MB-Monitor 2022: Belastende Arbeitsbedingungen für Ärztinnen und Ärzte

12 August, 2022 - 08:16
Stefanie Hanke
Erschöpfte Ärzte im Krankenhaus

Steigender Druck, zu viel Bürokratie, zu wenig Digitalisierung, fehlende Wertschätzung: Viele Ärztinnen und Ärzte fühlen sich in ihrem Beruf stark belastet. Das geht aus dem MB-Monitor 2022, der Mitgliederbefragung des Marburger Bundes hervor. Besonders erschreckend: Ein Viertel der angestellten Ärztinnen und Ärzte denkt darüber nach, den Beruf zu wechseln.

31 Prozent der Befragten haben aus der Arbeitssituation schon Konsequenzen gezogen und sich zugunsten einer besseren Work-Life-Balance entschieden, die Arbeitszeit zu reduzieren. Im Vergleich zur letzten Befragung im Jahr 2019 ist der Teilzeit-Anteil deutlich gestiegen: Damals arbeiteten 26 Prozent der Ärztinnen und Ärzte in Teilzeit, 2013 waren es sogar nur 15 Prozent. Trotzdem weicht die tatsächliche Arbeitszeit noch immer stark von der gewünschten Arbeitszeit ab. 57 Prozent der Ärztinnen und Ärzte arbeiten pro Woche inklusive Überstunden und Dienste 49 Stunden oder mehr. Zwei Prozent der Befragten kommen sogar auf eine wöchentliche Arbeitszeit von mehr als 79 Stunden.

Grafik "Wochenarbeitszeit bei Ärztinnen und Ärzten" zum Download (jpg, 166 kB)

Auch die Zahl der geleisteten Überstunden bleibt weiterhin hoch: Im Durchschnitt sind es für jeden Arzt und jede Ärztin 6,2 Stunden in der Woche. 20 Prozent der Befragten leisten sogar mehr als 10 Überstunden pro Woche. Etwa die Hälfte der Befragten bekommt die Überstunden in Form von Freizeit ausgeglichen, bei einem Viertel wird die zusätzliche Arbeitszeit vergütet. 26 Prozent der Befragten bekommen allerdings gar keinen Ausgleich für geleistete Mehrarbeit. Immerhin: Seit der letzten Befragung 2019 hat sich etwas bewegt, was die Erfassung der Arbeitszeit betrifft. In 48 Prozent der Fälle wird die Arbeitszeit inzwischen elektronisch erfasst – das sind vier Prozentpunkte mehr als vor drei Jahren. 29 Prozent der Befragten gaben allerdings an, dass überhaupt keine Erfassung der Arbeitszeit stattfindet.

Gleichzeitig ist der Zeitaufwand für administrative Aufgaben wie Datenerfassung und Dokumentation nach wie vor hoch. Im Durchschnitt liegt er bei drei Stunden pro Tag. 32 Prozent der angestellten Ärztinnen und Ärzte schätzen den Zeitaufwand für Verwaltungstätigkeiten und Organisation sogar auf mindestens vier Stunden täglich. Diese Zeit fehlt bei der Versorgung von Patientinnen und Patienten  – ein Faktor, der stark zur Unzufriedenheit der Befragten beiträgt.

Ein weiterer Punkt ist die häufig schlechte personelle Besetzung in den Kliniken. In einigen Häusern wurde in den vergangenen zwei Jahren sogar Personal entlassen: Auf die Frage „Gab es in den zurückliegenden zwei Jahren der Pandemie einen Abbau ärztlicher Stellen in Ihrer Einrichtung?“ antworteten 34 Prozent der Ärztinnen und Ärzte mit „ja“ und 48 Prozent mit „nein“. 18 Prozent wussten die Frage nicht zu beantworten.

Kein Wunder, dass zwei Drittel der Befragten die personelle Besetzung ihrer Arbeitsstätte „eher schlecht“ (46 Prozent) oder „schlecht“ (20 Prozent) einschätzen. Diese Arbeitsbedingungen führen dazu, dass etwa 25 Prozent der Befragten darüber nachdenken, den Arztberuf ganz an den Nagel zu hängen.

Grafik "Arztberuf aufgeben?" zum Download (jpb, 85 kB)

Zum ersten Mal wurde für den MB-Monitor auch abgefragt, wie zufrieden die angestellten Ärztinnen und Ärzte mit der IT-Ausstattung ihres Arbeitsplatzes sind. Das Ergebnis: Zwei Drittel der Befragten sind damit „eher unzufrieden“ (42 Prozent) oder „unzufrieden“ (24 Prozent). Nur ein Drittel ist mit der IT-Ausstattung mehr oder weniger zufrieden. Ein Kritikpunkt: Bei der Anschaffung neuer Systeme werde häufig keine Rücksicht auf die Bedürfnisse von Ärztinnen und Ärzten genommen, heißt es im MB-Monitor. Dadurch entstehen neue Probleme bei der Anwendung: Die Hälfte der Befragten gibt an, dass Mehrfacheingaben identischer Daten „gelegentlich“ vorkommen, bei rund einem Drittel (32 Prozent) ist das sogar „häufig“ der Fall, bei 18 Prozent „selten“.

An der Online-Befragung vom 20. Mai bis 19. Juni 2022 nahmen insgesamt 8.464 angestellte Ärztinnen und Ärzte aus allen Bereichen des Gesundheitswesens teil. Davon arbeiten knapp 90 Prozent in Akutkrankenhäusern und Reha-Kliniken, 6 Prozent sind ambulant in Praxen und MVZ tätig.

Quelle: MB-Monitor 2022, Marburger Bund

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