PD Dr. Mühldorfer-Fodor: „Die Vielfalt der Handchirurgie finde ich ganz besonders“

5 Juni, 2025 - 07:42
Dr. Sabine Glöser
Köpfe und Karriere: Priv.-Doz. Dr. med. Marion Mühldorfer-Fodor
Priv.-Doz. Dr. med. Marion Mühldorfer-Fodor ist seit 1. April 2025 neue Chefärztin des Zentrums für Hand- und Rekonstruktive Chirurgie an der Roland-Klinik in Bremen.

Über wichtige Erfahrungen, gewonnene Einsichten und ausgefallene Wünsche spricht aerztestellen.de mit erfolgreichen Ärztinnen und Ärzten. Dieses Mal stellt sich Priv.-Doz. Dr. med. Marion Mühldorfer-Fodor unseren Fragen. Sie ist seit 1. April 2025 neue Chefärztin des Zentrums für Hand- und Rekonstruktive Chirurgie an der Roland-Klinik in Bremen.

Frau Dr. Mühldorfer-Fodor, warum eigentlich haben Sie sich auf die Handchirurgie spezialisiert?

PD Dr. Marion Mühldorfer-Fodor: Wenngleich sich die Handchirurgie auf ein kleines Körperteil beschränkt, benötigt man ganz unterschiedliche chirurgische Fertigkeiten, wie Knochenchirurgie, Arthroskopie, Mikrochirurgie und plastische Deckungen. In der Hand liegen Knochen, Gelenke, Sehnen, Nerven und Arterien auf engstem Raum. Bei jedem chirurgischen Eingriff muss man diese vulnerablen Strukturen berücksichtigen. Unser Fach umfasst kindliche Fehlbildungen bis hin zu degenerativen Veränderungen sowie Verletzungen und Infekte. Diese Vielfalt finde ich ganz besonders. Unsere Hände sind unsere wichtigsten „Werkzeuge“ und die funktionellen Ansprüche reichen von schwerer manueller Arbeit bis hin zu Feinarbeiten, wie Musikinstrumente spielen oder unter dem Mikroskop arbeiten. Wir können mit unseren Händen viel feiner arbeiten als unsere Augen ohne Hilfsmittel sehen können. Dieses Wunderwerk der Natur möglichst gut zu erhalten oder wiederherzustellen, ist eine große Herausforderung.

Was ist für Sie unabdingbar, damit Sie gut arbeiten können?

PD Dr. Marion Mühldorfer-Fodor: Ich mag Struktur und geregelte Abläufe, aber auch einen persönlichen Bezug zu den Menschen, mit denen ich arbeite. Weil ich fachlichen Austausch mag und gern im Team mit anderen Berufsgruppen und verschiedenen Fachrichtungen zusammenarbeite, habe ich mich für eine Krankenhauskarriere entschieden. Reibereien sind in einer Klinik nicht immer zu vermeiden, aber es überwiegt bei Weitem das Positive bei der Teamarbeit. Viele Kolleginnen und Kollegen haben meinen beruflichen Weg positiv beeinflusst.

Wie lautet der beste Rat, den Sie auf Ihrem Karriereweg bekommen haben?

PD Dr. Marion Mühldorfer-Fodor: Während meiner handchirurgischen Weiterbildung habe ich den Rat bekommen, mich aktiv mit anderen Kliniken und handchirurgischen Abteilungen auszutauschen und Verbindungen zu knüpfen. Seither habe ich viele Hospitationen und Fellowships absolviert, mich in Fachgesellschaften eingebracht sowie Kontakte auf Kongressen und Kursen gesucht. Dabei lernte ich viel Fachliches, sammelte gute Ratschläge und Ideen, aber ich habe auch über das Berufliche hinaus Freunde gewonnen. Das hat mein Berufsleben bereichert und mein fachliches Repertoire erweitert. Als Tipp sei angemerkt, dass viele Fachgesellschaften und Interessensverbände schon für Studierende und Ärztinnen und Ärzte in Ausbildung attraktive Angebote bieten. Die Gemeinschaft motiviert und eröffnet neue Möglichkeiten.

Was schätzen Sie an anderen Menschen am meisten?

PD Dr. Marion Mühldorfer-Fodor: Ich mag Offenheit, eine positive Grundhaltung, Ehrlichkeit, und alles am besten humorvoll verpackt.

Was treibt Sie an?

PD Dr. Marion Mühldorfer-Fodor: Meine breit gefächerten Interessen motivieren mich immer wieder zu neuen Aufgaben. Aber eine gewisse Rastlosigkeit ist auch Teil meines Charakters. Mir fällt es schwer, eine Herausforderung, die mich reizt, ungenutzt vorbeiziehen zu lassen.

Mit wem würden Sie gern einmal einen Abend verbringen?

PD Dr. Marion Mühldorfer-Fodor: Als eines der großen Genies der Menschheit bewundere ich Leonardo da Vinci. Völlig losgelöst von Vorstellungen und Zwängen seiner Zeit hat er nach neuen Erkenntnissen gesucht und versucht, Grenzen des Machbaren zu überwinden. Viele seiner Visionen waren retrospektive gesehen realistisch. Was er wohl sagen würde, wie weit es die Menschheit bis heute gebracht hat? Könnte er verstehen, woran wir bis heute gescheitert sind und warum? Ich stelle mir vor, dass ich mit ihm gleichermaßen über Gott und die Welt, aber auch das Essen auf dem Tisch philosophieren könnte.

Was raten Sie jungen Ärztinnen und Ärzten?

PD Dr. Marion Mühldorfer-Fodor: Ich möchte junge Kolleginnen und Kollegen motivieren, ehrgeizig im Beruf zu sein. Ich finde es schade, wenn schon beim Berufseinstieg mehr auf die Work-Life-Balance geachtet wird als darauf, berufliche Ziele zu verwirklichen. Der Beruf sollte ein wichtiger Teil des Lebens sein, nicht Konkurrenz dazu. Ich hoffe, ich kann Begeisterung für meinen Beruf vorleben, aber der entscheidende Funke muss von den jungen Ärztinnen und Ärzten selbst ausgehen.

Wie gelingt Ihnen eine gesunde Work-Life-Balance?

PD Dr. Marion Mühldorfer-Fodor: Ich glaube, von außen betrachtet könnte man mir eine mangelnde Work-Life-Balance vorwerfen …. Außerhalb meiner Klinik-Tätigkeit habe ich viele Projekte, die mit Beruf und Karriere zu tun haben und die auch Zeit fordern. Aber solange mir diese Aktivitäten Spaß machen, möchte ich darauf vorerst nicht verzichten. Ansonsten versuche ich meine freie Zeit möglichst sinnvoll im Sinne von „Quality time“ zu nutzen, dabei liegt mein Fokus auf meiner Familie.

Woran mangelt es dem deutschen Gesundheitssystem?

PD Dr. Marion Mühldorfer-Fodor: In Deutschland werden zu wenig Ärztinnen und Ärzte ausgebildet. Meines Wissens wurden die Medizinstudienplätze nach der Wiedervereinigung Deutschlands um fast ein Drittel gekürzt und somit mehr als 25 Jahre lang weniger Ärztinnen und Ärzte ausgebildet als früher. Mir scheint, dass dieser Kürzung zu spät gegengesteuert wurde, obwohl die demographische Entwicklung vorhersehbar war. Des Weiteren wird die Medizin nicht nur durch aufwändige, moderne Behandlungsverfahren oder den demographischen Wandel verteuert. Besonders bitter finde ich die enormen Ausgaben für endlose Zertifizierungen und vermehrten Dokumentationsaufwand. Durch diese Kosten sind auch viele Implantate und Instrumente vom Markt verschwunden, die schwierig zu ersetzen sind und die noch vorhandene Produkte teurer machen.

Wann sind Sie glücklich?

PD Dr. Marion Mühldorfer-Fodor: Ich bin mit einem sonnigen Gemüt gesegnet: Es macht mich glücklich, eine wunderbare Familie und Freunde zu haben. Uns geht es im Wesentlichen gut, im Gegensatz zu Menschen, die in Krieg, in Unterdrückung oder bitterer Armut leben müssen. Mein Beruf erfüllt mich und ich bin dankbar dafür, was ich bisher erreicht habe. Mir ist bewusst, dass mein beruflicher Werdegang in weiten Teilen der Erde für mich in dieser Form nicht möglich gewesen wäre.

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