
Die Coronapandemie hat Ärzte und Ärztinnen im Arbeitsalltag vor Konflikte mit medizinisch-ethischen Grundsätzen gestellt und die psychische Gesundheit der Behandelnden stark beeinträchtigt. Das jedenfalls ergab eine anonymisierte Onlineumfrage des Kompetenznetzes Vorhofflimmern und der Ärztekammer Westfalen-Lippe. Für ihre Untersuchung befragten die beiden Kooperationspartner im Spätherbst 2021 insgesamt 1.476 Mitglieder der Ärztekammer zu ihrer Lebenssituation und den Belastungen, denen sie während der Pandemie ausgesetzt waren.
Die wichtigsten Ergebnisse: Mehr als ein Drittel der Befragten, vor allem Niedergelassene, fühlten sich durch externe Zwänge in der ärztlichen Arbeit behindert. 48 Prozent der Klinikärzte und 27 Prozent der Niedergelassenen berichteten über Fälle, in denen sie Schwierigkeiten hatten, die Würde ihrer Patienten zu wahren. Auf dem Gipfel der vierten Welle litt je ein Viertel der Befragten an einer Depression (23 %) oder einer Angststörung (24 %). Mehr als die Hälfte äußerte ein Gefühl von Hilflosigkeit. Die Mehrheit klagte über Schlafprobleme. Besonders betroffen waren Ärztinnen sowie Befragte mit nur wenigen Jahren Berufserfahrung.
„Die Pandemie und insbesondere die Behandlung von COVID-19-Patienten hatte gravierende Folgen für die ärztliche Arbeit in Kliniken und Praxen“, sagte der Erstautor der Studie, Prof. Dr. med. Karl-Heinz Ladwig von der Technischen Universität München (TUM). Ärztliches Handeln sei in seinen ethischen Grundzügen infrage gestellt worden. Traumatisierende Arbeitsinhalte hätten auch erfahrene Ärzte und Ärztinnen belastet, bei vielen zu seelischen Problemen geführt und ihre psychische Gesundheit beeinträchtigt.
„Ärzte und Ärztinnen konnten sich im Lauf der Pandemie nicht an die Situation anpassen“, sagte Ladwig weiter. Im Gegenteil: Die emotionalen Belastungen hätten mit der Zeit zugenommen. „Emotionale Störungen unter Ärztinnen und Ärzten haben ein kritisches Ausmaß erreicht.“ Die Studie ist in der Fachzeitschrift Nature Scientific Reports erschienen (DOI: 10.1038/s41598–023–32412-y).
Dtsch Arztebl 2023; 120(26): [4]