PD Dr. Stengel: „Ganz elementar ist, sich zu zeigen und Netzwerke zu knüpfen“

10 Mai, 2024 - 08:03
Dr. Sabine Glöser
Köpfe und Karriere: PD Dr. Miriam Stengel
Priv.-Doz. Dr. med. Miriam Stengel ist seit 1. Januar 2024 Chefärztin der Medizinischen Klinik am SRH Klinikum Sigmaringen.

Über wichtige Erfahrungen, gewonnene Einsichten und ausgefallene Wünsche spricht aerztestellen.de mit erfolgreichen Ärztinnen und Ärzten. Dieses Mal stellt sich Priv.-Doz. Dr. med. Miriam Stengel unseren Fragen. Sie ist seit 1. Januar 2024 Chefärztin der Medizinischen Klinik am SRH Klinikum Sigmaringen.

Frau Dr. Stengel, warum eigentlich sind Sie Fachärztin für Innere Medizin und Gastroenterologie geworden?

PD Dr. Miriam Stengel: Von allen Themen im Studium interessierte mich das Verdauungssystem immer am meisten. Besonders spannend fand ich die physiologischen Aspekte und das Zusammenspiel von Hormonen. Meine Entscheidung bestätigte sich spätestens mit dem Physiologie-Praktikum, als ich bei meinem ersten Prüfungsversuch zum Thema Herz durchfiel. Auch die Viszeralchirurgie reizte mich lange. Meine Großmutter war Viszeralchirurgin auf dem Land, wodurch ich schon früh in meinem Leben beim Abendessen immer von interessanten Fällen hörte. Aufgrund der körperlichen Belastung entschied ich mich dann jedoch für die Innere Medizin und Gastroenterologie. Heute sind sowohl Viszeralchirurgie als auch Gastroenterologie in der Viszeralmedizin vereint.

Was ist für Sie unabdingbar, damit Sie gut arbeiten können?

PD Dr. Miriam Stengel: Im Laufe der Jahre ist mir eine freie und flexible Einteilung meiner Arbeitszeit immer wichtiger geworden. Das merkte ich bereits zu Zeiten meiner Weiterbildung. Daher schätze ich es umso mehr, dass ich heute selbst festlege, wann ich was erledige. Für mich zählt der Gedanke, dass die Arbeit bis zur Deadline gemacht ist. Wie man das bewerkstelligt, legt jede und jeder für sich selbst fest. Darüber hinaus schätze ich die Kompetenz der anderen Berufsgruppen und den gemeinsamen Austausch. Es bringt mich weiter, die Standpunkte der anderen zu erfahren und in meine Überlegungen einzubeziehen.

Wie lautet der beste Rat, den Sie auf Ihrem Karriereweg bekommen haben?

PD Dr. Miriam Stengel: Einer meiner liebsten Ratschläge stammt von meiner Postdoc-Mentorin, Frau Professorin Yvette Taché. Sie ist eine großartige Wissenschaftlerin und fokussierte Frau, die ihre Karriere als frühe Witwe und Mutter von zwei Kindern in den 80er Jahren in den USA vorantrieb. Als Schülerin von Hans Selye ist sie eine Ikone der Stressforschung. Sie sagte immer: „Don’t be a No-Show.“ Damit meinte sie, dass es unabdingbar ist, zu wichtigen Terminen, Feiern oder Vorträgen zu gehen. Auch wenn die Zeit knapp ist, so ist dies ganz elementar, um sich zu zeigen und Netzwerke zu knüpfen. Selbst wenn es nur für ein kurzes Hallo reicht, ist es keine Option nicht hinzugehen.

Was schätzen Sie an anderen Menschen am meisten?

PD Dr. Miriam Stengel: Dazu würde ich Ehrlichkeit, Professionalität und Menschlichkeit zählen. Gerade in unserem Beruf müssen wir menschlich sein und bleiben – nicht nur gegenüber Patientinnen und Patienten, sondern auch gegenüber unseren Mitarbeitenden.

Was treibt Sie an?

PD Dr. Miriam Stengel: Ich habe für mich entschieden, dass ich etwas in der Welt bewirken will. Ich möchte mit den Mitteln, die mir zur Verfügung stehen, Spuren hinterlassen. Es ist mir wichtig, stetig Prozesse zu hinterfragen und zu verbessern. Anderen zu helfen oder eine Freude zu bereiten, treibt mich nicht nur an, sondern macht mich auch glücklich.

Mit wem würden Sie gern einmal einen Abend verbringen?

PD Dr. Miriam Stengel: Ich würde mich gern mal mit den beiden Schauspielern Charly Hübner und Lars Eidinger unterhalten.

Was raten Sie jungen Ärztinnen und Ärzten?

PD Dr. Miriam Stengel: Stay positive! Setzt Euch Ziele, habt diese immer vor Augen und verfolgt sie hartnäckig. Manchmal führen auch Umwege zum Ziel, daher lohnt es sich, auch zwischendurch mal abzubiegen. Lernt, Aufgaben in Eurem Tagesablauf zu priorisieren. Schätzt alle Berufsgruppen um Euch herum und behandelt sie freundlich und mit Wertschätzung. Bildet Euch regelmäßig fort. Übt Gesprächsführung.

Wie gelingt Ihnen eine gesunde Work-Life-Balance?

PD Dr. Miriam Stengel: Ob ich immer eine gesunde Work-Life-Balance habe, weiß ich nicht. Mein Mann und ich sind beide voll berufstätig und in Führungspositionen. Wir haben drei Töchter. Da bleibt nicht viel Me Time übrig. Dennoch versuchen wir, die Zeit, die wir haben, sinnvoll und vor allem mit den Kindern zu nutzen. Mit den Jahren haben sich meine Ansprüche an die Gestaltung meiner Freizeit verändert. Hauptsache, die Familie ist zusammen.

Woran mangelt es dem deutschen Gesundheitssystem?

PD Dr. Miriam Stengel: Ich fände es sinnvoll, ambulante und stationäre Leistungen besser zu verknüpfen. Die Unterscheidung, was wie abgerechnet wird, bindet viele Ressourcen und ist zudem ausnutzbar, wenn man das System kennt. Die Bürokratisierung nimmt Überhand. Leistungen, wie das ärztliche Gespräch, sind gegenüber der apparativen Diagnostik nicht ausreichend vergütet, was zu Fehlanreizen führt. Dringend gebraucht werden mehr ambulante und stationäre Pflegeplätze.

Wann sind Sie glücklich?

PD Dr. Miriam Stengel: Ich bin immer glücklich. Wenn ich merke, dass ich unglücklich werde, muss ich etwas verändern.

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