Recht: Was bei Großschadenslagen gilt

9 November, 2021 - 07:26
Dr. Andreas Staufer
Einsatzkräfte bei Großschadensereignis

Stress und Hektik sind in Krankenhäusern und Arztpraxen vielfach an der Tagesordnung. Wenn darüber hinaus noch Gesundheit und Leben einer Vielzahl von Menschen bedroht ist, sprengt das allerdings den Normalzustand.

Aufgrund der zahlreichen landesspezifischen Vorgaben ist das Recht in Sachen Großschadenslagen äußerst komplex. Zudem enthalten manche Landesgesetze schlicht keine hinreichende Regelung. Dabei sind Großschadensereignisse hervorragend prädestiniert, Stress nicht nur bei den Mitarbeitenden zu verursachen. Man kann sich jedoch darauf vorbereiten, mit Alarm- und Einsatzplänen, regelmäßigen Schulungen und der Einhaltung gesetzlicher Vorgaben.

Verschiedene Begrifflichkeiten

Um folgende unterschiedlich definierte Begriffe geht es:

  • Das in den Landesrettungsdienstgesetzen übliche Großschadensereignis, auch Großschadenslage, wird als ein Ereignis definiert, das den Regelrettungsdienst an seine Grenze bringt.
  • Lebensbedrohliche Einsatzlagen (LbEL) sind nicht eindeutig klassifizierbare Einsatzlagen, die ein hohes Gefährdungspotenzial für Gesundheit und Leben von Menschen, einschließlich Einsatzkräften aufweisen. Der Begriff wird üblicherweise verwendet, wenn ein oder mehrere Täter meist mit Waffen, Sprengstoffen, gefährlichen Gegenständen oder mit hoher Gewalt Menschen verletzen oder töten wollen. Eine derartige Lage liegt bereits vor, wenn eine solche Gefahr droht.
  • Ein Massenanfall an Verletzten oder Erkrankten (MANV) beschreibt nach der neuesten Fassung der DIN 13050, die die Begriffe aus dem Rettungswesen definiert, einen Notfall mit einer großen Anzahl von Verletzten und/oder Erkrankten sowie Betroffenen (DIN 13050:2021–10 Nr. 3.37).
  • Eine Katastrophe gilt als ein über das Großschadensereignis hinausgehendes Ereignis, mit einer wesentlichen Zerstörung oder Schädigung der örtlichen Infrastruktur, bei dem die medizinische Versorgung mit eigenen Mitteln und Einsatzstrukturen des Rettungsdienstes nicht allein bewältigt werden kann (DIN 13050:2021–10 Nr. 3.25). Die Übergänge können, müssen aber nicht fließend sein.

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Eine Katastrophe liegt abhängig vom jeweiligen Katastrophenschutzgesetz der Länder erst vor, wenn sie durch die zuständige Stelle ausgerufen wird. Das hat Folgen: So wechseln mitunter Zuständigkeiten und Handlungsspielräume der Beteiligten. Diese gelten allerdings nicht uneingeschränkt. Vielmehr müssen die Beteiligten weiterhin gesetzliche und verfassungsrechtliche Vorgaben beachten. Leider unterscheidet sich das jeweilige Landesrecht nicht nur in Nuancen. Die Vorbereitung der jeweiligen Beteiligten auf Großschadenslagen ist bundesweit uneinheitlich geregelt. Das betrifft nicht nur die Bezeichnung der Einsatzkräfte, -mittel und -gruppierungen, sondern auch Unterschiede in den verschiedenen Einsatzlagen.

Der Grundsatz: Eigenschutz geht vor

Ärzte sollten bei einer Lebensbedrohlichen Einsatzlage oder einem Großschadensereignis zunächst einen Schutzbereich aufsuchen, sollten sie nicht gerade einem Spezialkräfteteam angehören. Zwar sind auch zufällig anwesende Kräfte einschließlich der Spontanhelfer allgemein zur Ersten Hilfe verpflichtet. Dabei muss sich jedoch niemand selbst gefährden. Der Grundsatz lautet: Eigenschutz geht vor. Weisungen der Polizei oder anderer Ordnungs- oder Sicherheitsbehörden ist grundsätzlich zu folgen.

Als Ersthelfer haben Ärzte eigentlich kein Weisungsrecht über den Rettungsdienst oder andere Beteiligte. Ein kollegiales Miteinander ist dennoch zu begrüßen. Ärzte sind als zufällig vor Ort anwesende Ersthelfer über die gesetzliche Unfallversicherung abgesichert. Welche zusätzlichen Versicherungen empfehlenswert sind, ist abhängig von der persönlichen Lebenssituation.

Die Tätigkeit der professionellen Helfer richtet sich selbst bei Großschadenslagen zunächst noch nach dem jeweiligen Fachrecht, insbesondere den Gesetzen der Länder für Feuerwehr, Polizei und Rettungsdienst, Brandschutz und Hilfeleistung sowie Sicherheit. Jedes Bundesland hat eigene Landesgesetze erlassen. Das gilt auch für das Krankenhausrecht. Es gilt das Föderalismusprinzip. Letztlich fehlt meist eine eindeutige Rechtslage der verschiedenen Schnelleinsatzgruppen und des Sonderbedarfs.

Auf Großschadensereignisse vorbereitet sein

Krankenhäuser sind ebenfalls in die Alarm- und Einsatzplanung einzubinden. Eine etwaige Pflicht, Kliniken einzuplanen oder selbst daran mitzuwirken, richtet sich nach dem Landesrecht. Dies kann in Großschadensfällen bis hin zu einer Steuerung der Patientenströme durch die zuständigen Stellen führen. Regelmäßig sollten Krankenhäuser auch über Alarm- und Notfallpläne verfügen. Bei größeren Einheiten sind gegebenenfalls die Regelungen zum Schutz kritischer Infrastrukturen zu beachten.

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Krankenhäuser sollten sich auf Großschadensereignisse einstellen und regelmäßig ihre Befähigung dazu prüfen. Das kann auch das Prüfen baulicher Maßnahmen erfordern, beispielsweise um kontaminierte Patienten zu separieren. Auch darüber hinaus kann es sich lohnen, eine eigene Alarm- und Einsatzplanung zu erarbeiten und regelmäßig zu prüfen sowie die Mitarbeitenden zu schulen – auch um ein etwaiges Organisationsverschulden zu vermeiden. Eine Orientierung bietet beispielsweise das Handbuch Krankenhausalarm- und -einsatzplanung des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Die Vorgaben sind mitunter Ländersache. Mitarbeitende oder Mitstreitende bei den Rettungsdiensten, aber auch im Krankenhaus, sollten mit den Handlungskonzepten vertraut sein. Es obliegt der jeweiligen Einrichtung oder Organisation, diese auch zu schulen.

Einsatzleiter von psychischem Druck befreien

Vor allem ehrenamtliche und nebenberufliche Einsatzleiter haben zuweilen Schwierigkeiten, solche Lagen juristisch zu klassifizieren. Das gilt spätestens dann, wenn Entscheidungen weitreichende gesundheitliche oder finanzielle Folgen nach sich ziehen können und diese gegeneinander abzuwägen sind. Dann kann es sich als hilfreich erweisen, je nach Lage erfahrene Juristen in beratender Funktion in den Stab einzubeziehen. Deren Anwesenheit kann Einsatzleiter auch mental unterstützen, auf jeden Fall sind sie juristisch zu schulen.

Dtsch Arztebl 2021; 118(45): [2]

Der Autor:

Dr. Andreas Staufer
Partner, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht und für Informationstechnologierecht
FASP Finck Sigl & Partner
80336 München

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