Krankenhausstrategie: Neue Personalkonzepte braucht das Land

14 Dezember, 2021 - 07:59
Dr. rer. pol. Thomas Hurlebaus
Personalkonzepte graphische Darstellung

Vor dem Hintergrund des sich weiter verschärfenden Fachkräftemangels im Gesundheitswesen sind neue Ansätze der Personalstrategie über alle Berufsgruppen hinweg dringend notwendig. Dabei gilt es, über den eigenen Tellerrand zu blicken, um innovative Konzepte übergreifend zu definieren und zu etablieren.

Die aktuellen politischen Überlegungen zum Ausbau integrierter regionaler Versorgungsstrukturen müssen die Interessen und Bedürfnisse der Mitarbeitenden stärker berücksichtigen, wenn sie erfolgreich sein sollen. Als wesentliches Element neuer Personalkonzepte für Ärzte bieten sowohl eine einrichtungsübergreifende Facharztweiterbildung als auch sektorübergreifende Facharztrotationen die Chance, die regionale integrierte Patientenversorgung zu sichern.

Übergreifende Facharztweiterbildung

Die Rahmenbedingungen zur Weiterbildung zum Facharzt sind in den Weiterbildungsordnungen der Länder festgelegt. Geprägt ist die Struktur durch modulare Abschnitte in der stationären und ambulanten Versorgung. Während die Häuser der Maximalversorgung die Weiterbildungen über die erforderlichen Weiterbildungsbefugnisse für den stationären Teil vollständig abdecken können, ist dies in kleineren Häusern und im ambulanten Sektor nur eingeschränkt der Fall. Sinnvoll ist daher, modular abgestimmte Konzepte zwischen den unterschiedlichen Versorgungsstufen und Sektoren für angehende Fachärztinnen und Fachärzte zu gestalten.

Neue strategische Konzepte sollen die fragmentierten Strukturen überwinden. Davon profitieren alle Akteure. Kleinere Häuser in ländlichen Regionen und Praxen erhalten Zugang zu Weiterbildungsassistenten und können häufig erst auf diesem Weg in einzelnen Bereichen eine ärztliche Weiterbildung anbieten.

29.03.2024, klinik Werk.
29.03.2024, Clienia Littenheid AG
Sirnach

Gerade Facharztpraxen erhalten so die Möglichkeit, Nachwuchskräfte zu finden und zu binden. Größere Häuser hingegen können die Weiterbildung auf Schwerpunkte konzentrieren und damit das eigene Leistungsspektrum gezielt auf schwere und komplizierte Behandlungsfälle ausrichten. Auch müssen Maximalversorger dann keine einfacheren Behandlungsfälle mehr versorgen, um die Facharztweiterbildung sicherzustellen.

Doch der Aufwand für eine einrichtungsübergreifende koordinierte Weiterbildungsplanung ist hoch und wird zusätzlich durch rechtliche Rahmenbedingungen erschwert. Schließt zum Beispiel ein Krankenhaus einen Arbeitsvertrag zur Facharztweiterbildung mit einem Arzt ab und wird der angehende Facharzt für einen Weiterbildungsabschnitt in ein anderes Haus entsandt, müssen entsprechende Kooperationsverträge zwischen den Häusern und gegebenenfalls Gehaltsausgleiche aufgrund der Regelungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes abgeschlossen werden.

Best-Practice-Modelle gibt es schon

Schon heute finden sich Best-Practice-Modelle im Bereich der Weiterbildung zum Facharzt Allgemeinmedizin. So bietet beispielsweise der Weiterbildungsverbund Carus Consilium Sachsen ein integriertes Konzept zwischen Hausarztpraxen, Krankenhäusern, Rehakliniken und niedergelassenen Fachärzten an. Einheitliche Qualitätsstandards und eine strukturierte Weiterbildung sind dabei bestimmend. Die Partner wählen gemeinsam die Weiterbildungsassistenten aus und stimmen einen integrierten Weiterbildungsplan ab. Die angehenden Fachärztinnen und Fachärzte erhalten einen qualitätsgesicherten abgestimmten Weiterbildungsplan.

Um eine attraktive und strukturierte Facharztweiterbildung sicherzustellen und damit die Attraktivität des Arztberufes zu steigern, wird für die verschiedenen Facharztqualifikationen angeregt, vermehrt einrichtungsübergreifende Konzepte zu entwickeln. Dadurch gelingt ein noch stärkerer Abgleich zwischen individuellen Kompetenzen und Wünschen der Ärztinnen und Ärzten sowie den Personalbedarfen in den einzelnen Versorgungsstufen und Sektoren. Gleichzeitig fördern solche Modelle die sektorenübergreifende Versorgung und schaffen Vertrauen und Bindung zwischen den Kooperationspartnern.

Versorgungs- und Personalstrukturen

Um die Zufriedenheit der Ärztinnen und Ärzte zu steigern und die Versorgung der Patienten effizienter zu machen, müssen künftig die Leistungsangebote der Krankenhäuser und die verfügbaren Facharztkapazitäten noch stärker aufeinander abgestimmt werden. Es gilt, dafür auch innovative Personalkonzepte zu etablieren, die Spezialisierung in Zentren voranzutreiben und eine breite Versorgung in der Fläche zu gewährleisten. Aus den Zentren heraus müssen somit auch einfachere und mittelschwere Behandlungsfälle in die Grund- und Regelversorgung verlagert werden. Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung in unattraktiven Regionen sind oft damit konfrontiert, dass sie vor erheblichen Herausforderungen stehen, Fachärzte zu gewinnen und zu binden. Eine wohnortnahe integrierte Versorgung kann aber nur funktionieren, wenn alle Häuser ausreichendes Personal haben.

Neben der Stärkung der Arbeitgeberattraktivität der einzelnen Standorte gilt es daher, neue übergreifende Personalkonzepte zu erproben. Leitungspositionen können zum Beispiel krankenhausübergreifend besetzt werden, indem beispielsweise einem Arzt in Teilzeit eine Oberarztposition im Universitätsklinikum und zugleich in Teilzeit eine Chefarztposition in einem Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung übertragen wird. Entsprechende Personalkonzepte wirken sich unmittelbar auf die Leistungssteuerung aus. Die Steuerung der Patientenströme wird stufengerecht gefördert.

Übergreifende Rotations- und Bindungskonzepte

Eine weitere Möglichkeit bieten einrichtungsübergreifende Rotations- und Bindungskonzepte. Fachärzte könnten für fest definierte Zeiträume zwischen verschiedenen Versorgungsstufen und auch Medizinischen Versorgungszentren rotieren. Über eine geschickte Steuerung und Incentivierung kann die Attraktivität des Facharztes erhöht werden. So kann die aktuell geringe berufliche Verweildauer der Ärztinnen und Ärzte auf der Facharztebene im Vergleich zur Assistenz- und Oberarztebene ausgebaut werden. Gleichzeitig würde dadurch wichtige übergreifende Kompetenz aufgebaut.

Dtsch Arztebl 2021; 118(50): [2]

Der Autor

Dr. rer. pol. Thomas Hurlebaus
Leiter Geschäftsbereich Personal und Recht
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
01307 Dresden
Mitglied im Initiativkreis neue Personalarbeit in Krankenhäusern (InPaK)

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