
Über wichtige Erfahrungen, gewonnene Einsichten und ausgefallene Wünsche spricht aerztestellen.de mit erfolgreichen Ärztinnen und Ärzten. Dieses Mal stellt sich Prof. Dr. med. Stefan Verlohren unseren Fragen. Er ist seit 1. September 2024 Direktor der Klinik und Poliklinik für Geburtshilfe und Pränatalmedizin des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE).
Herr Professor Verlohren, warum eigentlich sind Sie Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe geworden?
Prof. Dr. Stefan Verlohren: Im Studium hatte ich ein sehr gutes Blockpraktikum in der Gynäkologie und Geburtshilfe. Vor allem die Pränataldiagnostik begeisterte mich sofort. Promoviert habe ich dann zwar in der Nephrologie und absolvierte dort auch ein PJ-Tertial. Aber währenddessen stellte ich fest, dass mich das rein internistische Arbeiten nicht vollständig erfüllt. Ausschließlich im OP wollte ich aber auch nicht stehen. Also habe ich nach einer Mischung gesucht und diese in der Geburtshilfe gefunden. Dort gibt ist einerseits die Pränataldiagnostik, die intellektuell extrem herausfordernd ist und andererseits die Betreuung von Risikoschwangerschaften, die internistisch oft hoch spannende Fälle wie die Präeklampsie bietet. In diesem Bereich habe ich viel geforscht. Und schließlich umfasst der Bereich die praktische Geburtshilfe, die schnelle Entscheidungen erfordert und die praktische, operative Tätigkeit umfasst. Diese Mischung war für mich perfekt – und ist es bis heute.
Was ist für Sie unabdingbar, damit Sie gut arbeiten können?
Prof. Dr. Stefan Verlohren: Ein Team aus Ärztinnen und Ärzten, Hebammen und Pflegekräften, auf das ich mich verlassen kann und Geburtshilfe mit der gleichen Passion betreibt wie ich. Geburtshilfe ist extrem herausfordernd mit oft hohen Belastungsspitzen in den Diensten, wenn der Kreißsaal voll ist. Das muss man lieben und das geht nur mit einer hohen intrinsischen Motivation.
Wie lautet der beste Rat, den Sie auf Ihrem Karriereweg bekommen haben?
Prof. Dr. Stefan Verlohren: Der beste Rat war, immer meinen eigenen Weg zu gehen. Widerstände gehören dazu, und wenn sie am größten sind, weiß man, dass man auf dem richtigen Weg ist.
Was schätzen Sie an anderen Menschen am meisten?
Prof. Dr. Stefan Verlohren: Ehrlichkeit, Verlässlichkeit und Offenheit. Vor allem Ehrlichkeit und Verlässlichkeit sind unabdingbar für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. Geburtshilfe ist ein Hochrisikobereich, da muss man sich blind auf sein Team verlassen können. Die Offenheit für Neues, Freundlichkeit im Umgang und Neugier sind Tugenden, die ich insgesamt schätze.
Was treibt Sie an?
Prof. Dr. Stefan Verlohren: Ich versuche immer besser zu werden: bessere Entscheidungen zu fällen, ein besserer Arzt zu sein und immer dazuzulernen.
Mit wem würden Sie gern einmal einen Abend verbringen?
Prof. Dr. Stefan Verlohren: Angela Merkel. Ihre Führungsqualitäten und ihr moralischer Kompass haben mich immer beeindruckt.
Was raten Sie jungen Ärztinnen und Ärzten?
Prof. Dr. Stefan Verlohren: Lasst Euch von Euren Interessen, von Eurer Passion leiten und verfolgt Euren eigenen Weg, einen anderen gibt es nicht. Forscht! Wenn Ihr die Möglichkeit habt, neben Eurer klinischen Arbeit an Forschungsprojekten mitzuarbeiten, macht das. Das ist vielleicht mehr Arbeit oder verlangsamt scheinbar die klinische Ausbildung. Aber auf lange Sicht ist es immer ein Gewinn. Man muss den Facharzt nicht genau nach fünf Jahren machen. Geht lieber zwischendurch ins Ausland oder verbringt Forschungszeit im Labor. Das Arbeitsleben ist lang.
Wie gelingt Ihnen eine gesunde Work-Life-Balance?
Prof. Dr. Stefan Verlohren: Ich mache viel Sport, spiele Tennis, gehe laufen und verbringe Zeit mit meiner Familie. Das ist mir wichtig. Nach großen Belastungsspitzen tanke ich gern Energie an der Ostsee.
Woran mangelt es dem deutschen Gesundheitssystem?
Prof. Dr. Stefan Verlohren: Insgesamt steht das deutsche Gesundheitssystem gut da. Ich habe in England gearbeitet und habe daher einen guten Vergleich. In England sind die Krankenhäuser häufig überfüllt, viele Gebäude marode und die Teams teilweise überlastet. Das ist in Deutschland nicht so. Allerdings schätze ich in England die klarere Zentralisierung, insbesondere von komplexen Fällen.
Wann sind Sie glücklich?
Prof. Dr. Stefan Verlohren: Glücklich bin ich, wenn wir einen kniffligen klinischen Fall so lösen konnten, dass die Patientin und das Paar glücklich sind. Schöne Momente sind auch, wenn nach einer schwierigen Schwangerschaft oder Geburt alles gut geht und die Patientin und ihr Partner mich erleichtert anlächeln.