Prof. Dr. Schewe: „Die Onkologie ist ein Fach am Puls der Zeit“

3 Februar, 2022 - 10:25
Dr. Sabine Glöser
Köpfe und Karriere: Prof. Dr. Denis Schewe
Prof. Dr. med. Denis Schewe ist seit dem 1. November 2021 Klinikdirektor der Universitätskinderklinik Magdeburg.

Über wichtige Erfahrungen, gewonnene Einsichten und ausgefallene Wünsche spricht aerztestellen.de mit erfolgreichen Ärztinnen und Ärzten. Dieses Mal stellt sich Prof. Dr. med. Denis Schewe unseren Fragen. Er ist seit dem 1. November 2021 Klinikdirektor der Universitätskinderklinik Magdeburg.

Herr Prof. Dr. Schewe, warum eigentlich haben Sie sich auf die pädiatrische Onkologie spezialisiert?

Prof. Dr. Denis Schewe: Die Onkologie ist das schönste Fach in der Medizin, da sie von Natur aus interdisziplinär ist. Zusammenarbeit mit anderen hat die höchste Priorität. Denn in der Regel tut sich der beste Weg für unsere Patientinnen und Patienten nur mit gemeinsamen Entscheidungen auf. Weiterhin ist die Onkologie ein Fach am Puls der Zeit. In kaum einem anderen Fach werden neue Therapien schneller in die Realität überführt. Für die Kinderonkologie habe ich mich entschieden, weil Kinder grundsätzlich immer gesund werden wollen. Kinder, Familien und Behandlungsteams ziehen an einem Strang.

Was ist für Sie unabdingbar, damit Sie gut arbeiten können?

Prof. Dr. Denis Schewe: Für mich ist ein funktionierendes Team die Voraussetzung für gute Arbeit. Ein wertschätzendes Miteinander in alle Richtungen erzeugt Motivation – das ist die Voraussetzung für Veränderungsprozesse zum Besseren.

Wie lautet der beste Rat, den Sie auf Ihrem Karriereweg bekommen haben?

Prof. Dr. Denis Schewe: Ein geschätzter Kollege sagte mir nach seiner Emeritierung, er sei angetreten, um die Welt zu verändern, besser zu machen, doch am Ende habe er sich damit zufriedengeben müssen, ein paar Spuren zu hinterlassen. Ich denke, das stimmt. Doch wünsche ich mir, dass meine Spuren sichtbar bleiben und meine Anwesenheit Menschen gutgetan hat – sowohl den Teams, in denen ich gearbeitet habe, als auch und vor allem meinen Patientinnen und Patienten.

Was schätzen Sie an anderen Menschen am meisten?

Prof. Dr. Denis Schewe: Ehrlichkeit und Geradlinigkeit. Ich schätze es auch, wenn Menschen ihre Versprechen einhalten.

Was treibt Sie an?

Prof. Dr. Denis Schewe: Ich bin ein Freund von Veränderungsprozessen. Die Medizin ist so dynamisch, dass es eigentlich kein Verharren in starren Strukturen geben darf. „Das haben wir schon immer so gemacht“, ist ein Satz, den ich häufig höre. Dann fange ich immer an zu hinterfragen. Ich hoffe auch, meine neue Position nutzen zu können, um Kindermedizin für ein Flächenland gemeinsam mit allen Beteiligten in der Patientenversorgung, bei den Kostenträgern und in der Politik neu zu denken. Wir suchen in Magdeburg auch Menschen, die diesen Weg mitgehen wollen.

Mit wem würden Sie gern einmal einen Abend verbringen?

Prof. Dr. Denis Schewe: Anfang 2020, kurz vor dem Corona-Lockdown, habe ich eine wunderbar sorglose Party mit Freunden, Familie und Kollegen gefeiert. Das will ich wieder tun, wenn diese Pandemie vorbei ist. Ansonsten natürlich mit meiner Frau, ohne dass eines unserer Kinder nicht schlafen will, schreit oder fiebert.

Was raten Sie jungen Ärztinnen und Ärzten?

Prof. Dr. Denis Schewe: Entscheiden Sie sich für ein Fach, das Ihnen wirklich Spaß macht. Versuchen Sie immer über Ihren eigenen Tellerrand hinaus zu schauen. Seien Sie sich niemals sicher, dass Ihre Entscheidung die einzig richtige ist und bleiben Sie wachsam, auch in der täglichen Routine. Und zuletzt: Der Patient hat ein Stimm- und Vetorecht, manchmal will ein Patient es ganz anders haben als unser medizinisch denkender Kopf es für richtig hält.

Wie gelingt Ihnen eine gesunde Work-Life-Balance?

Prof. Dr. Denis Schewe: Ich bin mir nicht sicher, ob mir das immer gelingt. Ich versuche, ein paar Abende in der Woche Sport zu treiben und ausreichend Zeit mit meiner Familie zu verbringen. Musik ist auch ein schöner Ausgleich.

Woran mangelt es dem deutschen Gesundheitssystem?

Prof. Dr. Denis Schewe: Ich denke, wir haben in Deutschland grundsätzlich ein gutes Gesundheitssystem. Aus meiner Sicht mangelt es aber an guten Konzepten für die Ausbildung in Pflegeberufen. In fast allen Kliniken gibt es Bettensperren aufgrund fehlender Pflegekräfte. Das ist ein Versorgungsdesaster und maximal unwirtschaftlich. Ich denke, dass der Pflegekräftemangel die wahrscheinlich größte Gefährdung ist für den Fortbestand eines qualitativ hochwertigen Gesundheitssystems. Es reicht nicht, Untergrenzen festzulegen oder Weiterbildungsquoten für die Erfüllung von Strukturmerkmalen zu fordern. Fördern statt fordern wäre mein Vorschlag. Weiterhin bedarf es einer klugen und vorausschauenden Krankenhausplanung. Gerade Kinderkliniken in ländlichen Regionen sterben aus oder sind vom Aussterben bedroht, da qualifiziertes Personal kaum mehr zu gewinnen ist. Die Förderung digitaler Kooperationsmodelle und Zusammenschlüsse von Kliniken unabhängig von Ihrer Trägerschaft sollten oberste Priorität haben.

Wann sind Sie glücklich?

Prof. Dr. Denis Schewe: Wenn ein Kind nach einer langen Therapie gesund nach Hause gehen kann, wenn ein Kind in die Kamera lacht, weil es telemedizinisch versorgt werden kann und nicht ins Krankenhaus muss, wenn wir wissenschaftliche Fortschritte machen und ich daran beteiligt sein konnte. Und privat bin ich glücklich, wenn ich Zeit mit meiner Familie und meinen Kindern verbringen darf.

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