Auf der Baustelle oder während einer Pool-Party – immer mehr Krankenhäuser werden kreativ, wenn es um das Recruiting von Personal geht. Auffällig ist, dass solche Events meist nur für Pflegekräfte und weniger für Ärztinnen und Ärzte geplant werden. Woran liegt das? Und brauchen Ärztinnen und Ärzte tatsächlich ein anderes Rekrutierungserlebnis?
Seriosität vs. Lockerheit: Das Dilemma im Recruiting für Ärztinnen und Ärzte
Tatsache ist, dass in der Regel Chefärztinnen und -ärzte das Recruiting für Ärztinnen und Ärzte absegnen, und diese winken eine lockere Stellenanzeige oder ein Recruiting-Event nicht so einfach durch. Grund dafür ist oft die Sorge, nicht seriös genug zu wirken. Vordergründig betrachtet ist das verständlich. Immerhin ist die Arbeit oft mit schweren Verantwortlichkeiten und hohem Stress verbunden, wenn es um die Gesundheit und das Leben von Menschen geht. Das kann dazu führen, dass sich das Recruiting für Ärztinnen und Ärzte eher auf die ernsten Aspekte des Berufs fokussiert, um die Professionalität und die Bedeutung ihrer Arbeit zu betonen.
Ein weiterer Aspekt, der die Organisation von humorvollen Rekrutierungsveranstaltungen für Ärztinnen und Ärzte erschwert, ist die Sensibilität der Themen, die mit dem medizinischen Beruf einhergehen. Gesundheitsfragen und medizinische Praktiken sind ernste und oft emotionale Angelegenheiten. In diesem Kontext könnten Recruiting-Events als unangemessen oder respektlos gegenüber Patientinnen und Patienten und dem medizinischen Beruf wahrgenommen werden.
Andere Gründe könnten eher praktischer Natur sein: Ärztinnen und Ärzte haben oft einen vollen Terminkalender und wenig Freizeit, um an Events teilzunehmen. Daher ist es möglicherweise schwierig, Recruiting-Events zu organisieren, die in ihren Zeitplan passen.
Gezielte Ansprache statt Event-Recruiting
Zudem birgt die Rekrutierung von Fachkräften im medizinischen Bereich besondere Herausforderungen. Insbesondere in hochspezialisierten Fachgebieten oder abgelegenen Standorten gestaltet sich die Suche nach qualifizierten Kandidatinnen und Kandidaten oft schwierig. Oft konzentrieren sich deshalb Rekrutierungsbemühungen im Gesundheitswesen darauf, Informationen zu vermitteln und geeignete Bewerberinnen und Bewerber zu identifizieren. Anstatt auf Recruiting-Events setzen medizinische Institutionen also auf gezielte Ansprache und Information.
Traditionelle Rekrutierungsmethoden haben sich in der Vergangenheit in der medizinischen Branche bewährt und werden daher häufig bevorzugt. Dazu gehören Stellenanzeigen, Bewerbungsverfahren und Interviews, die dazu dienen, sicherzustellen, dass qualifizierte Ärztinnen und Ärzte eingestellt werden. Diese etablierten Ansätze konzentrieren sich auf die Auswahl der besten Fachkräfte und die Wahrung der Professionalität und Ernsthaftigkeit, die mit der Arbeit im Gesundheitswesen verbunden sind.
Die Herausforderungen bei der Rekrutierung von Ärztinnen und Ärzten sind vielfältig. Daher scheint es für viele Verantwortliche folgerichtig, auf bewährte Methoden zu setzen, um qualifizierte Fachkräfte zu gewinnen, ohne die ernste Natur ihrer Arbeit zu beeinträchtigen. Doch die Realität fordert ein Umdenken: Der Fachkräftemangel ist nicht nur in der Pflege, sondern auch im Ärztebereich angekommen. Um ärztliche Bewerberinnen und Bewerber für die Klinik zu begeistern, müssen sich Personalverantwortliche auf neue Methoden einlassen, denn Althergebrachtes wird nicht ausreichen, um vorhandene Vakanzen zu füllen.
Die DRK Kliniken Berlin: Ein innovativer Ansatz im Ärzterecruiting
Maja Schäfer, Leiterin Strategisches Recruitment bei den DRK Kliniken Berlin, will neue Wege gehen. „Ärztinnen und Ärzte sind auch Menschen, und wenn sie eine emotionale Stellenanzeige oder ein cooles Event sehen, fühlen sie sich davon genauso angesprochen, wie das Pflegekräfte tun.“ Seriosität und Lockerheit schließen sich nicht aus, betont sie.
Die Klinik lässt Medizinerinnen und Mediziner vor der Kamera sprechen und verwendet grundsätzlich eine duzende Ansprache in ihrem Karriereportal, unabhängig von der Berufsgruppe. Gesiezt wird sowohl bei Ärztinnen und Ärzten als auch bei Pflegekräften erst ab der Teamleitungsebene. „Da machen wir keine Unterschiede, denn das wäre kontraproduktiv für das Unternehmensimage“, sagt Schäfer.
Einheitlichkeit ist wichtig
Wer eine Arbeitgebermarke verbreiten und sich positionieren will, muss Konsequenz zeigen, so die Recruiting-Expertin. „Wenn man das für Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen auf die eine Art macht, für die Medizinerinnen und Mediziner auf eine andere und sich dann noch entschließt, für Pflegekräfte lustig zu werden, funktioniert das schlicht nicht. So kann die Marke nicht bei den Bewerberinnen und Bewerbern ankommen und sich einprägen.“
Schließlich gibt es pragmatische Gründe, das Recruiting stringent zu gestalten: Eine volle Stellenbörse rankt besser in der Suchmaschinenoptimierung, so Maja Schäfer. Legen Krankenhäuser für die verschiedenen Berufsgruppen unterschiedliche Webseiten an, weil diese vielleicht für die Pflege etwas unterhaltsamer und die medizinische Seite seriöser gestaltet sind, müssen vielleicht Abstriche bei der Auffindbarkeit der Stellenanzeigen hingenommen werden.
Zusätzlich sollten Krankenhäuser bedenken, dass interprofessionelle Zusammenarbeit und Gleichberechtigung innerhalb ihrer Teams im Krankenhaus gefördert werden sollten. Wenn im Recruiting gravierende Unterschiede etabliert werden, kann dies später zu Problemen führen, die schwer zu erklären sind und die Teamarbeit beeinträchtigen könnten.