Mehr Beratungsstellen zu sexueller Belästigung

22 Juni, 2021 - 07:59
Dr. Sabine Glöser
Telefon mit Hand, die eine Nummer wählt

Der Deutsche Ärztinnenbund (DÄB) hat die Ärztekammern aufgefordert, Beratungsstellen für Betroffene sexueller Belästigung im beruflichen Kontext einzurichten. Schon der Deutsche Ärztetag in Münster im Jahr 2019 habe festgehalten, dass es konkreter Maßnahmen bedürfe, um Frauen und Männer im Gesundheitswesen besser vor Übergriffen zu schützen. Bisher sei die Ärztekammer Nordrhein die einzige, die dem nachgekommen sei. „Es ist an der Zeit, dass alle Ärztekammern tätig werden“, sagte DÄB-Präsidentin Dr. Christiane Groß. „Die Beratungsstelle der Ärztekammer Nordrhein kann als Vorbild dienen.“

Sexuelle Übergriffe auf das medizinische Personal sind Groß zufolge ein tabuisierter Missstand in Krankenhäusern und Praxen. Dies betreffe sowohl Übergriffe unter den Mitarbeitenden des Gesundheitssystems als auch Übergriffe von Patienten auf Mitarbeitende. So habe eine Online-Umfrage im Jahr 2019 ergeben, dass 15 Prozent der Ärztinnen und Ärzte in den drei Jahren zuvor sexuelle Übergriffe am Arbeitsplatz beobachtet hatten. Sieben Prozent gaben an, selbst von Mitarbeitenden belästigt worden zu sein. Frauen sahen sich dreimal häufiger mit Übergriffen konfrontiert als Männer.

„Leider marginalisieren viele Personalverantwortliche solche Vorkommnisse nach wie vor“, sagte Groß weiter. „Um den Teufelskreis zu durchbrechen, benötigen wir mehr Beratungsstellen und mehr Sensibilität für das Thema auch in der Kollegenschaft.“ Es gebe Möglichkeiten, sich gegen sexuelle Belästigung zu wehren, angefangen beim Beschwerderecht, dem Leistungsverweigerungsrecht sowie dem Anspruch auf Entschädigung und Schadensersatz. Arbeitgeber seien verpflichtet, aktiv gegen Übergriffe vorzugehen.

„Im Einzelfall benötigen Betroffene eine persönliche, juristisch kompetente Beratung, wie sie mit dieser belastenden Situation umgehen, auf Wunsch auch anonym“, betonte Groß. Klar sei: „Sexuelle Belästigung, die nicht aufgearbeitet wird, kann bei den Opfern schwere psychische Störungen auslösen.“

Dtsch Arztebl 2021; 118(25): [4]

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