Facharzt-Weiterbildung Biochemie: Dauer, Inhalte, Perspektiven

24 Mai, 2023 - 07:27
Stefanie Hanke
Zwei Laboranten mit Mikroskop und Schutzbrillen im Labor

Die Biochemie ist eines der kleinsten medizinischen Fachgebiete: Derzeit gibt es nur 34 berufstätige Fachärzte und Fachärztinnen in diesem Bereich. Wie die Weiterbildung abläuft und wie lange sie dauert, erfahren Sie im Beitrag.

Auf einen Blick: Weiterbildung (Facharztausbildung) Biochemie

  • Definition: Fachärztinnen und Fachärzte für Biochemie untersuchen die Chemie der Lebensvorgänge im menschlichen Körper. Dazu gehören die organischen und anorganischen Substanzen, die Struktur und Funktion von Zellen und Organen und deren molekulare Interaktionen. Außerdem gehört die Pathobiochemie, die sich mit den molekularen Grundlagen von Erkrankungen befasst, in dieses Gebiet.
  • Dauer: Die Facharzt-Weiterbildung in der Biochemie dauert 48 Monate. Davon können bis zu 12 Monate in anderen Gebieten angerechnet werden.
  • Anzahl der Fachärzte: In Deutschland gibt es nur 87 Fachärzte für Biochemie. Davon sind 31 berufstätig. 12 arbeiten stationär, 3 in Behörden und Körperschaften, 14 weitere sind in sonstigen Bereichen tätig.

Die Biochemie ist nicht nur ein medizinisches Fachgebiet – sie ist auch ein naturwissenschaftliches Fach, für das es Master- und Bachelor-Studiengänge gibt. Doch während sich Absolventen dieser Fächer beispielsweise auch auf die Biochemie von Pflanzen oder ganzen Ökosystemen spezialisieren können, steht beim medizinischen Fachgebiet Biochemie natürlich der menschliche Organismus im Fokus.

Facharzt-Weiterbildung Biochemie: Hauptsächlich Forschung und Lehre

Dabei haben Fachärztinnen und Fachärzte für Biochemie – wie auch in den anderen vorklinischen Fachgebieten Anatomie und Physiologie – in der Regel keinen Patientenkontakt. Sie sind hauptsächlich in der Forschung und Lehre tätig, aber auch im Labor von Unikliniken. Andere arbeiten in der Pharmaindustrie und wirken an der Entwicklung neuer Medikamente und Behandlungsmethoden mit.

Lipide, Aminosäuren, Nukleinsäuren oder Enzyme – am Aufbau und den Vorgängen im menschlichen Körper sind viele verschiedene biochemische Verbindungen beteiligt. Fachärztinnen und Fachärzte für Biochemie untersuchen, wie diese biochemischen Abläufe in einem gesunden Körper funktionieren. Daraus können sie auch die biochemischen Vorgänge erklären, die für bestimmte Krankheiten verantwortlich sind. Ein Beispiel ist die Gicht: Dabei handelt es sich um eine Störung des Purinstoffwechsels. Infolge einer hohen Harnsäurekonzentrationen im Blut kann es dabei zu Ablagerungen von Harnsäurekristallen in Gelenken und Geweben kommen. Die Harnsäurekonzentration bildet also die biochemische Grundlage der Erkrankung. Auch die Ursache von Krankheiten, die beispielsweise von Vitaminmangel ausgelöst werden, konnte durch die biochemische Forschung geklärt werden.

Fachärztinnen und Fachärzte für Biochemie müssen sich unter anderem auch mit der Ernährungswissenschaft gut auskennen, denn die Verteilung von Mineralstoffen im Körper spielt eine entscheidende Rolle bei den biochemischen Vorgängen. So sind Mineralstoffe beispielsweise Bestandteile von Enzymen und Hormonen und sind so für verschiedene Abläufe unverzichtbar.

Viele organisatorische Aufgaben

Neben der Forschung und der Lehre übernehmen Fachärzte und Fachärztinnen für Biochemie auch viele organisatorische Aufgaben. Unter anderem organisieren und überwachen sie den Laborbetrieb, dokumentieren ihre Versuchsergebnisse und erstellen Berichte. Einige entscheiden sich auch für eine Stelle in der Pharma- oder Lebensmittelbranche und tauschen dort das Labor gegen einen Büroarbeitsplatz. Sie arbeiten beispielsweise in der Leitung von Projekten oder der Kundenbetreuung. Eine eigene Praxis ist dagegen in diesem Bereich unüblich: In der Ärztestatistik der Bundesärztekammer 2020 taucht nur ein einziger niedergelassener Facharzt für Biochemie auf.

Orchideenfach mit Nachwuchsmangel

Als eine der kleinsten Facharzt-Richtungen in Deutschland gibt es in der Biochemie auch kaum Nachwuchs: 2019 und 2020 gab es jeweils nur eine einzige Facharzt-Anerkennung in diesem Bereich. Wer sich für eine Facharzt-Weiterbildung in der Biochemie interessiert, muss vielleicht etwas nach einer passenden Assistenzarzt-Stelle suchen. Vor allem Unikliniken können aber eine Weiterbildung im Bereich anbieten.
 


Biochemiker werden: Die Weiterbildung (Facharztausbildung) im Überblick

Dauer der Weiterbildung:

Die Weiterbildungszeit im Bereich Biochemie beträgt 48 Monate unter Befugnis an Weiterbildungsstätten, davon

  • können zum Kompetenzerwerb bis zu 12 Monate Weiterbildung in anderen Gebieten erfolgen.

Inhalte der Weiterbildung:

Übergreifende Inhalte der Facharzt-Weiterbildung Biochemie

  • Strukturen und Funktionen der Biomoleküle wie Proteine, Nukleinsäuren, Kohlenhydrate, Lipide, niedermolekulare Verbindungen und Spurenelemente
  • Stoffwechsel und seine Regulation, enzymatische Katalyse
  • Molekulare Grundlagen von Erkrankungen
  • Methoden zur Trennung, Aufreinigung, Identifizierung und Quantifizierung von Biomolekülen
  • Methoden der Molekularbiologie
  • Modellorganismen

Zelluläre Biochemie und Molekularbiologie

  • Nukleinsäuren und Genexpression, Chromatinstruktur und Epigenetik, DNA-Reparatur und Genom-Editierung
  • Aufbau und Dynamik des Zytoskeletts, Katalyse von Bewegungen in der Zelle
  • Genese, Dynamik und Kommunikation von Zellorganellen
  • Regulation und Entgleisung des Zellzyklus, Onkogenese
  • Infektion von Zellen durch Viren und andere Mikroorganismen

Systemische Biochemie

  • Ernährung
  • Säure-Basen- sowie Wasser- und Elektrolyt-Haushalt
  • Spezielle biochemische Funktionen einzelner Organe und Körperflüssigkeiten

Bioinformatik

  • Anwendung von Datenbanken und in silico-Methoden, z. B. multiple Alignments, Struktur- und Funktionsvorhersagen aus Proteinsequenzen

Biophysikalische Chemie

  • Nicht-kovalente Wechselwirkungen
  • Multiple Gleichgewichte und Kinetik enzymkatalysierter Reaktionen und ganzer Stoffwechselwege
  • Resonante und Schwingungs-Spektroskopie, Hydrodynamik und Kalorimetrie

Signaltransduktion

  • Extra- und intrazelluläre Signaltransduktion, Unterschiede von Signalwegen, Zell-Zell-Kommunikation, Apoptose(regulation)
  • Biochemie der Reizwahrnehmung wie Sehen, Riechen, Hören, Schmecken, Fühlen

Methodik

  • Grundlagen der aktuellen und gängigen biochemischen Methoden
  • Grundlegende biochemische Methoden, z. B. Photometrie, Spektroskopie, Chromatographie, Elektrophorese, Blotting, immunologische Nachweismethoden, Zentrifugation
  • Grundlegende molekularbiologische Methoden, z. B. Klonierung, rekombinante Expression, Polymerase-Kettenreaktion (PCR), Sequenzierung
  • Spezielle biochemische und molekularbiologische Methoden, z. B. CRISPR/Cas-Methode, Strukturaufklärung mittels Kernspinresonanzspektroskopie (NMR), Elektronenmikroskopie und Röntgenkristallographie, Microarrays
  • Grundlagen der bildgebenden Verfahren

Forschung und Lehre

  • Methoden der guten wissenschaftlichen Praxis
  • Konzeptionierung, Durchführung einschließlich Publikation von Forschungsprojekten auf einem aktuellen Gebiet der Biochemie
  • Didaktische Grundlagen der universitären Lehre
  • Vermittlung der biochemischen und molekularbiologischen Grundlagen durch Lehrveranstaltungen, insbesondere in Vorlesungen, Seminaren und Praktika

Quellen: Musterweiterbildungsordnung der Bundesärztekammer 2018, Ärztestatistik der Bundesärztekammer 2022

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