Prof. Dr. Krackhardt: „Faszinierend an der Onkologie ist die Interdisziplinarität!“

7 Dezember, 2023 - 07:40
Dr. Sabine Glöser
Köpfe und Karriere: Prof. Dr. Angela Krackhardt
Prof. Dr. med. Angela Krackhardt ist seit 1. Mai 2023 Chefärztin der Medizinischen Klinik I mit den Fachgebieten Hämatologie/Onkologie, Pneumologie und Diabetologie des Malteser Krankenhauses St. Franziskus-Hospital in Flensburg.

Über wichtige Erfahrungen, gewonnene Einsichten und ausgefallene Wünsche spricht aerztestellen.de mit erfolgreichen Ärztinnen und Ärzten. Dieses Mal stellt sich Prof. Dr. med. Angela Krackhardt unseren Fragen. Sie ist seit 1. Mai 2023 Chefärztin der Medizinischen Klinik I mit den Fachgebieten Hämatologie/Onkologie, Pneumologie und Diabetologie des Malteser Krankenhauses St. Franziskus-Hospital in Flensburg.

Frau Professorin Krackhardt, warum eigentlich haben Sie sich auf die Onkologie spezialisiert?

Prof. Dr. Angela Krackhardt: Mein großes Interesse gilt seit Jahren der Immunonkologie. Auf diesem Gebiet habe ich mich Anfang der neunziger Jahre promoviert, zu einer Zeit, als die Immuntherapie noch in weiten Kreisen der Hämatologie/Onkologie belächelt wurde. Die Immunonkologie beschäftigt sich mit der Interaktion des Immunsystems und der Entstehung, Progression und Bekämpfung von Krebserkrankungen und nutzt diese Erkenntnisse für die Entwicklungen neuartiger Therapien. Die Komplexität auf diesem Gebiet ist enorm und die vielfältigen Fähigkeiten unseres Immunsystems sind faszinierend.

Faszinierend an der Onkologie ist zudem die Interdisziplinarität. Sie eröffnet Möglichkeiten, voneinander zu lernen und im Team das Beste für die Patienten zu erreichen. Das ist für mich eine große Motivation. Wesentlich war und ist für mich immer, Menschen zu helfen. Menschen mit einer Krebserkrankung sind oft lebensbedrohlich erkrankt und in großer Not. Betroffene haben viele komplexe Bedürfnisse. Eine rein medizinisch gedachte Unterstützung reicht oft nicht aus. Es kommt auf eine interdisziplinäre und meist personalisierte Unterstützung an, um Patienten in ihrer individuellen Situation optimal zu helfen. Wenn wir diese Herausforderung meistern und die Not lindern können, auch wenn eine Heilung möglicherweise nicht gelingt, erfüllt mich das mit Freude. Häufig lerne ich viel von meinen Patienten, die während ihrer Erkrankung menschlich wachsen, und das stärkt mich wiederum auf meinem Weg.

Was ist für Sie unabdingbar, damit Sie gut arbeiten können?

Prof. Dr. Angela Krackhardt: Wesentlich sind für mich ein professionelles Arbeitsumfeld mit klaren Strukturen, ein respektvoller Umgang miteinander, der nicht hierarchiegebunden sein sollte, Konzentration auf die Aufgaben, Zuverlässigkeit und eigenverantwortungsvolles Handeln. Dazu gehören aber auch Transparenz, Ehrlichkeit, der offene Umgang mit Fehlern, eine positive Arbeitseinstellung und Humor. Das lebendige Bewusstsein um eigene sowie allgemeine Grenzen und Limitationen können helfen, diese auch immer wieder in Frage zu stellen und im positiven Sinne zu überwinden.

Wie lautet der beste Rat, den Sie auf Ihrem Karriereweg bekommen haben?

Prof. Dr. Angela Krackhardt: Das zu tun, was mir wirklich wichtig ist, und mich möglichst mit Menschen zu umgeben, die gleichgesinnt sind und mich auf diesem Weg bestärken.

Was schätzen Sie an anderen Menschen am meisten?

Prof. Dr. Angela Krackhardt: Zuverlässigkeit, Sorgfalt, Reflexions- und Diskursfähigkeit, Handeln und Entscheiden auf der Basis umfassenden Wissens, Ehrlichkeit, Empathie, Neugier und Mut.

Was treibt Sie an?

Prof. Dr. Angela Krackhardt: Erkenntnishaftigkeit, Freude am Gestalten, Spiritualität.

Mit wem würden Sie gern einmal einen Abend verbringen?

Prof. Dr. Angela Krackhardt: Oh, da gibt es viele, dazu gehören Dorothee Sölle, Michel de Montaigne sowie die lebendigen und couragierten Musikerinnen des Mãhbãnoo Ensembles aus dem Iran, um nur wenige zu nennen.

Was raten Sie jungen Ärztinnen und Ärzten?

Prof. Dr. Angela Krackhardt: Suchen Sie sich eine erfüllende Aufgabe und erarbeiten Sie sich diese mit Leidenschaft. Schauen Sie den Menschen ins Auge und hören Sie auf die eigene Intuition. Versuchen Sie so viel wie möglich zu lernen. Bleiben Sie offen für Veränderungen.

Wie gelingt Ihnen eine gesunde Work-Life-Balance?

Prof. Dr. Angela Krackhardt: Den Begriff der Work-Life-Balance finde ich schwierig. Er hört sich beinahe so an, als ob die Arbeit nicht zum Leben gehört. Ich glaube, dass Menschen die gesellschaftlichen und individuellen Erwartungen an eine gute Work-Life-Balance unterschiedlich auffassen. Das hat viel mit selbstbestimmtem Arbeiten zu tun und dem Sinn, den man in seiner Arbeit sucht und findet. Natürlich ist es wichtig, vor lauter Arbeit keinen Burn-out zu erleben und den Anforderungen, die man neben seiner beruflichen Tätigkeit hat, zum Beispiel Kinderbetreuung, gerecht werden zu können. Vor allem muss es möglich sein, die eigenen Energiespeicher aufzutanken. Meine Arbeit ist ein wichtiger Teil meines Lebens, aus dem ich viel Kraft schöpfe. Eine gute Balance, die ich nicht in Stunden berechnen kann, sehe ich in einer Lebenssituation, die berufliche Erfüllung, sinnvolles Arbeiten, ein erfüllendes Leben in der Familie, Wahrnehmung von Verpflichtungen im Privaten und ein Auftanken der eigenen Energiespeicher erlaubt. Diese Balance muss jede und jeder für sich immer wieder neu ausrichten. Das ist eine Lebensaufgabe, sie gelingt mal besser, mal schlechter.

Woran mangelt es dem deutschen Gesundheitssystem?

Prof. Dr. Angela Krackhardt: Ich denke, dass es dem deutschen Gesundheitssystem an Ehrlichkeit und Transparenz mangelt. Darüber hinaus wird es von Bürokratie und Formalismus erdrückt. Das System verspricht eine nicht limitierte perfekte Patientenversorgung, aber kann diese schon lange nicht mehr leisten. Die Kosten, insbesondere für neue Therapien, sind erdrückend. Die geplanten Reformen sind sicher gut gemeint, setzen aber oft nicht an der Wurzel der Probleme an.

02.10.2024, Marienhaus Klinikum St. Elisabeth Saarlouis
Saarlouis
27.09.2024, Pius-Hospital Oldenburg
Oldenburg

Zum Beispiel sollten Ärzte bei der Überlegung, was sie ihren Patienten empfehlen, nicht im Hinterkopf haben, ob sie die Zahlen noch erfüllen, sondern was für ihre Patienten am besten ist. Auch nehmen komplexe Sachverhalte und Therapieverfahren in der Medizin zu und dadurch bedingte schwierige Entscheidungen. Wir benötigen daher flexible Module, die uns helfen, personalisierte Therapieentscheidungen zu treffen. Darüber hinaus ist eine stärkere Berücksichtigung ethischer Aspekte unabdingbar. Nötig ist ein offener gesellschaftlicher Diskurs über die Frage, was wir uns leisten können und wollen und wo wir Grenzen des menschlichen Lebens und des medizinischen Fortschritts akzeptieren. Die Frage nach dem Gewinn an Lebensjahren und Lebensqualität ist ein Aspekt, der gerade in meinem Fachbereich priorisiert berücksichtigt werden sollte. Weniger zentral sehe ich manche teuren Medikamente, die zwar eine Verlängerung des progressionsfreien Überlebens versprechen, ohne dass jedoch die Lebensqualität oder das Gesamtüberleben verbessert werden. Dafür sollte auch die pharmazeutische Industrie ihre Mitverantwortung tragen.

Wann sind Sie glücklich?

Prof. Dr. Angela Krackhardt: Ich bin glücklich im gemeinsamen konstruktiven Arbeiten für das Wohl der Patienten, in Zeiten, die ich mit meiner Familie und meinen Freunden verbringe und in Zeiten, die ich in der Natur verbringe.

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