Über wichtige Erfahrungen, gewonnene Einsichten und ausgefallene Wünsche spricht aerztestellen.de mit erfolgreichen Ärztinnen und Ärzten. Dieses Mal stellt sich Dr. med. Norbert Klein unseren Fragen. Seit 1. Januar 2020 ist er Chefarzt der Klinik für Kardiologie und internistische Intensivmedizin am Klinikum St. Georg in Leipzig.
Herr Dr. Klein, warum eigentlich sind Sie Kardiologe geworden?
Dr. Norbert Klein: Zu Beginn meines Studiums 1992 hatte ich eigentlich den Plan, die Allgemeinarztpraxis meiner Mutter im ländlichen Raum zu übernehmen. Allerdings hat mich die Vielseitigkeit, die die Medizin bietet, später motiviert, etwas Spezielleres zu machen. Dabei habe ich mich lange für die Chirurgie interessiert. Auch die Innere Medizin lag mir, wegen der detektivischen Herausforderungen, aus Symptomen eine Diagnose zu machen. Die optimale Kombination aus beidem ist für mich die Kardiologie. Ähnlich wie die Chirurgie ist sie auch Notfallfach und bietet über die interventionelle Schiene invasive Optionen. Das ist genau das, was ich heute mit großer Leidenschaft mache.
Was ist für Sie unabdingbar, damit Sie gut arbeiten können?
Dr. Norbert Klein: Das Wichtigste ist, ein loyales und kompetentes Team um sich zu haben. Kollegen, mit denen man Fälle und Befunde besprechen kann und mit denen man menschlich harmoniert, machen die Arbeit leichter. Ein Lächeln auf den Lippen und eine positive Grundeinstellung sind bedeutungsvoll. Immerhin verbringt man die Kernzeit des Tages in der Klinik und sollte sich dort auch wohlfühlen.
Wie lautet der beste Rat, den Sie auf Ihrem Karriereweg bekommen haben?
Dr. Norbert Klein: Mein Lehrer und Mentor am Universitätsklinikum Leipzig, an dem ich bis zum Jahr 2016 gearbeitet habe, hat immer darauf geachtet, dass wir vollwertige Ärzte mit einer eigenen Meinung zu den Dingen werden. Das rechne ich ihm hoch an. Die Innere Medizin und insbesondere die Kardiologie bieten viele Lösungsansätze für ein Problem. In solchen Fällen Meinungen zu diskutieren und die beste Lösung für den Patienten zu finden und nicht apodiktisch die Meinung des Chefs akzeptieren zu müssen, hat mir sehr geholfen, selbstständig zu werden. Natürlich zählt Erfahrung. Doch Diskussionen zwischen erfahrenen und jungen Ärzten sind das, was uns weiterbringt – und dem Patienten die bestmögliche Behandlung.
Was schätzen Sie an anderen Menschen am meisten?
Dr. Norbert Klein: Toleranz ist ein wichtiges Gut, leider geht diese in unserer Gesellschaft zunehmend verloren. An Kollegen schätze ich Offenheit, Ehrlichkeit, Loyalität und natürlich Respekt voreinander. An Freunden schätze ich Gelassenheit, Leichtigkeit und Lebensfreude. Ich liebe es, unter Freunden einfach ich zu sein, ohne dass der Titel oder die gesellschaftliche Stellung eine Rolle spielen. An meiner Familie schätze ich ihre uneingeschränkte Liebe und ihr unendliches Vertrauen.
Was treibt Sie an?
Dr. Norbert Klein: Ich will meinen Kindern ein guter Vater sein. Mir ist wichtig, Toleranz, aber auch Ehrgeiz und Durchsetzungswillen zu vermitteln. Die Geburt meiner ersten Tochter im Jahr 2003 war ein großer Einschnitt für mich. Damals habe ich begonnen, über die Sinnhaftigkeit des Daseins nachzudenken. Die Prioritäten haben sich etwas verändert, weil meine Verantwortung plötzlich größer wurde. Aber mich treibt auch mein eigener Anspruch an, durch das, was ich tue, Patienten zu heilen und Kollegen auszubilden.
Mit wem würden Sie gern einmal einen Abend verbringen?
Dr. Norbert Klein: Mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Die Gesundheitspolitik traut sich nicht an grundlegende Reformen.
Was raten Sie jungen Ärztinnen und Ärzten?
Dr. Norbert Klein: Dranbleiben, sich nicht unterkriegen lassen. Und: Kollegialität wird sich früher oder später auszahlen.
Wie gelingt Ihnen eine gesunde Work-Life-Balance?
Dr. Norbert Klein: Weil meine Frau den Klinikalltag ebenfalls kennt, erfahre ich zu Hause sehr viel Toleranz, wenn‘s mal wieder spät wird. Momentan schwingt das Pendel eher Richtung „work“. Doch der nächste Urlaub kommt bestimmt.
Woran mangelt es dem deutschen Gesundheitssystem?
Dr. Norbert Klein: Den Willen, Grundlegendes verändern zu wollen, sehe ich nicht. Die kurzsichtige Privatisierung großer Teile des Gesundheitswesens in den 90er Jahren hat die Kultur verändert. Krankenhäuser als Wirtschaftsunternehmen führen zu müssen, widerspricht dem medizinisch-altruistischen Grundgedanken.
Wann sind Sie glücklich?
Dr. Norbert Klein: Beruflich: Wenn eine komplexe Tachykardie unter Ablation im elektrophysiologischen Labor abbricht (Verödung von Arrhythmie bedingenden Strukturen). Privat: Wenn ich Zeit mit meiner Frau und meinen beiden Kindern verbringe und wir gemeinsam verschiedene und exotische Orte auf der Welt entdecken, sind das unglaublich schöne Momente.
Vorgestellt:
Dr. med. Norbert Klein ist seit 1. Januar 2020 Chefarzt der Klinik für Kardiologie und internistische Intensivmedizin am Klinikum St. Georg in Leipzig.