
Die Folgen des Fachkräftemangels in den Krankenhäusern zeigen sich allerorten: Abteilungen werden vorübergehend oder ganz geschlossen und dass ganze Kliniken aufhören, liegt nicht nur daran, dass sie unwirtschaftlich arbeiten – Grund ist auch, dass die Häuser immer mehr Probleme haben, Fachpersonal zu bekommen. Angefangen hat diese Entwicklung bei den Pflegekräften, doch inzwischen werden auch Fachärztinnen und -ärzte gesucht. Mit bedenklichen Folgen: Die medizinische Versorgung ist in einigen Regionen ernsthaft eingeschränkt oder bedroht. Das ist auch bei offiziellen Stellen bekannt. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hat darum das Programm „Specialized!“ ins Leben gerufen. Das Programm soll beim Recruiting, bei der Vermittlung und Qualifizierung von Humanmedizinern und -medizinerinnen aus Mexiko, Jordanien und Kolumbien helfen.
„Specialized!“ wurde 2017 gestartet. Umgesetzt wird es durch die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der BA, unterstützt durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), das Netzwerk Integration durch Qualifizierung (IQ), das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und das Auswärtigen Amt. Als Kooperationspartner konnten die IQ-Landesnetzwerke gewonnen werden.
Das Programm wird seit 2023 bundesweit angeboten und schon in vielen Regionen umgesetzt. Arbeitgeber werden bei der Auswahl, Qualifizierung und Integration ärztlichen Personals unterstützt. Dabei spielen die enge Begleitung durch die ZAV und das etablierte Netzwerk mit allen relevanten Akteuren eine besondere Rolle. Der Prozessablauf von der Auswahl der Bewerberinnen und Bewerbern im Herkunftsland bis zum Beginn der Facharztausbildung verläuft rechtssicher, zeitlich verkürzt und ist gut organisiert.
Für Kliniken in der Peripherie besonders interessant
Besonders für Krankenhäuser im ländlichen Raum ist das Programm interessant, denn sie haben häufig größere Schwierigkeiten, ihre Vakanzen zu besetzen und oft keine personellen Kapazitäten, um Personalverantwortliche auf dem internationalen Markt suchen zu lassen. Diese Aufgabe übernimmt die BA für sie. Die Kliniken erhalten auf diese Weise eine Chance, Kontakte zu gut ausgebildeten mexikanischen, kolumbianischen und jordanischen Medizinern und Medizinerinnen zu knüpfen, die in Deutschland eine Facharztweiterbildung absolvieren möchten und eine langfristige berufliche Perspektive suchen. Das Programm orientiert sich bei den gewünschten Fachrichtungen an der Nachfrage der Kliniken in Deutschland. Außerdem werden bei der Vorauswahl neben der medizinischen Qualifikation vor allem die Deutschkenntnisse und die Motivation, eine berufliche Karriere in Deutschland anzustreben ausgewertet. So verzeichnet „Specialized!“ bisher eine weit überdurchschnittliche Bleibequote der teilnehmenden Ärztinnen und Ärzten.
Ein weiter Pluspunkt: Die Teilnahme ist weder für die medizinischen Einrichtungen noch für die Bewerber und Bewerberinnen mit Vermittlungsgebühren verbunden. Die teilnehmenden Ärztinnen und Ärzte aus dem Ausland werden bei allen notwendigen Schritten eng begleitet und bekommen eine Ansprechpartnerin oder einen Ansprechpartner zur Seite gestellt.
Unterstützung bei organisatorischen Herausforderungen
Die Gewinnung von Fachkräften aus Drittstaaten ist ein organisatorisch anspruchsvoller Prozess, die Unterstützung durch „Specialized“ wird durch die bisher teilnehmenden Kliniken daher als große Hilfe wahrgenommen. Im Vorfeld erscheinen die Herausforderungen jedoch oft höher als sie sind. Friederike Meyer-Belitz, Erste Fachkraft / operative Programmkoordination „Specialized!“, berichtet, dass die Ansprache der Kliniken nicht einfach ist: „Da Kliniken im Bereich der Personalarbeit langwierige Entscheidungsprozesse haben, stehen derzeit mehr als 110 vermittlungsreife Bewerber und Bewerberinnen zur Verfügung. Anders als bislang im ärztlichen Bereich üblich ist „Specialized!“ eine mittelfristige Personalgewinnungsmöglichkeit. Und so komplex wie die administrativen Prozesse sind, muss leider auch das Programm sein.“
„Specialized“ ist erfolgreich: Bisher wurden mehr als 150 Ärztinnen und Ärzte bis zur Arbeitsaufnahme begleitet. Weitere 40, die sich derzeit in der Vorbereitung der Einreise befinden, konnten an Kliniken vermittelt werden. Der bisherige Erfolg gibt dem Programm recht und es wird dringend gebraucht: „Specialized ist ein guter Weg. Das zeigt sich auch daran, dass die Kliniken, die einmal teilgenommen haben, sich zu 80 Prozent für eine wiederholte Teilnahme entscheiden. Außerdem ist die Abbruchquote sehr gering – auch im ländlichen Raum", so Meyer-Belitz.
Vorteile von „Specialized!“
- „Specialized!“ arbeitet als Netzwerk kostenfrei. Das Programm unterstützt einen rechtssicheren, neutralen und fairen Migrationsprozess.
- Die Investitionen, die Kliniken vornehmen, gehen demnach direkt in Lohnkosten während einer ersten Hilfstätigkeit, die die Ärztinnen und Ärzte zur Sicherung Ihres Lebensunterhalts erhalten.
- Alle Kandidatinnen und Kandidaten bringen B2 Deutsch-Kenntnisse und ein abgeschlossenes Studium mit.
- „Specialized!“ ermöglichen die Nutzung diverser staatlicher Fördermöglichkeiten.
- Es steht durchgehend eine Ansprechpartnerin oder einen Ansprechpartner zur Begleitung der Ärztinnen, Ärzte sowie der Arbeitgeber zur Verfügung.
Über Erfahrungen mit "Specialized!" berichtet in unserem Podcast "Bis der Arzt kommt" auch Thomas Hesse, Personaldirektor am Klinikum Saarbrücken.
Hier geht's zum Podcast: Folge 7: Ärztinnen und Ärzte aus dem Ausland gewinnen