Fachärzte und Fachärztinnen für Pharmakologie und Toxikologie beschäftigen sich vor allem mit Gift- und Schadstoffen. Wie die Weiterbildung abläuft und wie lange sie dauert, erfahren Sie im Beitrag.
Auf einen Blick: Weiterbildung (Facharztausbildung) Pharmakologie und Toxikologie
- Definition: Die Pharmakologie und Toxikologie beschäftigt sich mit gesundheitsschädlichen Auswirkungen von chemischen Substanzen auf den menschlichen Organismus. In dieses Gebiet fällt auch die Diagnose und Behandlung von Vergiftungen.
- Dauer: Die Facharzt-Weiterbildung Pharmakologie und Toxikologie dauert 60 Monate. Davon können 18 Monate auch in Klinischer Pharmakologie abgeleistet werden. 12 Monate können in anderen Gebieten erfolgen.
- Anzahl der Fachärzte: In Deutschland gibt es 328 Fachärztinnen und Fachärzte für Pharmakologie und Toxikologie. Davon sind 141 berufstätig. Nur 5 arbeiten ambulant, 49 stationär in einer Klinik, 30 in Behörden, Körperschaften und ähnlichen Einrichtungen. 57 arbeiten in sonstigen Bereichen, z.B. bei Pharmaunternehmen.
Die Pharmakologie und Toxikologie ist eine traditionsreiche Wissenschaft: "Alle Ding' sind Gift und nichts ohn' Gift – allein die Dosis macht, dass ein Ding' kein Gift ist", wusste schon im 16. Jahrhundert der Schweizer Arzt und Alchemist Paracelsus. Mit dieser Erkenntnis legte er die Grundlage der Toxikologie: Grundsätzlich kann nicht zwischen giftigen und ungiftigen Stoffen unterschieden werden; entscheidend für die Wirkung ist die Aufnahmemenge. Der Begriff "Toxikologie" geht sogar noch weiter zurück: Das griechische Wort Toxon bedeutet "Bogen" und bezieht sich auf vergiftete Pfeile, die bereits in der antiken Kriegführung benutzt wurden.
Natürlich geht es in dem Gebiet der modernen Pharmakologie und Toxikologie nicht mehr darum, anderen zu schaden, sondern vielmehr darum, Menschen vor Schaden zu schützen. Neben dem Erkennen und Behandeln akuter Vergiftungen geht es dabei vor allem um die Frage, welche schädlichen Wirkungen Stoffe entwickeln können, die in sehr niedrigen Dosen über lange Zeiträume aufgenommen werden. Man spricht hierbei von chronischer Toxizität. In diesem Zusammenhang arbeiten Toxikologinnen und Toxikologen beispielsweise bei Behörden wie dem Umweltbundesamt: Dort erarbeiten sie Grenz- und Richtwerte für bestimmte Stoffe, die etwa im Wasser, im Boden oder in Alltagsgegenständen vorkommen.
Fachärzte und Fachärztinnen für Pharmakologie und Toxikologie sind häufig in der Forschung tätig. Dabei arbeiten sie, z.B. in experimentellen Studien, sehr eng mit Wissenschaftlern anderer Fachgebiete zusammen. In erster Linie ist hier das medizinische Schwestern-Fachgebiet, die Klinische Pharmakologie zu nennen – ein Teil der Facharzt-Weiterbildung läuft in beiden Bereichen gleich ab. Aber auch Wissenschaften wie die Chemie, die Biologie und die Pharmazie beschäftigen sich mit toxikologischen Inhalten. Eine große inhaltliche Schnittmenge gibt es vor allem mit dem Gebiet der Biochemie, in der die molekularen Grundlagen von Vergiftungen untersucht werden. Daher ist "Toxikologe" auch keine rein medizinische Berufsbezeichnung – auch Naturwissenschaftler anderer Fachrichtungen können sich so nennen.
Neben der Forschung sind Fachärzte für Pharmakologie und Toxikologie aber auch in der unmittelbaren Patientenversorgung tätig und werden von Ärzten anderer Fachrichtungen bei Vergiftungsfällen als Berater hinzugezogen. Einige Universitätskliniken haben eine überregionale Giftnotrufzentrale, durch die niedergelassene Ärzte und kleinere Krankenhäuser, aber auch betroffene Patienten und deren Angehörige im Ernstfall beraten werden. Die Telefon-Hotlines dieser Einrichtungen sind rund um die Uhr besetzt. Das Giftinformationszentrum der Uniklinik Mainz ist beispielsweise für die Bundesländer Rheinland-Pfalz und Hessen zuständig. Hier werden täglich etwa 100 Anrufe entgegengenommen und im Jahr mehr als 32.000 Fälle betreut.
Aber Toxikologen helfen nicht nur dabei, Patienten bei Vergiftungen das Leben zu retten. Im Bereich der Rechtsmedizin sind sie auch forensisch tätig. Hier untersuchen sie beispielsweise bei unklaren Todesfällen, ob eine Vergiftung die Todesursache gewesen sein könnte und ob der Verstorbene zum Todeszeitpunkt unter Einfluss von Drogen oder Medikamenten stand. Drogen- und Medikamententests können in der Rechtsmedizin natürlich auch bei lebenden Personen eine Rolle spielen: beispielsweise, wenn es darum geht, ob bei einem Verbrechen das Opfer oder der Tatverdächtige unter Drogeneinfluss standen.
Die Weiterbildung (Facharztausbildung) Pharmakologie und Toxikologie im Überblick:
Dauer der Weiterbildung:
Die Weiterbildungszeit beträgt 60 Monate im Gebiet Pharmakologie und Toxikologie bei einem Weiterbildungsbefugten in einer Weiterbildungsstätte, davon
- können zum Kompetenzerwerb bis zu 18 Monate Weiterbildung in Klinischer Pharmakologie erfolgen
- können zum Kompetenzerwerb bis zu 12 Monate Weiterbildung in anderen Gebieten erfolgen
Inhalte der Weiterbildung:
Gemeinsame Inhalte des Gebiets Pharmakologie
- Wesentliche Gesetze, Verordnungen und Richtlinien
- Internationale und nationale Normen der Erforschung, Entwicklung und Anwendung von Arzneimitteln, z. B. Good Clinical Practice des International Council for Harmonisation of Technical Requirements for Pharmaceuticals for Human Use (ICH-GCP), ethische Grundsätze für die medizinische Forschung am Menschen (Deklaration von Helsinki)
- Pharmakologische, toxikologische und klinische Grundlagen der Erforschung, Entwicklung und Anwendung von Arzneimitteln
- Erkennung, Erfassung, Meldung und Bewertung unerwünschter Arzneimittelwirkungen und von Medikationsfehlern
- Risiken von Wirk- und Schadstoffen
- Risikomanagement und -kommunikation
- Biometrie und Statistik, Pharmakoepidemiologie und Arzneimittelanwendungsforschung, Expositionserfassung
- Pharmakologische Methodik, insbesondere Pharmako- und Toxikokinetik sowie Pharmako- und Toxikodynamik relevanter Wirk- und Schadstoffe
- Biochemische, chemische, immunologische, mikrobiologische, molekularbiologische, physikalische und physiologische Arbeits- und Nachweismethoden
- Grundlagen der tierexperimentellen Forschungstechnik zur Wirkungsanalyse von Arzneimitteln und Fremdstoffen, Erzeugung von Krankheitszuständen in Modellorganismen zur Wirkstoffprüfung
- Grundlagen, Methoden und Anwendung der Pharmako- und Toxikogenomik
- Standardmethoden der Qualitätssicherung für Labor- und Klinikuntersuchungen, Berichtswesen
- Wissenschaftlich begründete Gutachtenerstellung und Bewertung von Forschungsberichten
- Grundlagen der Entwicklung und Prüfung von Arzneimitteln und Medizinprodukten
- Arzneimitteltherapie von Erkrankungen
Pharmakologisch-toxikologische Methoden
- Integrative Methoden
- Krankheitsmodelle am Ganztier
- Modellorganismen, Transgen-Techniken
- Erfassung der Toxizität
- Verhaltensstudien
- Narkose und Analgesie
- in vivo- und in vitro-Bildgebung
- in vitro-Methoden aus den Bereichen Zytotoxizität, Gentoxizität, an isolierten Organen
- Quantitative Struktur-Wirkungs-Beziehung, Struktur- und Ligand-basiertes Wirkstoffdesign, Vorhersage pharmakologischer und toxischer Wirkungen
- Nachweismethoden für Arznei- und Fremdstoffe (Richtzahl: 4)
- Durchführung und Bewertung chemisch-analytischer Methoden
- Durchführung und Bewertung spezieller biochemischer und zellbiologischer Methoden
- Durchführung und Bewertung molekularbiologischer Methoden
Pharmakologisch-toxikologische Untersuchungen
- Durchführung und Bewertung von pharmako- und toxikogenomischen Untersuchungen
- Planung, Durchführung und Auswertung von pharmakologisch-toxikologischen in vivo- Untersuchungen (Richtzahl: 50)
- Planung, Durchführung und Auswertung von pharmakologischen und toxikologischen in vitro- Untersuchungen (Richtzahl: 100)
Arznei- und Schadstoffwirkungen am Menschen
- Wesentliche Schadstoffe, Gifte und deren Antidote
- Grundlage der Ableitung gesundheitsbasierter Grenzwerte, Expositionsbewertung, Risikobewertung
- Analyse und Bewertung pharmakologischer und toxischer Wirkungen am Menschen einschließlich der Beratung (Richtzahl: 25)
Quellen: Musterweiterbildungsordnung der Bundesärztekammer 2018, Ärztestatistik der Bundesärztekammer 2023, Umweltbundesamt, Gesellschaft für Toxikologie, Universitätsklinikum Mainz