Mitarbeitergewinnung: In sechs Schritten zum strukturierten On- und Offboarding

23 Juni, 2020 - 07:48
Thomas Giesemann
Vernetzte Arbeitsprozesse, grafische Darstellung

Für ein erfolgreiches On- und Offboarding sind die Führungskräfte aller Abteilungen verantwortlich, nicht nur die Personalabteilung. Denn Mitarbeitende verlassen nicht die Klinik, sondern die Führungskraft.

Bedenkt man, dass jeder fünfte Mitarbeitende bereits in der Probezeit wieder kündigt, dann sollten Führungskräfte ein besonderes Augenmerk auf das On- und eigentlich auch auf das Offboarding richten.

Viele Unternehmen haben bereits entsprechende Konzepte. Andere wiederum haben sich damit noch nicht ausreichend beschäftigt. Gut ist, spezielle Programme zu implementieren, damit es gelingt, potenzielle Bewerberinnen und Bewerber zu interessieren, sie zu umwerben, zu begeistern und schließlich an Bord zu holen. Sinnvoll ist, diesen ganzen Prozess strukturiert in sechs Schritten zu gehen.

Schritt 1: Interesse wecken

Mitarbeitende aus dem eigenen Unternehmen können mit Beiträgen auf entsprechenden Plattformen, wie kununu, YouTube oder WhatsApp, über und damit für das eigene Unternehmen sprechen und sich so zum Influencer im Unternehmen entwickeln. Marketing, Personalabteilung und die IT unterstützen mit einem entsprechenden Internetauftritt und fördern über das Intranet die Lust, Influencer zu werden. Schließlich schlägt die Personalabteilung der Geschäftsführung ein steueroptimiertes Prämienmodell für Mitarbeitende vor, das gewonnene Kontakte belohnt.

Schritt 2: Umwerbung

Mit Unterstützung der Personalabteilung werden Anfragen von Interessierten direkt den Führungskräften im Haus zugeordnet. Nach dem ersten persönlichen Kontakt zwischen Chef und interessiertem verfolgt die Personalabteilung diesen Prozess in festgelegten Zeitintervallen. Ziel ist, die Interessierten näher an das Unternehmen heranzuführen. Dabei wird sicherlich viel Geduld gefordert sein.

Schritt 3: Begeisterung

Aufgabe der Führungskräfte wird dann sein, die eigene Begeisterung für das Unternehmen zu vermitteln. Dabei geht es darum, über die Werte, das Leitbild und auch die Vision des Unternehmens zu berichten und das Interesse an der Klinik zu steigern. Daraus können Vorstellungsgespräche, Probearbeitstage und vielleicht auch Praktika entstehen. Ziel ist, Interessierte zu begeistern. Denn wer begeistert ist, wird in seinem Umfeld darüber berichten, vielleicht auch auf der Arbeitgeber-Bewertungsplattform kununu. Dabei muss auch das eigene Team oder zumindest Teile davon ins Spiel kommen. Denn nach einer erfolgreichen Anwerbung wird auf dieser Ebene das tägliche Miteinander erfolgen. Interessierte oder Bewerber müssen wissen, wer zum Team gehört.

Unternehmen, die sich diese Zeit nicht nehmen, werden es schwer haben, nachhaltig die richtigen Mitarbeiter zu gewinnen. Wichtig: Begeisterung entsteht durch Authentizität und auch durch persönliche Nähe. Das kann auch heißen, dass erste Treffen nicht unbedingt am späteren Arbeitsort stattfinden müssen. Heute umwerben die Unternehmen die Kandidaten – warum also nicht ein Treffen am neutralen Ort oder auf halbem Weg? Das erste Gespräch erfordert Offenheit und Wertschätzung. Eine gute Führungskraft eröffnet ein solches Gespräch mit Informationen über sich selbst. Das Gegenüber wird das wertschätzen. Ein echtes Gespräch kann entstehen – und das ist kein Vorstellungsgespräch.

Schritt 4: Angebot

Auch wenn sich der Markt für viele Berufsgruppen mittlerweile zu einem Arbeitnehmermarkt entwickelt hat, heißt das nicht, dass Kliniken in den Wettbewerb um immer mehr Gehalt oder eine Antrittsprämie einsteigen müssen. Auch die eigenen Mitarbeitenden können unterstützen. Die Klinik kann ein Programm „Mitarbeiter werben Mitarbeiter“ entwickeln und einführen.

Wichtig wird das Gesamtpaket sein, das das Haus anbietet. Mit oder ohne Tarif, wichtig ist ein marktkonformes Gehalt. Doch zusätzliche Leistungen wie Betriebliches Gesundheitsmanagement, Familienfreundlichkeit, Altersversorgung, Urlaubstage, Arbeitszeitmodelle, Jobsharing und auch Homeoffice sind den Ärztinnen und Ärzten wichtiger geworden. Vom Sinn der Arbeit bis hin zum Klimaabdruck des Unternehmens gehört alles in die Phasen der Umwerbung und Begeisterung.

Schritt 5: Probezeit

Wer hat eine Probezeit, das Unternehmen oder der neue Mitarbeitende? Diese Zeit beginnt am ersten Tag: Hat das Unternehmen den ersten Tag vernünftig vorbereitet? Von der persönlichen Begrüßung am Empfang, dem Namensschild an der Tür, der ersten Büroausstattung bis hin zu den Kollegen, die als Coach oder Pate fungieren? Ist ein Blumenstrauß oder ein gemeinsames Team-Essen vorbereitet? Die zuständige Führungskraft sollte dort anknüpfen, wo die Phase der Begeisterung geendet hat. Das dort entstandene Gefühl füreinander ist aufzunehmen und fortzuentwickeln.

In die Probezeit gehören regelmäßige Feedbackgespräche. Zu diesen Gesprächen gehört auch, dass sie für beide Seiten gelten und ernst genommen werden. Bisher ist nicht nur viel Zeit, sondern auch viel Geld geflossen. Das heißt auch, dass die Führungskraft die Botschaften des gesamten Teams einholt. Das schafft Wertschätzung und Zugehörigkeit. Die Gespräche gehören nicht in den letzten Monat, sie sind permanent innerhalb der gesamten Zeit und nach einem Plan zu absolvieren. Sie sind ernst zu nehmen und sollten von der Personalabteilung angestoßen und nachverfolgt werden.

Neue Mitarbeitende sind langsam an ihre Aufgaben heranzuführen. Fehler sollten zum Lernen genutzt werden. Mitarbeitende, die Fehler machen dürfen, machen nachweislich weniger Fehler. Aufgaben kann man lernen, das Verständnis füreinander aber, das sogenannte Bauchgefühl muss von Anfang an stimmen. Und dass bedeutet, dass eine nachhaltige Personalgewinnung sehr viel Zeit erfordert.

Schritt 6: Offboarding

Und trotzdem klappt es nicht immer. Darum ist auch das Offboarding zwingend vorzusehen. Was ist gut gelaufen und was ist warum nicht gut gelaufen? In welchen Phasen muss das Haus künftig anders auftreten? Was haben die Beteiligten daraus zu lernen? Jetzt zeigt sich, ob die Phasen Umwerbung und Begeisterung gut funktioniert haben. Wenn ja, wird im Offboardingprozess ein Gespräch auf Augenhöhe gelingen können. Die Fehlerkultur hilft, mit Fehlern offen umzugehen. Mit einer guten Offboarding-Kultur gewinnt das Unternehmen. Führungskräfte sollten sich die Zeit nehmen und sich dem Thema On- und Offboarding widmen. Ihre Mitarbeitenden und das Unternehmen werden es ihnen danken.

Dtsch Arztebl 2020; 117(26): [2]
 


Der Autor:

Thomas Giesemann
HR Interim Manager
Mitglied des Initiativkreises neue Personalarbeit
in Krankenhäusern (InPaK)

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