Der Rechtsbereich wird zunehmend automatisiert und digitalisiert. Apps berechnen Fristen, unterstützen bei Kündigungen oder sie verfassen und schließen neue Verträge. In Kliniken erleichtern Eigenentwicklungen den täglichen Arbeitsablauf. Aus rechtlicher Sicht gilt es, dabei einiges zu beachten.
Der Markt an rechtlichen Anwendungen ist stark gewachsen. Apps und Internetanwendungen lösen viele Angelegenheiten des täglichen Rechtslebens schnell und unbürokratisch. Einfache Apps geben Gesetzestexte wieder, allgemeine rechtliche Hinweise oder sogar Antworten auf Frequently Asked Questions (FAQ). Mit einem Hauch Arbeitsrecht versehen tummeln sich Lohn- und Gehalts- wie auch Tarifvertragsrechner. Andere Anwendungen bestimmen Fristen, beispielsweise die Zeit zur nächsten Kündigung. Vertragsgeneratoren leiten Anwendende durch den Aufbau eines Vertrags, vom Arbeitsvertrag bis zum Gesellschaftsvertrag. Auch medizinische Sachverhalte lassen sich mithilfe von Apps für spätere Zwecke dokumentieren.
Apps können gute Dienste erweisen
So gut die Apps auch sind, so drängt sich für den digitalen Mandanten gelegentlich die Frage auf: Kann man ihnen trauen? Aktualität und richtige Programmierung vorausgesetzt, erweisen diese Apps gute Dienste. Aus Sicht der Nutzenden sind die Apps meist einfach zu bedienen, die Antwort oder auch Handlung erfolgt schneller, als jeder Anwalt oder jede Anwältin die Fragen beantworten oder einen Text verfassen könnte.
Dennoch sollten die Nutzenden auf einige Kriterien achten, bevor sie die Apps verwenden:
- Es gilt, die Aktualität zu würdigen. Bestenfalls ist das Datum der letzten Aktualisierung genannt. Je aktueller das Datum der letzten Version, desto besser. Ältere Fassungen bergen die Gefahr, dass rechtliche Empfehlungen durch Rechtsprechung oder Gesetzesänderungen überholt sein können.
- Zu klären ist, ob sich Apps auf deutsches Territorium erstrecken, nicht dass die Anwendung österreichisches Recht oder das Recht eines anderen Landes im Blick hat.
- Anhaltspunkte für die Seriosität von Apps ergeben sich aus Impressum und der Datenschutzerklärung. Das Mindestmaß ist, dass die beiden Pflichtangaben überhaupt vorhanden und aktuell sind.
- Downloaden sollte man Apps besser aus offiziellen Stores, auch um Viren und Trojaner zu vermeiden.
- Ärztinnen und Ärzte müssen bei Apps auf ihre Verschwiegenheit und den Datenschutz achten. Zu prüfen ist, ob sie die Apps im beruflichen Umfeld datenschutzkonform einsetzen können.
- Letztlich ist natürlich wichtig, dass man die Erklärungen der Anwendung versteht.
Aufpassen bei Vertragsgeneratoren
Bei der Vertragsgestaltung ist regelmäßig zu beobachten, dass die Anwendenden eines Vertragsgenerators den Inhalt der Verträge nicht verstanden haben. Arztpraxen, die beispielsweise ihren Gesellschaftsvertrag auf einen ungeprüften GbR-Vertrag stützen, können in nicht gewünschte rechtliche Situationen geraten. Die Fehler beginnen bereits vor der Gründung: So könnte aus Haftungsgründen die Gründung einer Partnerschaftsgesellschaft sinnvoll sein. Auch bei anderen wichtigen Klauseln, beispielsweise zum Ausscheiden eines Arztes aus der Gesellschaft, wird den Gesellschaftern erst im Streitfall die Bedeutung der Klausel bewusst.
Selbst wenn viele Anwendungen Hilfestellungen geben, lohnt sich bei komplexen Verträgen der Gang zum Anwalt. Anwälte können Risiken und alternative Lösungswege skizzieren. Spätestens wenn es um größere finanzielle Folgen geht, zum Beispiel jene eines Praxiskaufs, sollten die Parteien eine Folgeabschätzung zwischen einem günstigen Vertragsgenerator und der Beratung eines Fachanwaltes wagen.
Verwaltungsabläufe: Arbeitsschritte einsparen
Es müssen nicht nur die alltäglichen Apps sein, die auch Ärztinnen und Ärzte anwenden. Zunehmend erleichtern Eigenentwicklungen in der Klinik und der Praxis den täglichen Arbeitsablauf. Voraussetzung ist, dass die Mitarbeitenden sie annehmen. Das bedarf einer sauberen Vorarbeit und Planung, bei der technisch versierte und erfahrene Juristen unterstützen.
Meist geht es um Verwaltungsabläufe, die Ärzte in ihrer täglichen Arbeit behindern. Sie dokumentieren ihre Befunde, füllen verschiedene Formulare aus, auch um Anträge bei den Kostenträgern zu stellen oder gesetzlichen Pflichten nachzukommen, schreiben Briefe. Bei all diesen Abläufen müssen sie wiederholt dieselben Parameter eingeben. Bestenfalls wird dies nur als belastend empfunden und raubt wertvolle Arbeitszeit. Schlimmstenfalls schleichen sich beim wiederholten Abtippen Fehler ein. Die Kunst besteht darin, die Arbeitsschritte und Daten einmal zu analysieren und zu erfassen. Im Anschluss ist herauszuarbeiten, welche Arbeitsschritte einzusparen sind. Nach der technischen Umsetzung erhalten Anwendende bestenfalls ohne weiteres Zutun fertig ausgefüllte Dokumente zur Freigabe.
Viele Arbeitsschritte werden wiederholt gemacht. Es gilt, diese Schritte herauszuarbeiten. Im Anschluss daran stellt sich die Frage, ob die Arbeit durch die Übergabe der Daten zwischen den verschiedenen Softwareprogrammen erleichtert oder durch weitere Software automatisiert werden kann. Gegebenenfalls lassen sich Daten über weitere Schnittstellen direkt an den Empfänger übermitteln. Dabei sind rechtliche Voraussetzungen, beispielsweise im Datenschutz, zu berücksichtigen. Entscheidungsparameter und Textbausteine sind aufgrund von Gesetzesänderungen oder Änderungen in der Rechtsprechung an die neuen rechtlichen Erkenntnisse anzupassen und möglichst fortlaufend zu aktualisieren.
Prozess des Legal Designs
Im Bereich des Legal Designs analysiert ein Jurist daher, welche Beteiligten es für eine aufgeworfene Problemstellung gibt. Er prüft die Anforderungen und Bedürfnisse sämtlicher Beteiligter, gegebenenfalls auch die Anforderungen Dritter. Anhand dieser Analyse versucht er, eine für alle Nutzenden optimale und vor allem praktikable, gegebenenfalls technische Lösung zu finden. Der Kauf einer Software allein kann den Prozess des Legal Designs nicht ersetzen. Viele Digitalisierungsversuche scheitern an der fehlenden Bedarfsanalyse der einzelnen Beteiligten. Denn diese müssen am Schluss täglich mit der Software arbeiten.
Dtsch Arztebl 2022; 119(43): [2]
Die Autoren
Dr. Andreas Staufer, Fachanwalt für Medizinrecht, Fachanwalt für IT-Recht
Kristin Kirsch, Rechtsanwältin
80336 München