Personalführung: Intrinsische Motivation – Was Ärzte antreibt – und was nicht

12 Februar, 2020 - 13:44
Michael Born
Ärtztinnen und Ärzte stehen in einer Reihe hintereinander

Viele Mitarbeitende fühlen sich wie kleine Rädchen in einer großen Maschine, die nur eine Aufgabe haben: funktionieren! Steigende Fehlzeiten zeigen, dass das immer weniger Beschäftigte können oder wollen.

Nachdem schon viele Pflegekräfte aus dem Krankenhaus ausgestiegen sind, fragen sich zunehmend auch Ärztinnen und Ärzte, ob sie im aktuellen System noch weiterarbeiten wollen: Ist es das, wofür sie studiert haben? Einige wechseln in eine Praxis, andere steigen ganz aus. In der Kritik stehen häufig die Zahlen, mit denen die Kaufleute die Krankenhäuser steuern. Oft heißt es schnell, die Öko­nomi­sierung der Krankenhäuser sei Schuld an dieser Entwicklung. Doch stimmt das wirklich?

Unterschiede zwischen gestern und heute

Wer sich früher bei der Berufswahl für die Versorgung kranker Menschen im Krankenhaus entschieden hat, war sich immer bewusst, dass es leichtere und bequemere Aufgaben gibt. Trotzdem fiel die Wahl aufgrund einer hohen intrinsischen Motivation auf diese Arbeit. Allen war klar, dass sie keine Fünf-Tage-Woche und auch keinen planbaren Feierabend haben würden. Sie haben akzeptiert, dass ihre Work-Life-Balance nicht immer gelingen würde und ihre Partner auch zu vielen Zugeständnissen bereit sein müssten. Sie kannten die Belastungen des Jobs und haben sich trotzdem für die Tätigkeit im Krankenhaus entschieden.

Der feine Unterschied zwischen gestern und heute scheint darin zu liegen, dass Ärztinnen und Ärzte früher für ihren Einsatz mehr vom Krankenhaus zurückbekommen haben als das heutzutage der Fall ist. Das, was ihnen die Tätigkeit im Krankenhaus für ihre Mühe und ihren Einsatz zurückgegeben hat, muss den hohen persönlichen Einsatz gerechtfertigt haben. Deshalb waren sie dort zufriedener und erfüllter. Ihr Einsatz schien sich zu lohnen. Sie waren bereit, ihn auch künftig zu bringen. Ausstieg aus dem Job oder Beruf waren kein Thema.

Größter Treiber: Sinnhaftigkeit der Arbeit

Doch was hat sich seitdem verändert, dass Ärzte das Gefühl haben, für ihren Einsatz keine angemessene Gegenleistung mehr zu bekommen? Ist es die fehlende Wertschätzung, die immer wieder beklagt wird? Sind es die Arbeitsbedingungen?

Der größte Treiber für die Arbeit im Krankenhaus dürfte die Sinnhaftigkeit der Aufgabe sein. Die meisten Menschen, die im Krankenhaus arbeiten, tun dies nicht, um möglichst viel Geld zu verdienen. Da gibt es einfachere, bequemere und schnellere Wege. Sie tun es, weil sie kranken Menschen helfen wollen. Die Sinnhaftigkeit der Arbeit ist gerade für die jüngeren Generationen der entscheidende Aspekt bei der Berufswahl. An dieser Stelle dürfte das Krankenhaus also nicht an Attraktivität eingebüßt haben. Die Erfolge, die im Krankenhaus gelingen, indem Krankheiten geheilt oder Schmerzen gelindert werden, sowie die Dankbarkeit der Patienten sind der „Lohn“ für die Arbeit dort. Das ist es, was das Krankenhaus zurückgibt. Das ist die Gegenleistung, für die die Mitarbeitenden alle Kompromisse eingehen, für die sich alle Anstrengungen lohnen.

Im Vergleich zur Vergangenheit hat sich diese Situation nicht negativ verändert. Die Medizin macht nach wie vor große Fortschritte in der Behandlung und Heilung von Krankheiten. Zwar sind die Ansprüche der Patienten durch das Internet und Krankenhausvergleiche in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Ihre Dankbarkeit und Zufriedenheit scheinen jedoch nicht geringer geworden sein.

Intrinsische versus extrinsische Motivation

Wenn sich im Außenverhältnis zu den Patienten keine gravierenden negativen Veränderungen feststellen lassen, drängt sich die Frage auf, was sich im Innenverhältnis, also in der Steuerung des Krankenhauses, verändert hat.

Damit Menschen ihre intrinsische Motivation optimal entfalten können, müssen vier Facetten ihrer Arbeit gegeben sein:

  • Kompetenz,
  • Bedeutsamkeit,
  • Selbstbestimmung,
  • Einfluss.

Menschen sind daran interessiert, in balancierten Zuständen zu denken und zu leben. Wenn der Mitarbeitende seine Arbeit als wichtig erlebt, aber das Unternehmen andere Signale sendet, dann fordert das das Bedeutsamkeitsempfinden des Mitarbeitenden heraus. In extremen Situationen ist gar vorstellbar, dass zum Beispiel der Chefarzt hohe Anerkennung und Wertschätzung vom behandelten Patienten erfährt, weil er medizinisch erfolgreich war, er aber von der Unternehmensleitung stark kritisiert wird, weil seine Tätigkeit ökonomisch kontraproduktiv war.

Führungs- und Steuerungssysteme

Daher stellt sich die Frage, ob die heutigen Führungs- und Steuerungssysteme, wie Zielvereinbarungen und Kennzahlen, die intrinsische Motivation der Mitarbeitenden spiegeln und sie damit fördern, oder ob die internen Systeme auf extrinsischen Komponenten beruhen, die die intrinsische Motivation gefährden oder gar zerstören. Da viele Steuerungssysteme der Krankenhäuser zunehmend oder fast ausschließlich mit ökonomischen Kennzahlen arbeiten, laufen die Häuser Gefahr, die intrinsische Motivation ihrer Mitarbeiter nicht zu stärken, sondern motivationshemmend oder -zerstörend auf sie zu wirken.

Viele Zielvereinbarungen stellen auf finanzielle Ziele ab, zum Beispiel Budgettreue oder das Jahresergebnis des Krankenhauses. Ist das tatsächlich ein motivierendes Ziel? Für die Ökonomen ja, aber auch für die Krankenschwester und den Chefarzt, die beide eine möglichst gute Versorgung ihrer Patienten anstreben? Sind die Leistungsdokumentation oder die Sicherung der Erlöse gegenüber dem Medizinischen Dienst der Kran­ken­ver­siche­rung (MDK) Aufgaben, die die intrinsische Motivation der medizinisch Tätigen fördern? Nein, das sind sie nicht. Denn Ärzte können sich in dieser Zeit nicht um ihre Patienten kümmern.

Letztlich geht es um die Arbeitgeberattraktivität der Krankenhäuser. Sie entscheidet immer mehr über die Zukunftsfähigkeit, sowohl im Wettbewerb um die Fachkräfte der Krankenhäuser untereinander als auch im Wettbewerb mit anderen Branchen. Es dürfte inzwischen Konsens sein, dass die Wirtschaftlichkeit der Krankenhäuser alternativlos ist. Doch stellt sich die Frage, ob die Steuerungs- und Anreizsysteme in den letzten Jahren immer in die richtige Richtung gegangen sind. Sowohl der aktuelle Fachkräftemangel im Krankenhaus als auch die steigende Aussteigerquote lassen erhebliche Zweifel daran aufkommen, dass sie die intrinsische Motivation der Mitarbeitenden gefördert haben.

Dtsch Arztebl 2019; 116(35-36): [2]
 


Der Autor:

Michael Born
Geschäftsführer Personal
Klinikum Region Hannover
30459 Hannover
Mitglied des Initiativkreises neue Personalarbeit in Krankenhäusern (InPaK)

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