MB-Monitor 2024: Arbeitsbelastung von Ärztinnen und Ärzten auf neuem Höchststand

10 Februar, 2025 - 09:02
Bianca Freitag
Ärztin sitzt überlastet am Computer

Überlastung, Personalmangel und zu viel Bürokratie – Ärztinnen und Ärzte in Deutschland gehen regelmäßig an ihre Grenzen – oder sogar darüber hinaus. Diese besorgniserregende Situation offenbart der aktuelle MB-Monitor 2024 des Marburger Bundes. Welche Folgen hat das für Ärztinnen und Ärzte – und was muss sich dringend ändern?

Der MB-Monitor 2024 zeichnet ein alarmierendes Bild des ärztlichen Arbeitsalltags. Die repräsentative Umfrage unter mehr als 9.600 angestellten Ärztinnen und Ärzten zeigt: Fast die Hälfte (49 Prozent) fühlt sich häufig überlastet, während elf Prozent sogar angeben, ständig ihre Grenzen zu überschreiten. Gerade einmal zwei Prozent empfinden bei ihrer Arbeit keinen Stress.

Personalmangel und hohe Bürokratielast

Ein großes Problem bei dieser Überlastung ist der chronische Personalmangel. Oft fehlen qualifizierte Fachkräfte, sodass die verbleibenden Teammitglieder zusätzliche Aufgaben übernehmen müssen. 59 Prozent der Befragten beurteilen die ärztliche personelle Besetzung als „schlecht“ (16 Prozent) oder „eher schlecht“ (43 Prozent). Nur fünf Prozent sehen sie als „sehr gut“ an. Was die Personalsituation zusätzlich verschärft: Trotz des Fachkräftemangels kam es bei 42 Prozent der Befragten in ihren Einrichtungen zu einem ärztlichen Stellenabbau in den letzten zwei Jahren.

Die zunehmende Bürokratielast ist ein weiterer Stressfaktor. Dokumentationspflichten und zeitaufwendige Abrechnungsprozesse rauben wertvolle Zeit für die direkte Patientenbetreuung. Durchschnittlich müssen Ärztinnen und Ärzte drei Stunden ihrer täglichen Arbeitszeit für Verwaltungstätigkeiten und organisatorische Aufgaben aufbringen, beispielsweise für die Datenerfassung oder Dokumentation. „Das ist nach wie vor richtig viel“, sagte Dr. Susanne Johna, 1. Vorsitzende des Marburger Bundes, bei der Vorstellung der Ergebnisse. Die Zeitfresser seien die Aufgaben, die über die rein ärztliche Tätigkeit hinausgehen. Die Arztbrieferstellung gehöre zu einer ärztlichen Tätigkeit, aber das sei dabei nicht mitkalkuliert. „Diese permanente Kontrolle, dieses Misstrauen, dass möglicherweise irgendwelche Dinge nicht stattgefunden haben, und die dann auch noch dokumentiert werden müssen, sind ein Riesenproblem“, stellte Johna weiter fest.

Berufswechsel für viele eine Option

Und damit hören die Probleme nicht auf. Denn mehr als ein Viertel der Befragten (28 Prozent) gibt an, ernsthaft über einen Berufswechsel nachzudenken. Beim MB-Monitor 2022 waren es noch 25 Prozent. Angesichts des ohnehin bestehenden Fachkräftemangels wäre dies ein fatales Signal für das Gesundheitssystem. Als Gründe für einen möglichen Berufswechsel nannten die Ärztinnen und Ärzte eine zu hohe Arbeitsbelastung (80 Prozent), dass die Arbeitsrealität dem eigenen Anspruch an den Beruf widerspreche (72 Prozent) oder dass sie zu wenig Zeit für ihre Patientinnen und Patienten haben (52 Prozent). 44 Prozent denken außerdem, dass es außerhalb der kurativen Medizin bessere Konditionen gebe. „Eine zunehmende Anzahl von angestellten Ärztinnen und Ärzten in den Kliniken sieht keine dauerhafte Perspektive in der kurativen Medizin. Das muss uns sehr zu denken geben“, mahnte Johna. Gerade durch den demografischen Wandel steige der Bedarf an ärztlicher Arbeitskraft, wenn die Babyboomer innerhalb der nächsten Jahre in den Ruhestand gehen. Es könne nicht sein, dass der Personalschlüssel so bemessen sei, dass zwei die Arbeit von dreien machen.

Diese Diskrepanz zeigt sich auch in der Betrachtung der bevorzugten Arbeitszeit im Vergleich zu tatsächlichen und den geleisteten Überstunden. Laut der Umfrageergebnisse liegt die durchschnittliche Wochenarbeitszeit bei 49 Stunden, 17 Prozent der Befragten arbeiten 60 Stunden oder mehr. Die von den Ärztinnen und Ärzten bevorzugte Arbeitszeit liegt dagegen zwischen 30 und 48 Stunden. 43 Prozent wünschen sich eine durchschnittliche Arbeitszeit inklusive aller Dienste und Überstunden von 30-39 Stunden, 39 Prozent wünschen sich 40-48 Stunden. Pro Woche kommt es bei 45 Prozent der Ärztinnen und Ärzte zu fünf bis neun Überstunden.

Ein großes Ärgernis ist für viele Befragte auch die IT-Ausstattung an ihrem Arbeitsplatz. 38 Prozent sind „eher unzufrieden“, 27 Prozent sogar „unzufrieden“. Mehr als die Hälfte (52 Prozent) gibt an, dass es häufig zu Mehrfacheingaben von Daten komme. „Das darf so nicht sein. Da wird ärztliche Arbeitszeit verschwendet“, kritisierte Johna. Ein kleiner Lichtblick bleibe jedoch: Die Arbeit im Team, sowohl mit ärztlichen als auch nichtärztlichen Teammitgliedern, sehen die Befragten als „sehr gut“ (28 Prozent) oder „eher gut“ (58 Prozent) an.

Die Umfrage MB-Monitor 2024

An der vom Institut für Qualitätsmessung und Evaluation (IQME) durchgeführten Online-Befragung beteiligten sich in der Zeit vom 27. September bis 27. Oktober 2024 bundesweit 9.649 angestellte Ärztinnen und Ärzte aus allen Bereichen des Gesundheitswesens. Etwa 90 Prozent von ihnen arbeiten in Akutkrankenhäusern und Reha-Kliniken, acht Prozent in ambulanten Einrichtungen. Der MB-Monitor ist die größte Ärzte-Befragung in Deutschland.

Quelle: Marburger Bund, MB-Monitor 2024, Online-Pressekonferenz am 6. Februar 2025

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