
Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) haben sich seit ihrer offiziellen Einführung 2019 zu einem echten Trendthema im Gesundheitswesen entwickelt. An die Entwicklung von Apps, die durch Ärzte und Ärztinnen verschrieben werden können, sind große Erwartungen geknüpft: Sie sollen helfen, die Qualität der Gesundheitsversorgung zu verbessern, Patienten empowern und die Therapietreue verstärken. Auf Seiten vieler Ärztinnen und Ärzte scheint es jedoch noch einige Zweifel an den DiGA zu geben, denn bisher sind ihre Verschreibungszahlen noch längst nicht so hoch, wie von Herstellern erhofft.
Nun haben die Mediziner und Medizinerinnen erstmals die Entwicklung einer DiGA für HIV-Infizierte in Angriff genommen. COMTRAC-HIV heißt die App, an der das Universitätsklinikum Frankfurt arbeitet und mit deren Hilfe HIV-Infizierte ihren Alltag besser bewältigen sollen. Angedacht ist zudem, dass die Anwendung künftig auch für andere Krankheitsbilder zum Einsatz kommen soll. Die Idee überzeugt: Das Land Hessen fand das Konzept so vielversprechend, dass es sich finanziell an der Entwicklung beteiligt und rund 900.000 Euro aus dem Förderprogramm Distr@l beisteuert.
Nutzerzentriertes Design ist entscheidend
Ein guter Anfang. Doch warum haben sich ausgerechnet Ärzte und Ärztinnen bemüßigt gefühlt, eine DiGA für HIV-Infizierte zu entwickeln? „Gerade als Ärztin wird man inzwischen häufig mit digitaler Transformation konfrontiert“, sagt Dr. Angelina Müller, Ärztin am Universitätsklinikum und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Allgemeinmedizin der Goethe-Universität Frankfurt. Häufig reiche aber das Interesse oder schlichtweg die Zeit nicht aus, sich selbst aktiv einzubringen.
Dabei wäre das so wichtig. Immerhin sind es die Mediziner und Medizinerinnen, die die DiGA an ihre Patienten weiterempfehlen, verschreiben und sie mit dem Umgang vertraut machen sollen. Darum ist ein überzeugender Wirksamkeits- und Nutzernachweis sowie nutzerzentriertes Design besonders wichtig. „Wenn man die Möglichkeit bekommt, bei der Entwicklung einer App mitzuwirken, ist das eine tolle Gelegenheit, ein Produkt zu entwickeln, welches die Bedürfnisse und die Herausforderungen für den tatsächlichen Nutzer kennt“, findet die Medizinerin.
Begleitung für chronische Erkrankungen
Eingesetzt werden soll die Communication- und Tracing-App in der ambulanten Therapie. Hier böte sie HIV-Infizierten eine einfache Möglichkeit, mit den Behandlern und Behandlerinnen zuverlässiger Kontakt zu halten. Besonderen Nutzen von DiGA verspricht man sich in der Therapie von chronischen Erkrankungen, wie sie eine HIV-Infektion darstellt. In der Literatur finden sich darüber hinaus viele Hinweise, dass bei HIV-Patientinnen und -Patienten der entsprechende Bedarf vorhanden ist und diese aufgrund des Durchschnittsalters gleichzeitig über die notwendige digitale Affinität verfügen, gibt Müller an, betont jedoch: „Das bedeutet nicht, dass wir digitale Affinität zur Voraussetzung für die Studienteilnahme machen möchten.“
Durch die digitale Begleitung, so die Hoffnung, müssen die Betroffenen nicht mehr so häufig persönlich in dem Behandlungszentrum vorstellig werden. Und schließlich helfe die App dabei, durch die kontinuierliche Symptomdatenkontrolle mögliche Ängste der Patientinnen und Patienten zu reduzieren und ihren Alltag besser zu gestalten, so Müller.