Nebentätigkeit – was muss ich beachten?

16 Februar, 2022 - 07:38
Gerti Keller
Arzt am Rednerpult
Lehrtätigkeiten sind beliebte Nebenjobs für Ärztinnen und Ärzte

Bin ich verpflichtet, dem Arbeitgeber meinen Nebenjob zu melden oder genehmigen zu lassen? Muss ich gar einen Teil meiner Vergütung abgeben? Und was droht mir, wenn ich „einfach loslege“? Fachanwältin Dr. Christina Mitsch gibt Auskunft.

Ob fürs Konto oder die Karriere: Nebentätigkeiten sind nicht nur eine gute Möglichkeit, den Verdienst ein wenig aufzustocken, sie können auch eine echte Chance auf berufliche Weiterentwicklung sein: beispielsweise, wenn das Angebot für eine spannende Lehrtätigkeit hereinflattert. Und vorneweg gesagt: „Eigentlich“ hat man auch einen Anspruch darauf, das tun zu dürfen. Denn Mitarbeiter sind ihrem Chef nur während der vereinbarten Arbeitszeit verpflichtet, und nicht in der Freizeit. Allerdings ist ganz wichtig: „Dadurch dürfen weder arbeitsvertragliche Pflichten noch berechtigte betriebliche Interessen des Hauptarbeitgebers beeinträchtigt werden“, sagt Arbeitsrechtlerin Dr. Christina Mitsch. Und da fängt es auch schon an mit den Einschränkungen...

Keine loyalitätspflichtverletzende Arbeit

Ganz oben auf der roten Liste steht: keine loyalitätspflichtverletzende Arbeit bei der Konkurrenz! „So darf beispielsweise eine Orthopädin, die in einer kleineren Praxis angestellt ist, nicht ohne Zustimmung ihres Hauptarbeitgebers ein paar Straßen weiter für ein paar Stunden nebenher in einem MVZ tätig sein“, schildert die Fachanwältin.

Auch inhaltlich darf es sich nicht „beißen“: „Eine Interessenkollision liegt etwa nahe, wenn ein Oberarzt, der auch mit Entscheidungen zur Medikamentenbeschaffung betraut ist, nebenberuflich bei einem Pharmaunternehmen tätig ist“, erläutert Mitsch und fügt an: „Solche Verflechtungen sind zudem besonders heikel und ‚verdächtig‘, wenn die Vergütung aberwitzig hoch ausfällt und nicht so recht zum Umfang und Inhalt der Nebentätigkeit passt.“

Darüber hinaus besagt das Arbeitszeitgesetz: Mehr als 48 Stunden pro Woche insgesamt sind im Normalfall nicht erlaubt. Das bedeutet: Für alle, die bereits eine Vollzeitstelle haben, wird es da zeitlich schon eng. Auch darf die Haupttätigkeit durch die zusätzliche Arbeit nicht beeinträchtigt werden, indem man sich beispielsweise überfordert. Zudem muss aufs Kleingedruckte geschaut werden, ob und wie eine Nebentätigkeit anzumelden ist oder man dafür eine Genehmigung braucht. „Es kommt immer darauf an, was hierzu genau im Arbeitsvertrag oder in einem etwaigen Tarifvertrag geregelt ist. Da gibt es durchaus Unterschiede. Dies sollten Arbeitnehmer im eigenen Interesse vor jedem anderen Engagement sorgfältig prüfen“, erklärt Mitsch. Übrigens fällt auch die unentgeltliche oder ehrenamtliche Tätigkeit unter den arbeitsrechtlichen Begriff der Nebentätigkeit. Das betrifft ebenso freiberufliche Tätigkeiten wie Werkverträge.

Was ist bei Arbeitsverhältnissen, für die kein Tarifvertrag gilt?

Häufig, aber nicht immer, findet sich in Arbeitsverträgen privatwirtschaftlicher Praxen die Klausel, dass Nebentätigkeiten anzuzeigen sind oder einer Genehmigung bedürfen. „Nun heißt es aufpassen. Steht im Vertrag, dass dies schriftlich erfolgen muss, ist ein entsprechendes Schreiben mit Unterschrift erforderlich. Wird Textform verlangt, genügt eine E-Mail. Ist dazu nichts vorgesehen, reicht an sich mündlich“, berichtet die Juristin. Dennoch empfiehlt sie den nachweisbaren Weg über E-Mail oder ein Schreiben.

Ist im Vertrag die rechtzeitige Einholung einer Genehmigung vorgesehen, müssen alle Informationen angeben werden, die der Hauptarbeitgeber für seine Entscheidung benötigt, wie Art, Dauer, Umfang, möglicherweise sogar die Höhe der Vergütung – insbesondere, wenn der Vorgesetzte nachfragt. Doch was bedeutet dabei „rechtzeitig“? Mitsch: „Da gibt es keine festen Fristen, es sei denn, solche sind ausdrücklich vertraglich vorgesehen. Allgemein gilt aber, dass die Genehmigung vor Aufnahme der Tätigkeit einzuholen ist und Sie dem Arbeitgeber hinreichend Zeit geben müssen, zu prüfen, ob er diese untersagt, oder – gegebenenfalls – eingeschränkt zulässt.“

Im Streitfall wird beispielsweise berücksichtigt, wie lange der oder die Mitarbeitende schon vom Vorhaben weiß. „Ist dieses schon seit zwei Wochen bekannt, fragt man aber erst einen Tag vor dem geplanten Beginn der Nebentätigkeit kurz vor Dienstschluss beim Arbeitgeber nach und erwartet sogleich eine spontane positive Antwort … dann ist das bestimmt nicht rechtzeitig“, führt Mitsch etwas überspitzt aus – und hat für „unverschuldet“ Eilige, folgenden Tipp parat: „Hat man die Anfrage rechtzeitig beim Arbeitgeber gestellt, dieser aber unangemessen lange trotz Fristsetzung darauf nicht reagiert und sich die ganze Sache vielleicht sogar zu zerschlagen droht, können Sie notfalls einen Antrag auf einstweilige Verfügung beim Arbeitsgericht stellen.“ Das kann unter anderem sinnvoll für jemanden sein, der kleine Kinder betreut, ohnehin nur Teilzeit arbeitet und dann die Einmalchance für einen Job direkt in der Nachbarschaft bekommt, die sonst davonläuft. Oder wenn man als Dozent einspringen kann, weil jemand ausgefallen ist.

Ab und an schweigt sich ein Arbeitsvertrag aber auch zur Nebentätigkeit aus. Dann ist diese ohne vorherige Zustimmung grundsätzlich zulässig – abgesehen von den bereits genannten Einschränkungen, wobei auch ein wenig Fingerspitzengefühl ratsam ist: „Möchte eine Ärztin in einer schulmedizinisch ausgerichteten Praxis nebenher zum Beispiel beim Heilpraktiker, der die Schulmedizin strikt ablehnt, arbeiten, könnte es abhängig von der Ausrichtung der jeweiligen Tätigkeiten durchaus ebenfalls eine Interessenkollision geben“, so Mitsch und empfiehlt zur Vermeidung unerfreulicher Auseinandersetzungen stets das vorherige Gespräch mit dem Hauptarbeitgeber. 

Was gilt im Öffentlichen Dienst?

Für Ärztinnen und Ärzte, die nach Tarif angestellt sind, ist in punkto Nebentätigkeit häufig einiges klarer geregelt. So existieren vor allem im Öffentlichen Dienst Formblätter mit genauen Informationen darüber, was angegeben werden muss. Auch beim TVöD, TV-L und TV-Ä gilt allgemein: Nebentätigkeiten gegen Entgelt sind dem Arbeitgeber rechtzeitig vorher schriftlich anzuzeigen. „Das bedeutet wiederum, dass mich diese Pflicht grundsätzlich nur dann trifft, wenn ich auch vergütet werde, wobei auch eine geringe Bezahlung, Geschenke oder Gutscheine, nicht aber eine angemessene Aufwandsentschädigung für Fahrtkosten oder ähnliches hierzu zählen“, kommentiert Mitsch.

Im Detail kommt es dennoch darauf an, welchen Vertrag man hat. Das wird besonders deutlich bei Ärztinnen und Ärzten, die in den Universitätskliniken angestellt sind. Für sie gilt der TV-Ä, der wiederum auf das Beamtenrecht verweist. Hier gibt es detailliertere Angaben, wie zeitig der Antrag gestellt und wie schnell der Arbeitgeber reagieren muss. Außerdem findet sich in Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes der Hinweis, dass der Arbeitgeber das Recht hat, seine Genehmigung zu verweigern, falls der Zeitaufwand für die Nebentätigkeit mehr als ein Fünftel der vollen Dienstzeit entspricht. Da bleibt bei einer Vollzeitstelle ohnehin nicht viel übrig.

Und: Auf Angestellte im öffentlichen Dienst kann die sogenannte Ablieferungspflicht zukommen, wonach dem Dienstherrn ein Teil der Nebentätigkeitsvergütung abgegeben werden muss. „Die Feinheiten sind allerdings komplex. Unter anderem kommt es darauf an, nach welcher Besoldungsgruppe die Vergütung erfolgt etc. In diesem Fall sollte man sich beraten lassen“, regt Mitsch an.

Was riskiere ich, wenn ich etwas falsch mache? 

Eines sollte klar sein: Wer als Arbeitnehmer die Regelungen nicht beachtet und einfach loslegt, riskiert wirklich viel. „Das würde ich einem angestellten Arzt, egal ob in der Praxis oder der Klinik nicht empfehlen“, betont die Arbeitsrechtlerin. Beachte ich die Anzeige- und Genehmigungspflicht im Arbeits- oder Tarifvertrag nicht, kann dies zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen wie einer Abmahnung führen – selbst, wenn der Arbeitgeber die Nebentätigkeit hätte genehmigen müssen. Handelt es sich etwa um eine unerlaubte Konkurrenztätigkeit, hat der Chef möglicherweise einen Anspruch auf sofortige Unterlassung. „Dann darf ich bei dem Nebenjob von einem Tag auf den anderen nicht mehr arbeiten, was sehr unangenehm sein kann“, mahnt Mitsch. Bei unerlaubter Konkurrenztätigkeit droht zudem – je nach Schwere des Verstoßes – die außerordentliche fristlose oder fristgemäße verhaltensbedingte Kündigung sowie die Pflicht zur Herausgabe der Nebenerwerbsvergütung an den Hauptarbeitgeber.

Auch kann es zu Schadensersatzforderungen kommen. „Geht ein Chirurg zum Beispiel in erheblichem zeitlichem Umfang einer körperlich höchst anstrengenden Nebentätigkeit nach, die ihn völlig überfordert und steht infolgedessen mit zitternden Händen übermüdet im OP, kann das schwerwiegende Folgen nach sich ziehen. Nehmen Patienten hierdurch Schaden und verlangen diesen ersetzt zu bekommen, muss der Mitarbeiter mit Regressforderungen rechnen“, warnt Mitsch.

Brauche ich Beratung?

„Die Regelungen der Tarifverträge sind zumeist für jeden gut verständlich. Gerade im Öffentlichen Dienst kann man sich ansonsten mit Fragen an den Personalrat oder die Personalabteilung wenden. In der Praxis sollte das konstruktive Gespräch mit dem Arbeitgeber gesucht werden“, rät Mitsch. Selbst das schwierige Thema des Wettbewerbs lässt sich vielleicht lösen: „In einem mir bekannten Fall wollte ein älterer Arzt in naher Zukunft seine Praxis aufgeben und erlaubte dem jüngeren Mitarbeiter daher, eine Nebentätigkeit bei der Konkurrenz auszuüben. Das ist aber eher selten.“

Bei Unsicherheiten empfiehlt sich stets eine Beratung. Kompetente Unterstützung leisten Arbeitsrechtsanwälte; wer Mitglied bei einem Verband ist, kann dort Rat einholen. Das kann sich im Einzelfall lohnen, denn nicht alle Regelungen in Arbeitsverträgen sind auch rechtswirksam.

Und wer nebenher eine freiberufliche Tätigkeit ausüben möchte, zum Beispiel als Coach, sollte schauen, ob das zur ärztlichen Berufsordnung passt. Das betrifft das Standesrecht. Hier ist ratsam, sich sicherheitshalber bei der Landesärztekammer zu erkundigen.

Die Expertin:

Dr. Christina Mitsch


Dr. Christina Mitsch ist seit 1995 Fachanwältin für Arbeitsrecht und am Berliner Standort der Kanzlei Thümmel, Schütze & Partner tätig. Auch ist sie Regionalleiterin Berlin des Verbands Deutscher Arbeitsrechtsanwälte (VDAA) und hält Vorträge an der Humboldt-Universität im Rahmen der arbeitsrechtlichen Ringvorlesungen.

Foto: © Thümmel, Schütze & Partner

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