
Das Schweizer Kinderhilfswerk Ashia sucht Unterstützung für sein neues Spital in Yagoua. Das 40-Betten-Haus eröffnet voraussichtlich Ende 2024 im abgelegenen Norden Kameruns. Den karitativen Non-Profit-Verein führt das Ehepaar Felix und Katja Bruhin in Eigeninitiative. Wer sich engagiert, wird eine Erfahrung fürs Leben machen – und im Bischofssitz wohnen.
Herr Bruhin, welche medizinischen Probleme sehen Sie in Kamerun?
Felix Bruhin: Eigentlich alles. Wir haben sogar einmal ein Lepra-Spital besucht. Ich dachte, so etwas gibt es gar nicht mehr! Zahlreiche Kinder leiden zum Beispiel unter unbehandelten Knochenbrüchen oder Rachitis, insbesondere in der sehr trockenen Region Extrême-Nord. Es gibt aber auch reichlich Malaria- oder Typhusfälle. Häufige Ursachen sind einseitige Ernährung, schmutziges Wasser – und natürlich Armut. Ein großes Problem ist: Die Leute warten sehr lange, bis sie ins Spital kommen. Oft können wir dann nichts mehr machen. Das gilt vor allem für die kleinen Patienten. Für ein Baby, das eine Woche Durchfall hat, ist es dann oft schon zu spät. Viele Mütter erzählen uns, ihnen seien bereits die Hälfte aller Kinder gestorben. Wir sagen ihnen immer „kommt doch ein bisschen früher“.
Wie ist die Bezahlung in den einheimischen Krankenhäusern geregelt?
Felix Bruhin: In den staatlichen Kliniken muss vor der Behandlung bezahlt werden. Wer das nicht kann, wird weggeschickt. In den katholischen Spitälern gilt der Grundsatz erst helfen, anschließend wird die Rechnung gestellt. Und viele haben offene Rechnungen. Zudem müssen die Menschen in den Staatsspitälern die Medikamente nicht nur selbst zahlen, sondern auch besorgen – und zwar irgendwo. Wenn sie die dann auf dem Markt kaufen, wissen sie oft gar nicht, ist es überhaupt das richtige? Und wie alt ist das? Gegen diese Missstände möchten wir etwas unternehmen. Deswegen haben wir jetzt unser Kinderspital in Yagoua gebaut. Wer absolut keinerlei Finanzen hat, wird zum einen dort kostenlos behandelt, zum anderen besorgen wir Medikamente, die in unserer angegliederten Apotheke vor Ort direkt verkauft werden.
Welche Unterstützung leistet Ihr Hilfswerk insgesamt? Wieviel ist davon medizinisch?
Felix Bruhin: Wir bohren jedes Jahr 30 Brunnen, haben inzwischen mehr als 45 Schulen sowie Kindergärten gebaut. Wir vermitteln Kinderpatenschaften und verteilen Lebensmittel. Mittellose Familien unterstützen wir gezielt und nehmen unterernährte Kinder in unser Mutter-Kind-Programm auf. Rund 17 Prozent der Spendengelder gingen 2023 an Spitalbau und Einrichtung. Das neue Spital ist das dritte. Es besitzt elf Krankenzimmer mit 40 Betten, ein Sprechzimmer, Umkleideräume und Duschen. Wir hoffen, Ende 2024 eröffnen zu können. Zudem bauen wir in einem weit abgelegenen Tal ein weiteres Spital. Das stockt derzeit jedoch etwas, weil dieses im Kriegsgebiet liegt. In der Kleinstadt Bali Nyonga haben wir zum Spital einen Operationssaal errichtet. Darüber hinaus finanzieren wir Operationen und Behandlungen in verschiedenen lokalen Spitälern. Durch unser Hilfswerk wurden in den vergangenen 15 Jahren mehr als 500 Kinder operiert, meist mit Missbildungen, insbesondere deformierten Beinen durch Rachitis oder Unfälle.
Aber wir helfen auch Kindern mit Geburtsfehlern. So hatten wir letzter Zeit sehr viele mit Analatresie, Wasserkopf oder Klumpfuß. Einige brauchen gar keine OP, da reicht Physiotherapie. Wir haben auch schon Fitnessgeräte mit nach Kamerun genommen. Manchmal genügen sogar eine Vitaminbehandlung und nahrhafte Malzeiten, zum Beispiel bei Kindern, die mit drei Jahren noch nicht laufen können. Nach ein paar Monaten guter Ernährung kommen die ersten Schritte. Und: Wir kümmern uns in den allermeisten Fällen ganz persönlich um die Kinder.
Können Sie das an einem Beispiel schildern?
Felix Bruhin: Mansouna. Die Mutter kam ursprünglich mit den 16 Monate alten Zwillingen in unser Mutter-Kind-Programm. Beide Jungs waren unterernährt und wurden bei uns aufgebaut. Erst nach einer Weile wurde auch ihr sechs Jahre alter Bruder Mansouna genauer angeschaut. Er konnte kaum 100 Meter gehen ohne anzuhalten und durchzuatmen. Also sind wir mit diesem Kind zum Arzt gefahren. Der sagte, es hat einen Herzfehler und wir müssen in die Hauptstadt. Der Arzt dort sagte, wir können ihn nicht in Kamerun operieren, aber er braucht sofort Sauerstoff. Viele der dortigen Spitäler haben bis heute kein einziges Sauerstoffgerät! Zur Überbrückung haben wir zunächst eins mit Stromversorgung in der Stadt gemietet. Plötzlich gings ihm richtig gut! Zudem haben wir in der Schweiz in Windeseile ein transportables mit Akku aufgetrieben und das hergebracht. Denn nur damit konnte Mansouna den Flieger besteigen.
Letztendlich übernahmen die italienischen Hilfsorganisationen Una voce per Padre Pio im April 2024 die OP in Genua, Flying Angels Foundation Onlus den Flug. Unser Anteil waren die gesamten Vorabklärungen und Spitalbesuche in Kamerun, die Versicherungen, Bewilligungen zur Ausreise des Kindes ohne seine Mutter, Gesundheitsbericht des Arztes sowie Visa – unglaublich viel Papierkram. Die Familie stammt aus dem Tschad, hat keine Ausweise, keine Geburtsurkunden, die Mutter spricht nur einen lokalen Dialekt. Um alle Impfungen und Formulare, auch für eine begleitende Krankenschwester, zu organisieren, musste meine Frau von Pontius nach Pilatus fahren.
Wie wird das alles finanziert?
Felix Bruhin: Uns unterstützen Firmen, Organisationen wie Rotarier oder Hilfswerke unserer Region sowie viele kleine treue private Sponsoren. Wir selbst arbeiten gratis, reisen auf eigene Kosten in unserer Freizeit. Hier in der Schweiz haben wir ein Geschäft. Wir produzieren und verkaufen Drucksachen, wie individuelle Geburts- oder Hochzeitskarten und alles Mögliche, von der Konfettikanone über Tischbomben bis zu Losen. Wir versenden auch Babywindeln, von jedem Pack geht ein Teil zu Ashia. Alle Prospekte, die dafür gedruckt werden, bezahlt unser Geschäft, auch das Porto. Außerdem organisieren wir Charity-Veranstaltungen, wie Suppentage, Benefizkonzerte, halten Vorträge und gehen in Schulen. Gerade hat ein Spendenlauf von Kindern 700 Franken reingebracht. Und: Wir verteilen alle Spenden persönlich in Kamerun. Bei uns kommen 100 Prozent der Gelder dort an.
Wie kamen Sie zu dem Projekt?
Felix Bruhin: Meine Frau und ich besuchten vor vielen Jahren einen Freund, der Lehrlinge in einer Druckerei in Kamerun ausbildete. Wir waren Touristen. In einem katholischen Spital, zu dem unserer Chauffeur Kontakt hatte, hinterließen wir einen Brief mit einer Spende von 100 Franken und unserer Visitenkarte. Ein halbes Jahr später kam über Umwege via Deutschland ein Brief zu uns. Darin stand, wieviel sie mit dem Geld gemacht haben. Das hat uns so beeindruckt, dass wir uns erneut auf den Weg nach Westafrika machten und 2008 das Hilfswerk gründeten. Heute reist meine Frau zwei bis drei Mal im Jahr nach Kamerun und bleibt jeweils bis zu zwei Monate. Dann besucht sie jedes Patenkind und alle Projekte. Sie geht zum Beispiel bei den neuen Brunnen vorbei, macht Bilder mit der Drohne. Damit der Spender sieht, was mit dem Geld passiert ist und um zu zeigen, wo wir uns befinden. Wir sind wirklich weit abgelegen im Busch, wo kein anderes Hilfswerk ist und genau deswegen sind wir dort.
Wen suchen Sie?
Felix Bruhin: Händeringend eine Ärztin oder einen Arzt für unser neues Spital in Yagoua. Ideal wäre ein Ärzte-Rentnerehepaar, die haben viel Wissen – aber wir freuen uns über jede Hilfe. Auch eine Hebamme oder Studierende mit etwas Erfahrung wären prima. Helfende sollten mindestens drei Monate bleiben, gerne länger. Fachrichtung egal. Bei uns werden sie Dinge sehen, die es sonst in Europa nicht mehr gibt. Das Leben ist sehr hart dort. Für mehr Infos zu den Diagnosen kann man sich auch die Seite https://ashia.ch/projekte/einzelschicksale/einzelschicksale_uebersicht.html anschauen. Die Unterkunft ist kein Problem. Man wohnt 15 Minuten vom Spital entfernt im Bischofssitz. Er hat einen eigenen Koch, man wird gut mitversorgt. Interessierte dürfen sich jederzeit an uns wenden, per Mail oder Telefon. Wir freuen uns wirklich über jede Hilfe, auch über Telekonsultationen für spezielle Fälle.