Medidus: Medizinische Hilfe für geflüchtete Menschen

27 März, 2024 - 07:28
Miriam Mirza

Die 2015 von Medizinstudierenden gegründete Medizinische Flüchtlingshilfe Düsseldorf (Medidus) ist eine Initiative der Fachschaft Medizin der Heinrich-Heine-Universität, die sich zum Ziel gesetzt hat, die medizinische Versorgung von geflüchteten Menschen in Deutschland sicherzustellen, weil viele von ihnen provisorische Unterkünfte und medizinische Betreuung benötigen.

Die Initiative arbeitet in drei Hauptbereichen: der direkten Versorgung von Geflüchteten, in der Lehre und der Öffentlichkeitsarbeit. Dabei setzt sie auf einen großen Pool von mehr als 300 Ehrenamtlichen, hauptsächlich bestehend aus Medizinstudierenden, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie Personen aus dem sozialpädagogischen Bereich. Die Freiwilligen begleiten ihre derzeit mehr als 600 Klientinnen und Klienten zu Arztbesuchen, klären über Gesundheitsthemen auf und machen sich aufseiten von Studierenden sowie Medizinerinnen und Medizinern für mehr interkulturelle Kompetenzen stark.

Enge Zusammenarbeit mit verschiedenen Professionen

Ein wichtiges Standbein von Medidus ist die Erstellung von Gesundheitsakten inklusive der Krankengeschichte und des Impfstatus der Klientinnen und Klienten. Auch die Feststellung von Familienerkrankungen usw. ist für die Vorbereitung von Arztterminen von Belang. Nach Rücksprache werden Patientinnen und Patienten von Medizinstudierenden und Dolmetschenden zu Arztterminen begleitet, um sowohl die Sprachbarriere zu überwinden als auch Klarheit und Erklärung in die Therapie und Erkrankung zu bringen.

11.02.2025, Vivantes Netzwerk für Gesundheit GmbH
Berlin
11.02.2025, Deutsche Bundesbank
Frankfurt am Main

Um mit den geflüchteten Menschen in Kontakt zu kommen und die notwendigen Informationen zu erhalten, braucht es viel Zeit und Einfühlungsvermögen. Nermin Awaied, ehrenamtliche Helferin bei Medidus, berichtet von ihrer Arbeit bei der Organisation und Hürden, die den Helfenden sowie ihren Klientinnen und Klienten immer wieder begegnen. „Die meisten haben Flucht- und Gewalterfahrungen gemacht und sind häufig traumatisiert“, erklärt sie. Das hat auch konkrete Auswirkungen auf die Gesundheit: Chronische, psychische sowie Suchterkrankungen stehen damit im engen Zusammenhang. Medidus kooperiert daher mit dem LVR-Klinikum Düsseldorf. Das Klinikum hat eine besonderes Expertise in der Betreuung von Personen, die Kriegs- und Fluchterfahrungen gemacht haben, und bietet derzeit sogar eine eigene Sprechstunde für geflüchtete Menschen aus der Ukraine an.

Auch die enge Verzahnung mit Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern hat sich als sinnvoll erwiesen. „Unsere Klientinnen und Klienten brauchen in der Regel nicht nur im Gesundheitsbereich Unterstützung. Ob Behördengänge, Schulbelange oder das Eröffnen eines Kontos – all das ist mit vielen Hürden verbunden. Wir haben festgestellt, dass die Medizinstudierenden, die sich engagieren, das nicht alleine bewältigen können. Um sie vor Überlastung zu schützen, stellen wir ihnen Fachkräfte mit sozialpädagogischem Hintergrund an die Seite.“

Kulturelle Missverständnisse sind ein Problem

Noch immer stammen die meisten von Medidus betreuten Personen aus dem arabischsprachigen Raum. Doch auch Menschen, die Kurdisch, Persisch, Russisch oder Ukrainisch sprechen, nehmen die Angebote der Initiative in Anspruch. Neben den Sprachbarrieren machen kulturelle Unterschiede vielen Menschen mit Migrationsgeschichte das Leben oft schwer und können das Arzt-Patienten-Verhältnis belasten. So stößt bei manchen Ärztinnen und Ärzten auf Unverständnis, dass es in einigen Ländern üblich ist, mehrere Familienangehörige zu einem Arztbesuch mitzubringen.

Was die Arbeit von Medidus aktuell erschwert, ist – wie bei vielen anderen ähnlichen Organisationen auch – die Finanzierung. „Wenn wir erklären, was wir tun, stoßen wir auf viel Zustimmung, und eigentlich finden die meisten, man müsste das fest im Gesundheitssystem installieren, aber wenn es um die Finanzierung geht, ist wie immer kein Geld da. Im Gegenteil, wir kämpfen mit Kürzungen von Zuwendungen“, klagt Awaied.

Von Seiten der bereits in ihrem Beruf tätigen Ärztinnen und Ärzte wünscht sich Awaied mehr Interesse und Engagement. „Viele Medizinerinnen und Mediziner scheuen die Arbeit, uns beim Befüllen der Gesundheitsakten zu helfen. Bis zu einem gewissen Grad verstehe ich das, weil das Zeit kostet, die sie in ihrem Alltag oft nicht haben. Andererseits können sie ihre Patientinnen und Patienten besser behandeln, je mehr sie über sie wissen.“

Schlechte Erfahrungen mit dem deutschen Gesundheitssystem

Viele der Patientinnen und Patienten haben schlechte Erfahrungen im deutschen Gesundheitssystem gemacht: Sie erleben, dass sie nicht ernst genommen oder abgewimmelt werden, dass sich Medizinerinnen und Mediziner keine Zeit für sie nehmen oder unsensibel sind, bis hin zu rassistischen Erfahrungen. In der Folge scheuen sie den Arztbesuch – mit oft fatalen Folgen. „Nicht immer ist es gleich böser Wille, der hinter unsensiblem Verhalten steckt, oft ist es einfach Unkenntnis und Überforderung. Darum müssen medizinische Fachkräfte den Umgang mit geflüchteten Personen lernen. Wenn wir uns den Zustand der Welt anschauen, ist damit zu rechnen, dass sie in Zukunft mehr solcher Patientinnen und Patienten haben werden“, mahnt Awaied.

Sie hofft, mit ihrer Arbeit in der medizinischen Hochschulausbildung kommende Generationen von Ärztinnen und Ärzten besser vorbereiten zu können. Hier bietet Medidus ein Wahlfach an, in dem interkulturelle Kompetenzen gelehrt werden. Das Angebot stößt bei den Studierenden auf großes Interesse, berichtet Awaied. „Die Studierenden wollen sich das Wissen darüber aneignen. Man muss bedenken, dass es für Ärztinnen und Ärzte im Krankenhaus in der Regel keine Supervision gibt, in der sie im Umgang mit geflüchteten Personen geschult werden oder Fälle aufarbeiten können.“

Über Medidus:

Medidus wurde bereits mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Multi-Kulti-Preis des Vereins Multikulturelles Forum e.V., dem „startsocial“-Preis unter der Schirmherrschaft von Angela Merkel und dem Welcome-Preis des Bundesbildungsministeriums (BMBF) und des Deutschen Akademischen Austauschdienstes. Seit 2016 fördert das BMBF die Initiative.

 

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