Selbstreflexion: Schlüssel zu mehr Kompetenz und weniger Stress

6 August, 2024 - 07:45
Dr. med. Matthias Weniger
Selbstreflexion Symbolbild

Die Fähigkeit zur Selbstreflexion fördert die persönliche und berufliche Entwicklung. Zudem trägt sie dazu bei, Stress zu reduzieren. Mit bestimmten Techniken verbessern Ärztinnen und Ärzte ihre Reflexionsfähigkeit. Die Integration dieser Praktiken in den Alltag hilft, ein ausgeglicheneres Berufsleben zu führen.

Selbstreflexion ist ein bewusster Prozess, in dem man über eigene Gedanken, Gefühle, Verhaltensweisen und Erfahrungen nachdenkt und diese analysiert. Es geht darum, sich selbst aus einer möglichst objektiven Perspektive zu betrachten, um ein tieferes Verständnis für die eigenen Reaktionen und Handlungen zu entwickeln. Diese Fähigkeit ermöglicht es, persönliche Stärken und Schwächen zu erkennen, aus Erfahrungen zu lernen und gezielte Veränderungen vorzunehmen. Selbstreflexion ist ein Schlüssel zur persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung und unterstützt dabei, bewusste Entscheidungen zu treffen und effektiver mit Herausforderungen umzugehen.

Konfrontation mit dem inneren Selbst

Selbstreflexion fällt vielen Menschen schwer, da sie oft mit unangenehmen Gefühlen und Erkenntnissen verbunden ist, wenn man sie auf eine übertriebene kritische Art praktiziert. Es erfordert Mut und Ehrlichkeit, sich den eigenen Fehlern, Schwächen und unbewussten Verhaltensmustern zu stellen. Diese Konfrontation mit dem inneren Selbst kann schmerzhaft sein und Angst vor negativen Entdeckungen auslösen. Zudem verlangt Selbstreflexion Zeit und Ruhe, die im hektischen Alltag oft knapp sind. Viele Menschen meiden diesen Prozess, um sich vor emotionalem Unbehagen zu schützen oder weil sie glauben, keine Zeit dafür zu haben. Die Angst vor Veränderung und die Bequemlichkeit, in gewohnten Mustern zu verharren, tragen auch dazu bei, dass Menschen Selbstreflexion häufig vernachlässigen.

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Wer eigene Gedanken, Gefühle, Werte und Verhaltensweisen analysiert und sich selbst besser versteht, kann die kontinuierliche persönliche und berufliche Entwicklung fördern. Diese Fähigkeit deckt Schwächen und Stärken auf und schafft die Grundlage für Verbesserungen. Darüber hinaus ist Selbstreflexion ein effektives Mittel zur Stressbewältigung und Burn-out-Prävention. Durch regelmäßiges Nachdenken über die eigenen Erfahrungen und Emotionen können Ärztinnen und Ärzte besser mit den täglichen Herausforderungen und Belastungen umgehen, die der Beruf mit sich bringt.

Techniken zur Förderung der Selbstreflexion

  • Tagebuchführung: Sie ist eine bewährte Methode zur Selbstreflexion. Durch das regelmäßige Schreiben über tägliche Erfahrungen, Gedanken und Gefühle gewinnen Ärztinnen und Ärzte Klarheit über ihre Emotionen und Verhaltensweisen. Das Tagebuch kann helfen, Muster zu erkennen und Lösungsstrategien für wiederkehrende Probleme zu entwickeln. Es bietet einen sicheren Raum, um über Erfolge und Misserfolge nachzudenken und daraus zu lernen.
  • Feedback von Kolleginnen und Kollegen: Der Austausch mit Kollegen kann wertvolle Einblicke und Perspektiven bieten. Regelmäßige Peer-Review-Treffen oder Supervisionssitzungen ermöglichen es, Feedback zu erhalten und zu geben. Dies fördert die persönliche Entwicklung und stärkt die Zusammenarbeit im Team. Supervision bietet zudem die Möglichkeit, schwierige Fälle und Emotionen in einem unterstützenden Umfeld zu reflektieren.
  • Selbstbeurteilung: Verschiedene Selbstbewertungsinstrumente, wie Fragebögen und Skalen, können Ärztinnen und Ärzten helfen, ihre eigene Leistung und Zufriedenheit einzuschätzen. Spezifische Reflexionsfragen, die sie regelmäßig beantworten, unterstützen die Analyse des eigenen Verhaltens und der eigenen Gefühle. Fragen wie „Was habe ich heute gut gemacht?“ oder „Was hätte ich anders machen können?“ fördern das kritische Nachdenken und die persönliche Weiterentwicklung.
  • Meditation und Achtsamkeit: Diese wirkungsvollen Techniken fördern die Selbstreflexion. Achtsamkeitsübungen helfen, im Moment zu bleiben und Gedanken und Gefühle ohne Bewertung zu beobachten. Regelmäßige Meditation kann innere Ruhe und Klarheit fördern, was die Reflexionsfähigkeit verbessert. Diese Techniken tragen auch zur Stressreduktion bei, indem sie helfen, den Geist zu beruhigen und einen Ausgleich zu den täglichen Anforderungen zu schaffen.
  • Mentoring und Coaching: Mentorenprogramme und professionelles Coaching unterstützen gezielt bei der Selbstreflexion und persönlichen Entwicklung. Mentoren können wertvolle Ratschläge und Perspektiven bieten, während ein Coach durch gezielte Fragen und Techniken die Reflexionsfähigkeit fördert. Beide Formen der Unterstützung helfen, persönliche Ziele zu definieren und zu erreichen.

Integration der Techniken in den Alltag

Um Selbstreflexion effektiv zu nutzen, ist es wichtig, sie in den Alltag zu integrieren. Routinen und Rituale, wie das tägliche Schreiben im Tagebuch oder regelmäßige Meditationsübungen, können helfen, eine Reflexionspraxis zu etablieren. Zeitmanagement spielt dabei eine entscheidende Rolle. Es ist wichtig, bewusst Zeitfenster für die Selbstreflexion zu planen und zu reservieren, um sie zu einem festen Bestandteil des Alltags zu machen.

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Regelmäßige Selbstreflexion hilft, die Hauptstressoren im Berufsalltag zu identifizieren. Durch die Analyse von belastenden Faktoren können Ärztinnen und Ärzte priorisieren und gezielte Lösungsstrategien entwickeln. Das bewusste Nachdenken über stressige Situationen und die Suche nach positiven Veränderungen fördern die Stressbewältigung. Negative Gedankenmuster können erheblichen Stress verursachen. Selbstreflexion hilft, diese Muster zu erkennen und durch positive, realistische Sichtweisen zu ersetzen. Die kognitive Umstrukturierung fördert eine positivere Einstellung und reduziert die Belastung durch negative Gedanken.

Reflexion über eigene Gesundheitsgewohnheiten

Entscheidend für die Stressbewältigung ist die Reflexion über die eigenen Gesundheitsgewohnheiten. Regelmäßige Bewegung, gesunde Ernährung und ausreichend Schlaf tragen zum allgemeinen Wohlbefinden bei. Eine bewusste Überprüfung und Anpassung dieser Gewohnheiten fördern die Selbstfürsorge und reduziert Stress. Zudem ist es wichtig, die Balance zwischen Arbeit und Privatleben regelmäßig zu überprüfen und anzupassen, um Überlastung zu vermeiden.

Dtsch Arztebl 2024; 121(16): [2]

Der Autor:

Dr. med. Matthias Weniger
Ärztlicher Leiter
Institut für Stressmedizin Rhein Ruhr
45525 Hattingen

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