
Crew Resource Management (CRM), Compliance und Risikomanagement tragen zur Patienten- und Rechtssicherheit bei. Dabei geht es nicht nur darum, Vorschriften einzuhalten oder Fehler zu vermeiden. Die drei Konzepte ermöglichen eine qualitativ hochwertige, sichere und effektive Patientenversorgung.
CRM ist ein aus der Luftfahrt stammendes Trainingskonzept. Es zielt darauf ab, menschliche Fehler zu minimieren und die Teamarbeit zu verbessern. Im Krankenhauskontext umfasst CRM die effektive Kommunikation und Koordination aller Mitglieder eines medizinischen Teams, einschließlich Ärzten, medizinischen Fachkräften, aber auch Technikern und anderen Mitarbeitenden. CRM stärkt die nichttechnischen Skills, das Miteinander und die Arbeitsweise. Es fördert ein Umfeld, in dem alle Mitarbeitenden ihre Bedenken oder Meinungen äußern können, selbst wenn sie von der Meinung der Mehrheit abweichen; es fördert aber auch strukturierte Arbeitsweisen. Diese Art des gegenseitigen Umgangs trägt dazu bei, Fehler zu vermeiden und die Qualität in der Patientenversorgung zu verbessern.
Schlechte Kommunikation im Hierarchiegefälle
Die Luftfahrt lernte schnell aus früheren Fehlern. Bei Flugunfalluntersuchungen stellten die Ermittelnden vielfach einwandfreie fliegerische Fähigkeiten der Piloten fest. Mangelhaft war jedoch die Kommunikation im Hierarchiegefälle. Bedenken wurden zurückgewiesen, an Entscheidungen festgehalten. Selbst bei technischen Defekten wären Schäden vermeidbar gewesen. Der menschliche Faktor (Human Factor), einschließlich Teamwork, Aufgabenmanagement, Entscheidungsfindung und Situationsbewusstsein, wurden daher in den Mittelpunkt gerückt.
Beispiel für die Medizin: Während einer Intubationsnarkose für eine geplante OP scheitert wiederholt die Ventilation. Mit einem Tunnelblick versucht der erfahrene Anästhesist weiter zu intubieren, den Abfall der Sauerstoffsättigung des Patienten stets vor Augen. Alternative Behandlungswege ignoriert er. Die Anästhesiefachkräfte erkennen die Lage, wagen aber aufgrund der bekannt cholerischen Art des Behandlers nicht, Alternativen zu unterbreiten.
Fehlerkultur lässt sich schulen
Unternehmen und ihre Mitarbeitenden sollten offen mit Fehlern und Risiken umgehen, diese aufarbeiten, Strategien zur Fehlervermeidung entwickeln und diese in Simulationen trainieren. Menschen sind nicht fehlerfrei. Fehler lassen sich nicht verhindern, aber Schäden lassen sich durch Prävention vermeiden. Die Frage nach einem Ereignis sollte daher stets lauten: Warum ist das passiert? Wie verhindere ich weiteren Schaden? Und weniger: Wer hat das verursacht? Eine Fehlerkultur lässt sich schulen. Hinweisgeber- und Hinweisgeberschutzsysteme unterstützen die Entwicklung, doch wird der Nutzen dieser Systeme zuweilen falsch verstanden.
Dabei haften nicht nur die Ärztinnen und Ärzte bei Behandlungsfehlern deliktisch. Vielmehr liegt auch ein Organisationsverschulden nahe, wenn eine fehlerhafte Organisation des betrieblichen Ablaufs zur Haftung führt. Denn der Arbeitgeber hat die erforderlichen Strukturen zu schaffen, in denen Beschäftigte und beauftragte Personen rechtskonform arbeiten können. So können auch der Verantwortliche oder die Krankenhausführung für betriebliche Organisationsmängel im Rahmen eines Auswahl-, Anweisungs- oder Überwachungsverschuldens haften.
Compliance heißt, Regeln einzuhalten
Compliance bedeutet die Einhaltung von Regeln. Sie kann Gesetze, Vorschriften und Standards sowie unternehmensinterne Vorgaben umfassen. Compliance deckt viele Themen ab, von der Einhaltung der Hygienerichtlinien und der Patientenrechte bis hin zur korrekten Abrechnung von Versicherungsleistungen. Eine gute Compliance sowie die zugehörige Organisation tragen dazu bei, rechtliche Probleme zu reduzieren und das Vertrauen der Patienten in das Krankenhaus zu stärken. Dazu sind Ziele zu definieren, Risiken zu analysieren, eine Compliance-Organisation aufzubauen, diese zu überwachen, zu verbessern und vor allem zu kommunizieren. Auch insoweit wird von einer Compliance-Kultur gesprochen.
Zu unterscheiden von der Compliance sind bloße Risikomanagement-Systeme, die in bestimmten Bereichen gesetzlich vorgegeben sind. Sie umfassen Maßnahmen zur Erkennung, Analyse, Bewertung, Kommunikation, Überwachung und Steuerung von Risiken.
Regelmäßige Schulungen für alle Mitarbeitenden
Alle drei Konzepte, CRM, Compliance und Risikomanagement ergänzen sich. Sie tragen zu einer sichereren, effektiveren und verantwortungsvolleren Versorgung bei, wenn die Krankenhausführung und die jeweiligen Verantwortlichen sie aktiv fördern und in die täglichen Abläufe integrieren. Compliance und Risikomanagement sind grundsätzlich Pflicht. Die Frage lautet also nicht, ob beides sein muss, sondern wie beides im Arbeitsalltag der Mitarbeitenden umgesetzt wird.
Sinnvoll sind regelmäßige Schulungen für alle Mitarbeitenden, um alle auf dem aktuellen Stand zu halten. Schulungen können in Form von Workshops, Seminaren oder auch Onlinekursen angeboten werden, je nachdem, was für das Krankenhauspersonal am bequemsten und effektivsten ist. Simulationen fördern die Zusammenarbeit der Mitarbeit vor allem bei Zwischenfällen. Sie müssen allerdings auch interessant gestaltet und der Nutzen verständlich sein. Neben der Schulung sind Verfahren zu implementieren, die eine fortlaufende Überwachung und Verbesserung der Bereiche ermöglichen. Möglich ist der Einsatz von Überprüfungssystemen, die regelmäßig die Einhaltung von CRM- und Compliance-Standards bewerten. Sie müssen sich, gegebenenfalls IT-gestützt, im Alltag einfügen ohne unzählige Fragebögen und Hinweise mit Kenntnisnahme-Unterschriften nach sich zu ziehen. Die Führungsebene könnte ebenfalls an Schulungen teilnehmen, offen für Feedback sein und proaktiv Maßnahmen zur Verbesserung der Praktiken ergreifen, um ein positives Beispiel zu setzen und die Kultur der Sicherheit und Verantwortung im Krankenhaus zu fördern.
Dies alles sind kontinuierliche Prozesse, die ständige Aufmerksamkeit und Engagement fordern. Mit der richtigen Einstellung können Krankenhäuser jedoch sicherstellen, dass sie effektiv reagieren und so die Qualität und Sicherheit der medizinischen Versorgung verbessern.
Der Autor:
Dr. Andreas Staufer
Fachanwalt für IT-Recht, Fachanwalt für Medizinrecht
Staufer Kirsch GmbH
80336 München
Dtsch Arztebl 2023; 120(51-52): [2]