Die Neurochirurgie ist eine Facharztrichtung, die aus der Chirurgie hervorgegangen ist. Neurochirurginnen und Neurochirurgen sind innerhalb der Chirurgie für die operative Behandlung von Erkrankungen des zentralen und peripheren Nervensystems und seiner Umgebungsstrukturen zuständig. Das bedeutet konkret: Im Zentrum der Tätigkeit stehen Funktionsstörungen des Rückenmarks und der Wirbelsäule, des Gehirns und der peripheren Nerven in Armen und Beinen.
Auf einen Blick: Weiterbildung (Facharztausbildung) Neurochirurgie
- Definition: Neurochirurgen beschäftigen sich mit Erkrankungen, Fehlbildungen und Verletzungen des zentralen und peripheren Nervensystems. Dabei geht es vor allem darum, diese Erkrankungen zu erkennen und operativ zu behandeln.
- Dauer: Die Facharzt-Weiterbildung in der Neurochirurgie dauert 72 Monate. Davon müssen 6 Monate in der intensivmedizinischen Versorgung neurochirurgischer Patienten abgeleistet werden. Bis zu 12 Monate können in anderen Gebieten erfolgen.
- Anzahl der Fachärzte: In Deutschland gibt es 3.169 Fachärztinnen und Fachärzte für Neurochirurgie. Davon sind 2.713 berufstätig. 724 arbeiten ambulant, 1.852 stationär in einer Klinik, 57 in Behörden, Körperschaften und ähnlichen Einrichtungen.
Die Neurochirurgie ist eine der ältesten medizinischen Fachrichtungen überhaupt. Anhand von Skelettfunden aus der Jungsteinzeit lässt sich nachweisen, dass schon vor mehreren Jahrtausenden Trepanationen (operative Schädelöffnungen) durchgeführt wurden – und dass die Patienten die Eingriffe überlebten. Die Grundlagen für die moderne Neurochirurgie wurden im 19. Jahrhundert gelegt. Seit den 1970er Jahren ist die Neurochirurgie in Deutschland ein eigenes Fachgebiet.
Seither hat sich viel getan: Durch den Fortschritt bei Operations- und Untersuchungstechniken können Ärzte beispielsweise Hirntumore, Wirbelsäulenerkrankungen, Aneurysmen, Metastasen, Fehlbildungen oder Verletzungen am zentralen oder peripheren Nervensystem inzwischen besser erkennen. Heutige Neurochirurgen können sicherer, minimalinvasiver und mit positiverem Ergebnis operieren als jemals zuvor.
Doch auch durch die alternde Gesellschaft hat sich das Tätigkeitsgebiet von Neurochirurgen verändert: So werden beispielsweise degenerative Erkrankungen der Wirbelsäule wie spinale Stenosen und Bandscheibenvorfälle immer häufiger. Auch die Zahl der gutartigen und bösartigen Hirntumore steigt weiter an. Außerdem behandelt ein Neurochirurg Erkrankungen wie den interkraniellen Druck (Hirndruck), Schädel-Hirn-Verletzungen oder die Trigeminusneuralgie, die durch kurze heftigste Schmerzattacken in einen oder mehreren Ästen des fünften Hirnnerven (Nervus Trigeminus), mit Ausstrahlung in den Gesichtsbereich, gekennzeichnet ist.
Um ein guter Neurochirurg zu werden, sind ruhige Hände und geschickte Finger eine wichtige Voraussetzung. Aber auch eine realistische Selbsteinschätzung und überlegtes Handeln sind für Ärzte diesem Gebiet notwenig. Denn: Fehler, die bei Operationen am Nervensystem passieren, können in der Regel nicht korrigiert werden, mahnt der Neurochirurg Prof. Dr. Walter Stummer. Außerdem müssen angehende Neurochirurgen bereit zur Zusammenarbeit mit Fachärzten anderer Fachbereiche sein.
Neurochirurgen können sich in einer eigenen Facharztpraxis niederlassen oder in einer Klinik arbeiten. Derzeit gibt es laut Statistik der Bundesärztekammer (Stand 2020) 2.926 Fachärzte und Fachärztinnen für Neurochirurgie in Deutschland.
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Neurochirurg werden: Die Weiterbildung (Facharztausbildung) im Überblick
Die Dauer der Weiterbildung
Die Weiterbildungszeit in der Neurochirurgie beträgt 72 Monate bei einem Weiterbildungsbefugten an einer Weiterbildungsstätte gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1, davon
- müssen 6 Monate in der intensivmedizinischen Versorgung neurochirurgischer Patienten abgeleistet werden
- können zum Kompetenzerwerb bis zu 12 Monate Weiterbildung in anderen Gebieten erfolgen
Übergreifende Inhalte der Facharztweiterbildung Neurochirurgie
- Wesentliche Gesetze, Verordnungen und Richtlinien
- Chirurgische Techniken und Instrumentengebrauch, insbesondere Inzision, Präparation, Retraktion, Naht- und Knotentechniken einschließlich Laseranwendung unter Berücksichtigung der verschiedenen Gewebestrukturen
- Chirurgische perioperative Behandlung einschließlich Vorbereitung, Nachsorge und Komplikationsmanagement sowie Indikationsstellung zu weiterführenden Maßnahmen
- Prophylaxe, Diagnostik und Therapie von Thrombosen
- Wundheilung und Narbenbildung
- Wundmanagement und stadiengerechte Wundtherapie sowie Verbandslehre einschließlich verschiedener Wundauflagen, Unterdruck- und Kompressionstherapie
- Defektdeckung bei akuten und chronischen Wunden
- Betreuung palliativmedizinisch zu versorgender Patienten
- Scoresysteme und Risikoeinschätzung
- Neurochirurgisch relevante neurologische Störungen
Operative Basistechnik
- Lagerung zur Operation
- kranial (Richtzahl: 100)
- spinal (Richtzahl: 100)
- Einrichtung und Durchführung der Neuronavigation (Richtzahl: 50)
- Kraniotomien, infra- und supratentoriell
- Operative Zugänge zur Wirbelsäule
- Lumbale und ventrikuläre Liquordrainage mit und ohne Druckmessung (Richtzahl: 100)
- Wundverschluss und Wundrevision
Neurochirurgische Bildgebung und technische Untersuchungsverfahren
- Indikation, Durchführung und Befunderstellung der intraoperativen radiologischen Befundkontrolle (Richtzahl: 150)
- Intraoperativer Ultraschall bei Interventionen und Operationen (Richtzahl: 50)
- Indikationsstellung und Befundinterpretation weiterer bildgebender Verfahren
- Doppler- und duplexsonographische Untersuchungen intra- und extrazerebraler Gefäße einschließlich transkranieller Dopplersonographie (Richtzahl: 200)
- Intraoperatives multimodales Monitoring/Mapping, z. B. Elektromyographie, Nervenleitgeschwindigkeit, evozierte Potentiale, Elektroenzephalographie (Richtzahl: 100)
Notfälle
- Erkennung, Erstversorgung und Management spontaner und traumatischer neurochirurgischer Notfälle, z. B. Schädelhirntrauma, Blutung, Querschnittssyndrom (Richtzahl: 100)
Neurochirurgische Intensivmedizin
- Intensivmedizinische Basisversorgung
- Einleitung und Überwachung frührehabilitativer Maßnahmen
- Infusions-, Transfusions- und Blutersatztherapie, enterale und parenterale Ernährung
- Punktions- und Katheterisierungstechniken, z. B. intrathekal, urethral, gastral, thorakal
- Differenzierte Beatmungstechniken
- Atemunterstützende Maßnahmen bei intubierten und nicht-intubierten Patienten
- Beatmungsentwöhnung bei langzeitbeatmeten Patienten
- Tracheotomien
- Durchführung des Verfahrens zur Feststellung des endgültigen, nicht behebbaren Ausfalls der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms gemeinsam mit einem hierfür qualifizierten Facharzt
- Neuromonitoring, z. B. Gewebesauerstoffpartialdruck, Hirndurchblutung, Mikrodialyse
- Elektrolyt- und endokrinologisches Management bei neurochirurgischen Krankheitsbildern
- Intensivmedizinische Behandlung bei
- Hirnödem und intrakraniellem Druckanstieg einschließlich Vasospasmus
- Liquorzirkulationsstörung mit Ventrikeldrainage-System einschließlich Entwöhnung/Indikation zur Shuntanlage
- Status epilepticus
- intrakraniellen und spinalen Infektionen
- akuten Läsionen des zentralen Nervensystems einschließlich der akuten Querschnittslähmung
- postoperativen Verläufen
Entzündungen und Infektionen
- Entzündungen und Infektionen in der Neurochirurgie
- Konservative Therapie neurochirurgischer Infektionen
- Operative Therapie neurochirurgischer Infektionen, z. B. Abszesse, Empyeme, Wundheilungsstörungen (Richtzahl: 10)
Funktionelle Neurochirurgie
- Neurochirurgisch-funktionelle Therapien einschließlich der interdisziplinären Entscheidungsfindung
- Erkennung und Therapie von Komplikationen einer funktionellen Therapie
- Neurochirurgische Operationen bei Schmerzkrankheit
- Adjustierung von Implantaten
Epilepsiechirurgie
- Implantation von Elektrodenarrays
- Epilepsiechirurgische Eingriffe einschließlich Mapping
Neurochirurgische Schmerztherapie
- Neurochirurgisch-invasive Schmerztherapie, z. B. Bildwandler/CT gestützte periradikuläre und Facetteninfiltration, Iliosakralgelenksinfiltration, Thermokoagulation oder Kryoläsion, epidurale Rückenmarksstimulation (SCS), Schmerzpumpen (Richtzahl: 25)
- Verfahren der neurochirurgischen Schmerztherapie, z. B. neurovaskuläre Dekompression, destruierende Verfahren, Nervenwurzelhinterstrangeintrittszonen-(DREZ)Läsion, Chordotomie, Stimulationsverfahren, zentrale Neurostimulationsverfahren, neurolytische Verfahren
- Einstellung von Stimulatoren
- Implantation, Befüllen und Programmieren von Pumpen
Tumorerkrankungen des Gehirns, des Rückenmarks und deren Hüllstrukturen
- Grundlagen der Strahlentherapie und Radiochirurgie
- Extra- und intrazerebrale Tumore einschließlich der Kalotte, der Schädelbasis, der Orbita, des Rückenmarks sowie der Hüllräume und der peripheren Nerven
- Prä- und postoperative Behandlung von Tumorerkrankungen des Gehirns, des Rückenmarks und deren Hüllstrukturen
- Operationen bei intrakraniellen und intraduralen Tumoren einschließlich endoskopischer Eingriffe an der Schädelbasis (Richtwert: 40), davon
- diagnostische Eingriffe, z. B. rahmen- oder neuronavigationsgestützte stereotaktische Biopsien (Richtwert: 10)
- Mitwirkung bei der systemischen Tumortherapie sowie der supportiven Therapie bei soliden Tumorerkrankungen der Facharztkompetenz
Neurochirurgische Nachbehandlung und Rehabilitation
- Posttraumatische organische sowie psychische Pathologien
- Kontextorientierte Neurorehabilitation nach individuellen und sozialen Fähigkeiten und Funktionen
- Indikationsstellung und Überwachung physiotherapeutischer, physikalischer, ergotherapeutischer, psychologischer und logopädischer Therapiemaßnahmen
- Bewertung von verbliebenen Fähigkeiten und Monitoring der Erholung sowie des Rehabilitationspotentials, z. B. mittels Barthel-Index
- Differentialdiagnostik und Therapieoptionen von Schluckstörungen
Pädiatrische Neurochirurgie
- Intrakranielle und spinale Missbildungen und Entwicklungsstörungen
- Pädiatrische Tumoroperationen des zentralen Nervensystems und seiner Hüllorgane sowie der peripheren Nerven
Hydrozephalus und Fehlbildungen bei Kindern und Erwachsenen
- Operationen bei Hydrozephalus, Schädel-, Hirn- oder spinalen Fehlbildungen (Richtzahl: 40)
- Shunt-Techniken, z. B. ventrikuloperitoneal, ventrikuloatrial, ventrikulopleural, lumboperitoneal
Traumatologie
- Operationen von intra-, extraduralen Hämatomen, Liquorfisteln, Impressionsfrakturen, Kranioplastien (Richtzahl: 50)
- Trepanationstechniken bei Schädelhirntrauma
- Durchführung verschiedener Verfahren der Kranioplastie
- Anlage von Ventrikeldrainagen und intrakranielle Druckmessungen (Richtzahl: 20)
- Neuromonitoring einschließlich Befunderstellung bei neurophysiologischen Verfahren
- Traumatische Verletzungen der hirnversorgenden Gefäße einschließlich Carotis-Sinus-cavernosus-Fisteln
Wirbelsäulen- und Rückenmarkschirurgie
- Indikationsstellung zur konservativen und chirurgischen Therapie bei Wirbelsäulentrauma
- Eingriffe an der zervikalen, thorakalen oder lumbalen Wirbelsäule mit dorsalen, ventralen und dorsoventralen Zugängen zur Halswirbelsäule, Brustwirbelsäule, Lendenwirbelsäule und Sakrum (Richtzahl: 100)
- Mitwirkung bei komplexen Stabilisierungsoperationen degenerativer und traumatischer Wirbelsäulenerkrankungen
- Anlage eines Halo-Fixateurs
- Nervenwurzel- und Rückenmarksdekompression extra- und intraspinaler Tumore, degenerativer, entzündlicher und vaskulärer Prozesse
- Interdisziplinäre Therapieoptionen vaskulärer spinaler Erkrankungen
Neurochirurgie peripherer Nerven
- Klinische und elektrophysiologische Untersuchungen peripherer Nerven und Muskeln
- Periphere Kompressionssyndrome, Tumorerkrankungen peripherer Nerven und Traumata der peripheren Nerven und des Plexus brachialis und lumbosacralis
- Periphere und vegetative Nervenläsionen sowie Einteilung traumatischer Nervenläsionen
- Operationen an peripheren Nerven (Richtzahl: 10)
- Konservative und chirurgischen Therapieoptionen einschließlich Rekonstruktionen sowie mikrochirurgischer und endoskopischer Verfahren
Vaskuläre Neurochirurgie
- Operationen bei spontanen intrazerebralen Blutungen einschließlich Infarktdekompressionen und Entlastungskraniotomien (Richtzahl: 30)
- Mitwirkung bei vaskulären Operationen, z. B. Angiomen, Aneurysmen, Cavernomen, Bypasschirurgie, desobliterierende Verfahren der hirnversorgenden Gefäße
- Konservative, offen chirurgische und interventionelle Behandlungsverfahren neurovaskulärer Läsionen und Malformationen sowie deren Indikationen
- Chirurgische Therapieoptionen der zerebralen Ischämie
- Neurovaskuläre Graduierungssysteme
Strahlenschutz
- Grundlagen der Strahlenbiologie und Strahlenphysik bei der Anwendung ionisierender Strahlen am Menschen
- Grundlagen des Strahlenschutzes beim Patienten und Personal einschließlich der Personalüberwachung und des baulichen und apparativen Strahlenschutzes
- Voraussetzungen zur Erlangung der erforderlichen Fachkunden im gesetzlich geregelten Strahlenschutz
Quellen: Deutsche Gesellschaft für Neurochirurgie, www.dgnc.de, Musterweiterbildungsordnung der Bundesärztekammer 2018, Ärztestatistik der Bundesärztekammer 2023
Aktuelle Stellenangebote in diesem Fachgebiet:
Assistenzarztstellen Neurochirurgie
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