)
  • Osteosynthesen bei Frakturen und Osteotomien an der unteren Extremität (Richtzahl: 60), davon
  1. Plattenosteosynthesen (Richtzahl: 10)
  2. Marknagelungen (Richtzahl: 10)
  3. Fixateur externe (Richtzahl: 10)
  4. Zuggurtungsosteosynthesen (Richtzahl: 5)
  • Versorgung mit Primärendoprothesen (Richtzahl: 40), davon
  1. Hüfte (Richtzahl: 20)
  2. Knie (Richtzahl: 10)
  • Becken- und Wirbelsäuleneingriffe (Richtzahl: 15)
  • Operative Therapie bei Infektionen an Weichteilen, Knochen oder Gelenken (Richtzahl: 20)
  • Implantatentfernungen (Richtzahl: 50)
  • Erste Assistenz bei Eingriffen höherer Schwierigkeitsgrade, z. B. bei Implantatwechsel (Richtzahl: 20)

Strahlenschutz

  • Grundlagen der Strahlenbiologie und Strahlenphysik bei der Anwendung ionisierender Strahlen am Menschen
  • Grundlagen des Strahlenschutzes beim Patienten und Personal einschließlich der Personalüberwachung und des baulichen und apparativen Strahlenschutzes
  • Voraussetzungen zur Erlangung der erforderlichen Fachkunden im gesetzlich geregelten Strahlenschutz

Quellen: Berufsverband der Deutschen Chirurgen e.V. (BDC), www.chirurg-werden.de, Musterweiterbildungsordnung 2018 der Bundesärztekammer, Ärztestatistik der Bundesärztekammer 2022, Versorgungsgrad nach Planungsregion der KBV (Stand 2020).
 


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