Dr. Kluth: „Wertvoll ist, andere Sichtweisen zuzulassen – im Team findet man den besten Weg“

25 September, 2025 - 08:04
Dr. Sabine Glöser
Köpfe und Karriere: Dr. med. Jürgen Kluth
Dr. med. Jürgen Kluth ist seit 1. Mai 2025 Chefarzt der Zentralen Notaufnahme und der Klinik für Akut- und Notfallmedizin der Asklepios Harzkliniken in Goslar.

Über wichtige Erfahrungen, gewonnene Einsichten und ausgefallene Wünsche spricht aerztestellen.de mit erfolgreichen Ärztinnen und Ärzten. Dieses Mal stellt sich Dr. med. Jürgen Kluth unseren Fragen. Er ist seit 1. Mai 2025 Chefarzt der Zentralen Notaufnahme und der Klinik für Akut- und Notfallmedizin der Asklepios Harzkliniken in Goslar.

Herr Dr. Kluth, warum eigentlich haben Sie sich auf die Intensiv- und Notfallmedizin spezialisiert?

Dr. med. Jürgen Kluth: Ich wurde 1987/88 in meiner Wehrdienstzeit nach dem Abitur und vor meinem Studium von der Bundeswehr auf die Sanitätslehrgänge SAN 1-3 geschickt. Ausgebildet wurde ich im Bundeswehrkrankenhaus Hamm im OP, in der Anästhesie und auf der Intensivstation. Anschließend war meine sogenannte Stammeinheit das Hubschrauber Transportgeschwader HTG 64 in Ahlhorn. Diese Staffel stellte damals zwei SAR Hubschrauber für die zivile Rettung. Diese Erfahrungen haben mich beeindruckt und geprägt, so dass ich mich für eine Facharztausbildung in der Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Notfallmedizin der Universität Bonn entschied. Zu dieser Zeit waren Anästhesie, Intensivmedizin und Notfallmedizin in den großen Kliniken eng verwoben. Während Anästhesie eine Dienstleitung für den Operateur ist, sind Notfall- und Intensivmedizin akute, kurative Fächer, interprofessionell und mit hoher Dynamik. Das reizt mich.

Was ist für Sie unabdingbar, damit Sie gut arbeiten können?

Dr. med. Jürgen Kluth: Es braucht eine gute Infrastruktur: baulich, personell, gerätetechnisch und digital. Die Wege zur Diagnostik müssen kurz sein. Dazu zählen Radiologie, Labor, Herzkatheter und OP. Zudem ist mehrmals täglich eine Kommunikationsplattform mit dem Team unerlässlich. Auch die interprofessionelle Behandlung ist wichtig. Abteilungsgrenzen sollten keine Rolle spielen, die Patienten stehen im Mittelpunkt. Ebenfalls unabdingbar sind die Ausbildung und Weiterbildung der jungen Kolleginnen und Kollegen.

Wie lautet der beste Rat, den Sie auf Ihrem Karriereweg bekommen haben?

Dr. med. Jürgen Kluth: Erstens: Alles, was man messen kann, muss man nicht schätzen oder raten. Zweitens: „Was ist das Schwerste von allem? Was dir das Leichteste dünket: Mit den Augen zu sehen, was vor den Augen dir lieget.“ Das Zitat stammt von Goethe, es stand und steht im großen Hörsaal in Bonn in großen Lettern an der Wand.

Was schätzen Sie an anderen Menschen am meisten?

Dr. med. Jürgen Kluth: Es gibt viele Wege nach Rom, daher ist Apodixe in der Notfallmedizin fehl am Patz. Wertvoll ist, andere Sichtweisen auf einen Patienten oder einen Mitarbeitenden zuzulassen. Daher fördere ich die Diskussion. Im Team findet man den besten Weg. Ich schätze diesen fachlichen und menschlichen Austausch jeden Tag sehr.

Was treibt Sie an?

Dr. med. Jürgen Kluth: Die Medizin und die Wissenschaft sind im stetigen Fluss. Laufend ändern oder verbessern sich Behandlungsmöglichkeiten. Dies macht mich neugierig und die Umsetzung des Neuen in der Notfall- und Intensivpraxis ist spannend. Ich empfinde es als Privileg, Menschen in akuter gesundheitlicher Notlage mit meinem Team helfen zu können. In solchen Situationen sind Patienten oft völlig ausgeliefert, so dass nicht nur medizinische Hilfe, sondern auch Empathie und Mitgefühl erforderlich sind. Dies sind große zwischenmenschliche Herausforderungen, an denen das Team wächst.

Mit wem würden Sie gern einmal einen Abend verbringen?

Dr. med. Jürgen Kluth: Mit Dr. Maria Furtwängler, sie ist ja Ärztin, aber auch eine Person des öffentlichen Lebens. Ein persönlicher Erfahrungsaustausch wäre bestimmt interessant, zumal sie viele Hilfsorganisationen unterstützt.

Was raten Sie jungen Ärztinnen und Ärzten?

Dr. med. Jürgen Kluth: Lasst Euch nicht von den Nebenwirkungen unseres Gesundheitssystems aufhalten, geht Euren Weg und habt keine Angst vor Widerstand.

Wie gelingt Ihnen eine gesunde Work-Life-Balance?

Dr. med. Jürgen Kluth: Ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg ist die Verteilung von Kompetenz in der Breite. So muss ich nicht immer alles Schwierige selbst machen. Das braucht einen vertrauensvollen Umgang mit den Oberärzten, ebenso mit den jungen Assistenzärzten und dem Pflegeteam.

Woran mangelt es dem deutschen Gesundheitssystem?

Dr. med. Jürgen Kluth: Wir brauchen mehr Medizinstudienplätze. Auch der Zugang zum Studium bedarf der Reformierung, da Abiturnoten allein keine guten Marker sind. Außerdem brauchen wir eine klare Regelung zur Notfallversorgung in den Krankenhäusern unter Einbeziehung der Kassenärzte. Zurzeit laufen die Zentralen Notaufnahmen über, weil alle Patienten Anspruch auf den Zugang zu diesen haben. Unter dem Quantitätsanstieg leidet die Versorgung der tatsächlichen Notfälle, da Ressourcen nicht adäquat eingesetzt werden können. Den gleichen Reformbedarf hat der Rettungsdienst, auch ihn kann jeder nach seinem Dünken beanspruchen.

Wann sind Sie glücklich?

Dr. med. Jürgen Kluth: Ich bin glücklich, wenn Beruf und Privatleben in einer guten Balance sind und die Menschen, die mich umgeben, gesund sind.

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