Beim Thema Digitalisierung des Gesundheitswesens müssen Genderaspekte stärkere Beachtung finden. Geschlechterrelevante Daten sollten deutlich mehr als bisher in die Entwicklung einbezogen werden. Das jedenfalls haben die Teilnehmerinnen des 1. Internationalen Ärztinnenkongresses unlängst gefordert.
Aus Sicht des Deutschen Ärztinnenbundes (DÄB) muss schnell etwas geschehen, damit Versäumnisse sich nicht negativ auswirken. „Wir fordern mehr Maßnahmen, um die Frauen betreffenden Defizite auszugleichen“, sagte DÄB-Präsidentin Dr. med. Christiane Groß. Die fehlende Genderperspektive sei besonders schwerwiegend, da sich die Digitalisierung teils selbstlernend weiterentwickele und im Gesundheitswesen immer mehr Menschen betreffe.
Die Coronapandemie habe den Digitalisierungsprozess beschleunigt, was der DÄB begrüßt. Allerdings seien dabei einige Maßnahmen beschlossen und Algorithmen entworfen worden, ohne Frauen adäquat einzubeziehen, stellte Prof. Dr. med. Sylvia Thun von der Berliner Charité und Direktorin des Berlin Institut of Health heraus. Als Beispiel dafür nannte sie die Impfstoffe. Corona habe über die seltenen Impfstoffnebenwirkungen deutlich gemacht, dass geschlechterspezifische Faktoren relevant sein können. Darüber hinaus gebe es Bereiche im Gesundheitswesen, in denen solche Aspekte eine noch viel größere Rolle spielten. So habe eine Studie belegt, dass der Gender Bias bei Anwendungen Künstlicher Intelligenz nicht nur hypothetisch ein Problem sei, sondern sich auch tatsächlich habe feststellen lassen.
Um Defizite abzubauen, sollten aus Sicht der Ärztinnen mehr Frauen in die Entwicklung einbezogen werden sowie mehr Frauen in Positionen kommen, die in Digitalisierungsfragen entscheiden. „Eine ausreichende weibliche Perspektive senkt das Risiko, wichtige Genderaspekte zu übersehen“, betonte Groß. Nur so ließen sich sinnvolle Entscheidungen treffen, zum Beispiel bei der Zulassung oder Nutzung Digitaler Gesundheitsanwendungen.
Dtsch Arztebl 2021; 118(31-32): [2]