Schlau verhandeln: Das gehört in den Arbeitsvertrag für ambulant angestellte Ärztinnen und Ärzte

25 Oktober, 2021 - 06:29
Gerti Keller
Junge Ärztin am Schreibtisch

Wenn der Tag der Vertragsverhandlung naht: Was muss ich bei einer ambulanten Anstellung beachten, bevor ich unterschreibe? Welches Gehalt kann ich fordern, welche Zusatzleistungen sind rauszuholen? Und wo lauern Fallstricke? Der Experte des Marburger Bundes Nordrhein-Westfalen/Rheinland-Pfalz, Rechtsanwalt Andreas Höffken, gibt konkrete Tipps.

Er kann ein echtes Überraschungspaket sein: der Arbeitsvertrag im ambulanten Sektor. Mal schlägt der neue Chef ein Gehalt vor, das zu niedrig ausfällt, mal möchte er vom Bewerber wissen, was er sich denn vorstellen könnte – und man verlangt zu wenig, aus Angst unhöflich zu wirken... Um sich hinterher nicht zu ärgern, sollten Medizinerinnen und Mediziner daher unbedingt vorher wissen „was alles geht“.

In punkto Gehaltshöhe hält Andreas Höffken schon mal einen klaren Rat bereit: „Orientieren Sie sich an den tariflichen Oberarztgehältern, auch weil im ambulanten Bereich die Bezüge aus den Diensten fehlen.“ Und die liegen im kommunalen Bereich für das erste Jahr bei derzeit 7.761 Euro für eine Vollzeitstelle.

Drei Prozent mehr im Jahr plus Umsatzbeteiligung?

Auch empfiehlt es sich, eine dynamische Gehaltsvergütung zu vereinbaren, zum Beispiel von drei Prozent pro Jahr oder die Anbindung an die Entwicklung einer Tariftabelle. „Das sollten Sie auf jeden Fall versuchen. Oft lenkt der Praxisinhaber hier ein“, ermutigt Höffken und ergänzt: „Eine zusätzliche Stufenentwicklung zu vereinbaren, wäre natürlich noch besser.“ Heißt: Ambulant angestellte Ärztinnen und Ärzte können mit zunehmender Berufserfahrung versuchen, Gehaltsstufen wie im stationären Dienst festzulegen. So verdient ein Oberarzt tariflich im zweiten Jahr 8.217 Euro und im dritten 8.870. Das klappt allerdings nicht immer.

Eventuell lässt sich auch die Beteiligung am Umsatz oder an der Privatliquidation erreichen. Das kann zum Beispiel lukrativ sein, wenn es im Einzugsgebiet viele Privatpatienten gibt. Eine Stichprobe des Marburger Bundes, die rund 100 Verträge unter die Lupe nahm, ergab, dass jeder dritte Facharzt eine Umsatzbeteiligung erhält. Das ist jedoch meist abhängig von der Fachrichtung. Insbesondere Urologen und Augenärzte, teilweise auch Handchirurgen oder plastische Chirurgen können sich über dieses Plus im Geldbeutel freuen. Darüber hinaus ist eine Umsatzbeteiligung häufiger in MVZ als in kleineren Praxen anzutreffen. Insgesamt fällt die Vergütung in größeren Einheiten ab drei bis vier Ärztinnen und Ärzten erfahrungsgemäß etwas höher als in Einzelpraxen aus.

Überstunden schieben ohne Bezahlung?

Neben dem Gehalt sollte man auf eine Vielzahl weiterer Punkte achten, die in einem Arbeitsvertrag stehen können. Ganz wichtig, so der Geschäftsführer des Marburger Bundes NRW/RLP, sei eine Regelung zur Vergütung von Überstunden. Denn dies würden die meisten Verträge sehr arbeitgeberfreundlich handhaben: „Sie sehen oft die Verpflichtung vor, Überstunden zu erbringen, aber längst nicht alle regeln deren Bezahlung. Im Vertrag könnten Sie verabreden, dass Überstunden durch Freizeit bis zum Ende des darauffolgenden Monats ausgeglichen werden, plus einen Zuschlag von 25 Prozent. Nach Ablauf dieses Zeitraums sollten die restlichen Überstunden mit 125 Prozent bezahlt werden“, schlägt der Experte vor.

Arbeitszeiten bei Teilzeit festzurren

Für Teilzeitbeschäftigte sei es zudem ratsam, konkrete Arbeitszeiten auszumachen, wie die Stunden auf die Tage der Woche verteilt werden – vor allem wenn man einen oder zwei feste Tage mit dem Arbeitgeber verhandeln möchte. „Das kann ansonsten ein echtes Problem werden. Denn dann darf der Arbeitgeber anordnen, dass Sie auf einmal beispielsweise an fünf Tagen die Woche kommen müssen“, erklärt Höffken.

Auch sollten fixe Fortbildungstage unter Fortzahlung der Vergütung festgelegt werden. Gut, aber nicht immer erreichbar ist ferner die Vereinbarung über ein Fortbildungsbudget, womit der Arbeitgeber die anfallenden Kosten einschließlich der Ausgaben für die Reise trägt.

Krankengeld und Altersversorge

Und das ist noch nicht alles: Hinzu kommen verschiedene Zusatzleistungen, an die Bewerberinnen und Bewerber oft nicht denken, wenn sie fit und gesund sind. Thema: Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Diese endet normalerweise nach sechs Wochen. Anschließend zahlt die Krankenkasse das sogenannte Krankengeld, das deutlich hinter dem Nettogehalt zurückbleibt. Durch die Verlängerung dieses Zeitraumes oder die Vereinbarung eines Zuschusses, mit dem der Arbeitgeber das Krankengeld bis zum Nettogehalt für weitere Monate aufstockt, hat man im Fall der Fälle schon viel gewonnen.

Ein weiterer Punkt, den viele jungen Leute nicht „auf dem Schirm haben“, ist die betriebliche Altersversorge. „Diese ist in einem Tarifvertrag automatisch enthalten. Hier könnte die Praxis dem Arzt zum Beispiel monatlich einen Zuschuss zu einer zusätzlichen Altersversorgung in Höhe von fünf Prozent der monatlichen Vergütung gewähren“, empfiehlt Höffken.

KV-Notdienste, Urlaubstage und der Standort

Zwar gibt es für Ärztinnen und Ärzte im ambulanten Bereich keine Bereitschafts- oder Wochenenddienste, dafür steht eventuell die Teilnahme am vertragsärztlichen Notdienst der Kassenärztlichen Vereinigungen an. „Müssen die ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzte in ihrem KV-Bezirk nicht am Notdienst teilnehmen, können Sie dies im Vertrag explizit ausschließen. Ärzte und Ärztinnen, die das aber übernehmen, sollten jedoch darauf achten, dass dafür dann auch die Vergütung an sie weitergegeben wird. Schließlich zahlt die KV eine Pauschale an die Praxis für den Notdienst“, betont der Jurist.

Der Urlaub wiederum sollte 30 Tage betragen, was allerdings auch allgemein üblich ist. Darüber hinaus ist es eventuell sinnvoll, bei größeren MVZ den Tätigkeitsort einzuschränken. „Bei einem Konzern oder einer GmbH, die mehrere MVZ betreibt, hat der Arbeitgeber ansonsten ein Weisungsrecht und kann Sie mal an den Standort X schicken und nächsten Monat an den Standort Y“, warnt Höffken.

Haftung, Kündigungsschutz und weitere Goodies

Außerdem sollte der Arbeitgeber eine Haftpflichtversicherung für seine Angestellten abschließen und sie von Regressansprüchen seitens der Versicherung oder der KV befreien, so der Jurist. Ferner lässt sich der Kündigungsschutz verbessern. Denn für Kleinbetriebe, die weniger als zehn Mitarbeiter beschäftigen, gilt dieser nicht. „Möchte der Chef sich von Ihnen trennen, braucht er dafür keinen Kündigungsgrund. Sie haben quasi eine nie endende Probezeit. Um das zu vermeiden, kann man im Arbeitsvertrag abmachen, dass das Kündigungsschutzgesetz trotzdem anzuwenden ist“, rät Höffken.

Zu weiteren möglichen Goodies zählen ein Jobticket, in größeren MVZ kann im Einzelfall auch mal ein Dienstwagen drin sein. Alle diese Vereinbarungen sollten im Arbeitsvertrag schriftlich verankert sein. Einmaliges, wie ein Zuschuss zu den Umzugskosten, lässt sich dagegen in einer Nebenabrede oder einseitiger Erklärung festhalten.

Wann äußere ich meine Vorstellungen und mache ich mich nicht unbeliebt?

„Nachdem sich beide Parteien über das Gehalt geeinigt haben, legt der Arbeitgeber Ihnen üblicherweise einen Vertrag vor, den er von seinem Anwalt, Steuerberater oder der KV hat. Diesen sollten Sie mitnehmen und in Ruhe anschauen. Im Idealfall kommen Sie als MB-Mitglied zu uns. Dann machen wir Ihnen Vorschläge, was man verbessern kann oder überarbeiten den Entwurf, so dass Sie ihn im Änderungsmodus mit Ihrem neuen Arbeitgeber durchsprechen können“, beschreibt Höffken.

Doch befürchten Chefs nicht, dass, wer so gut Bescheid weiß, immer sofort „zum Anwalt rennt“? „Nein“, meint der erfahrene Gewerkschafter und führt aus: „Man sollte eine Verhandlung auch als Verhandlung verstehen. Es ist natürlich immer die Frage, wie man so etwas ‚verkauft‘. Sie können argumentieren, dass Sie bei einer so wichtigen Sache eine juristische Expertise benötigen. Außerdem sagen wir Ihnen in der Beratung, was Priorität hat und was nicht.“

Überhaupt empfiehlt er nicht nur auf die Vertragsinhalte zu schauen, sondern auch auf das eigene Bauchgefühl zu hören: „Schauen Sie, ob die Vertragsverhandlungen grundsätzlich wohlwollend verlaufen. Denn es muss vor allem menschlich passen. Man arbeitet im ambulanten Bereich schließlich viel enger zusammen. Die meisten Konflikte, die wir später klären müssen, drehen sich weniger um Gehalt und Leistungen, sondern gründen mehr auf persönlicher Verstimmung.“
Und wenn ich nicht optimal verhandelt habe, kann ich das nachträglich verbessern? „Ja, natürlich“, meint Höffken und resümiert: „Aber Ihre Verhandlungsposition ist ganz am Anfang am besten. Der größte Fallstrick ist, den Vertrag direkt zu unterschreiben.“

Zu folgenden Punkten können lohnenswerte Vereinbarungen im Arbeitsvertrag getroffen werden:

  • Gehaltsentwicklung
  • Umsatzbeteiligung & Überstundenregelung
  • Feste Arbeitstage bei Teilzeit & fixe Fortbildungstage
  • Betriebliche Altersvorsorge & Weiterzahlung im Krankheitsfall
  • KV-Notdienste, Urlaubstage & der Standort
  • Kündigungsschutz & Haftung

Was gilt für Weiterbildung und Nebenjob?

Ärzte, die ihre Weiterbildung zum Facharzt im ambulanten Bereich ableisten, müssen mindestens den Tarifstandard verdienen. „Erhält man wesentlich weniger, erkennt die Ärztekammer die Weiterbildung nicht an“, mahnt Höffken. Augen auf, heißt es auch beim Nebenjob im ambulanten Bereich, zum Beispiel wenn Kliniken ein angegliedertes MVZ betreiben. Hier muss darauf geachtet werden, dass die durch den Tarifvertrag automatisch zugesagten Leistungen nicht beim zweiten, außertariflichen Vertrag entfallen.

Der Experte:

Andreas Höffken

Der Kölner Rechtsanwalt Andreas Höffken ist Geschäftsführer des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen/Rheinland-Pfalz des Marburger Bundes.
Foto: privat

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