
Bei jedem Einsatz zählt der Faktor Zeit. Ob im Regelrettungsdienst, bei einem Massenanfall von Verletzten oder bei Katastrophen: Professionell Helfende erzielen den besten Outcome vielfach nur mit einer funktionierenden Ersthelferkette.
Die Einbindung nicht organisierter Helfender bietet immer wieder organisatorische und rechtliche Schwierigkeiten. Es gibt keine gesetzliche Definition des „Spontanhelfers“ oder des „ungebundenen Helfers“. In einigen Gesetzen ist die Unterstützung freiwillig Mitwirkender vorgesehen, die daher nicht verboten ist. Sie kann im Falle einer im Mindestmaß nachgewiesenen Grundausbildung oder höheren Qualifikation und Berufsausbildung sogar opportun sein. Spontanhelfer können beschrieben werden als Menschen, die vor Ort sind, helfen wollen, dabei aber nicht im Auftrag der vor Ort tätigen Organisationen tätig werden. Sie können organisiert sein, qualifiziert sein und über eine professionelle Ausbildung verfügen, zum Beispiel als Pflegefachkraft oder Arzt.
Spontanhelfer: keine rechtliche Grauzone
Ob Verantwortliche oder Helfer: Viele wähnen sich schnell in einer rechtlichen Grauzone. Doch so ominös ist diese Zone gar nicht. Die rechtlichen Fragen sind zwar vielfältig, aber weder unlösbar noch ungelöst. Das Gesetz gibt Regelungen vor. Meist sind diese jedoch unbekannt oder in der Eile nicht befriedigend zu lösen. Grauzonen lassen sich eher auf fehlende Vorbereitung, fehlende Schulungen oder ein unzureichendes Rechtsverständnis zurückführen. Daher stellen sich vielfach Fragen: Kann, darf oder muss ich ungebundene Helfer einbinden? Muss ich sie nach ihrer Qualifikation beschäftigen? Haftet der Helfer? Haftet der Entscheider? Haftet die dahinterstehende Organisation? Selbst die Frage nach dem „Kann ich sie wegschicken?“ wird spätestens dann akut, wenn sich eine Gruppe über Apps oder soziale Netze mobilisiert und professionell Helfende ungewollt, aber faktisch behindert.
Letztlich ist die Frage der Einbindung von Spontanhelfern abhängig von der aktuellen Lage. Zu klären ist, ob und wie sie eingesetzt werden können. Auch Möglichkeiten der Delegation sind abhängig von der nachgewiesenen Qualifikation der Helfer zu prüfen, ebenso die Risiken, denen die Helfenden ausgesetzt sind. Organisatorisch bietet die ISO 22319 einen Leitfaden für das Planen der Einbindung von Spontanhelfern.
Haftung und Versicherung von Helfenden
Die Haftung ungebundener Helfer gegenüber Dritten richtet sich nach der Art und Weise der Einbindung ins Einsatzgeschehen. Sowohl bei der Einbindung als Verwaltungshelfer als auch bei einer Tätigkeit im Rahmen einer Geschäftsführung ohne Auftrag ist die Haftung beschränkt. Gegen Helfende gerichtete Schadenersatzansprüche dürften sich nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit realisieren lassen. Vorsätzliches Verhalten liegt vor, wenn Helfende bewusst und gewollt bei einer Hilfeleistung eine Verletzung zufügen, einen Schaden verursachen oder dies zumindest billigend in Kauf nehmen.
Auch ein spontan am Einsatzort anwesender Arzt darf und muss ärztliche Hilfe leisten, die er beherrscht, soweit er sich diese in der konkreten Situation zutraut. Andernfalls sind mildere Maßnahmen zu ergreifen. Geht es um erfahrenes Rettungspersonal, insbesondere Notärzte, wird ein höherer Sorgfaltsmaßstab diskutiert. Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass ein zufällig anwesender Notarzt von dem Notfall ebenso überrascht ist wie zufällig anwesende Laien. Dadurch verfügt selbst der zufällig anwesende Notarzt bei einer echten Ersten Hilfe nicht über ein vergleichbares apparatives und gedankliches Setting. Selbst die fehlende Dienstkleidung wirkt sich mental zu seinen Lasten aus. Das wird bei der erwarteten Sorgfaltspflicht berücksichtigt. Bestenfalls haben Helfende selbst oder über eine Organisation eine freiwillige Haftpflichtversicherung, die auch grobe Fahrlässigkeit abdeckt.
Im Falle eines Eigenschadens der Helfer kann dieser über das Siebte Sozialgesetzbuch (SGB VII) zur Gesetzlichen Unfallversicherung abgesichert sein. So sind mitunter Menschen versichert, die in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder im Zivilschutz unentgeltlich tätig sind, insbesondere ehrenamtlich, oder an Ausbildungsveranstaltungen dieser Unternehmen teilnehmen. Ebenso sind Menschen versichert, die bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr Nothilfe leisten oder einen anderen retten.
Schwieriger zu beurteilen ist die Frage des Organisations- und Auswahlverschuldens. Die verantwortlichen professionell Helfenden müssen sich gegebenenfalls für ihre Entscheidung rechtfertigen, Helfende nicht oder fehlerhaft eingesetzt oder falsch ausgewählt zu haben. Um spätere Auslegungsfragen zu vermeiden, lohnt es, die potenziellen Ansprüche zu prüfen und unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Einsatzszenarien Handlungsempfehlungen auszuarbeiten. Das gilt vor allem bei internationalen Einsätzen.
Helfer-Apps als zeitgemäße Alarmierung
Helfer-Apps scheinen ein modernes Mittel zu sein, kurzfristig auch nicht in den Einsatzplänen aufgenommene oder auch nur kurzzeitig anwesende Helfer zu mobilisieren. Die Möglichkeiten einer strukturierten Alarmierung und Entsendung zufällig in der Nähe befindlicher Menschen kann ebenso Vorteile bieten wie der Nachweis einer Qualifikation. Verbesserungsfähig ist bislang noch die Zusammenarbeit der Anbieter untereinander und die fortwährende Prüfung der Qualifikation.
Der Alarmierung durch Helfer-Apps ist in der Bedarfsplanung gebührende Aufmerksamkeit zu schenken. Denn die teilweise mehrfach organisierten Helfer dürfen im Rahmen der Bemessung einsetzbarer Kräfte nicht durch eine anderweitige Tätigkeit verhindert sein. Sie gehören nach der derzeitigen gesetzlichen Konzeption nicht zum Rettungsdienst, zum Katastrophenschutz oder den Krankenhäusern. Es gebührt dem Gesetzgeber, die Einbindung ungebundener Helfer zu erleichtern.
Erstellen von Konzepten in krisenfreien Zeiten
Letztlich empfiehlt es sich, bereits in krisenfreien Zeiten die Einbindung spontaner Helfer in das Einsatzgeschehen zu konzeptionieren, zu prüfen und zu üben. Beim Erarbeiten entsprechender Konzepte können im Katastrophenschutz erfahrene Juristen hilfreich sein, die Rechtsfragen auch aus der Praxis kennen.
Dtsch Arztebl 2023; 120(27): [2]
Der Autor
Dr. Andreas Staufer
Fachanwalt für IT-Recht, Fachanwalt für Medizinrecht
Staufer Kirsch GmbH
80336 München