Krankenhäuser müssen sich heute etwas einfallen lassen, um am Fachpersonal zu kommen. Die Suche im Ausland nach Angestellten ist schon länger ein Baustein des Recruitings vieler Kliniken. Das Klinikum Saarbrücken hat sich in Mexiko umgeschaut und mehrere Mediziner gefunden, die in Kürze im Klinikum anfangen werden. Thomas Hesse, Personaldirektor am Klinikum Saarbrücken, berichtet im Interview vom Auswahlprozess und wie die ausländischen Ärztinnen und Ärzten beim Onboarding unterstützt werden.
Herr Hesse, warum sind Sie in Mexiko auf die Suche nach Ärzten gegangen?
Thomas Hesse: In den vergangenen Monaten ist es uns gelungen, unsere Stellen mit qualifizierten Bewerbern zu besetzen. Trotzdem zeichnet sich immer mehr ein Fachkräftemangel in den Kliniken ab – deshalb werden wir frühzeitig vorausschauend aktiv. Im Ausland suchen derzeit viele gut qualifizierte Medizinerinnen und Mediziner Assistenzarztstellen für ihre weitere Ausbildung, oder sie finden keine Stelle, die zu ihrer Ausbildung passt. Das Programm der Bundesagentur für Arbeit „Specialized!“ führt Kliniken in Deutschland und Humanmediziner und -innen aus ausgewählten Partnerländern zusammen. Jetzt ist „Specialized!“ im Saarland mit dem Klinikum Saarbrücken als einziger regionaler Pilotklinik gestartet.
Es handelt sich also um eine Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit. Welche Aufgaben übernimmt die?
Thomas Hesse: Beispielsweise wird die gesamte Online-Rekrutierung in Mexiko selbst über das Ärzteprojekt „Spezialized!“ der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) gesteuert. Die konkreten Stellenangebote werden durch die ZAV aufgenommen und die Bewerber werden akquiriert. Außerdem übernimmt die ZAV auch die Vorauswahl der Bewerber, die schließlich in den Pool der Fachkräfte aufgenommen werden, aus dem die Kliniken ihre Auswahl treffen. Darüber hinaus unterstützt die ZAV die mexikanischen Ärztinnen und Ärzte auch bei der Beantragung ihrer Berufsanerkennung im Saarland sowie bei ihren Visa-Anträgen in Deutschland. Die ZAV tritt als Koordinator zwischen den beteiligten Institutionen auf und steuert die Verfahrensabläufe.
Wie haben Sie den Auswahlprozess gestaltet?
Thomas Hesse: Wir im Klinikum Saarbrücken konnten aus einem Bewerberpool der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit die für uns geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten auswählen. Alle Bewerber verfügen über Deutschsprachkenntnisse auf B2-Niveau. Das ist eine zentrale Zugangsvoraussetzung des Programms. Ausgewählt haben wir die Bewerber per Online-Interviews, an denen neben mir auch die jeweiligen Chefärzte unserer Fachabteilungen auf dem Winterberg teilgenommen haben.
Wie gestalten Sie ihre Onboarding-Prozesse, sprich, wie werden die Ärztinnen und Ärzte in Mexiko auf ihre Arbeit in Deutschland vorbereitet?
Thomas Hesse: Die Unterstützungsangebote sind breit gefächert, ein Teil liegt bei der ZAV. Wir bieten unseren künftigen Kolleginnen und Kollegen unter anderem einen regelmäßigen Austausch in Form von Videokonferenzen mit dem Personaldirektor an. Wir arbeiten aber auch mit lokalen Akteuren zusammen, um die Ärzte bestmöglich vorzubereiten. Das IQ Netzwerk Saarland (Netzwerk Integration durch Qualifizierung) unterstützt sie beispielsweise dabei, die Unterlagen für die Anerkennung zu beantragen.
Und welche Unterstützung erhalten die Ärztinnen und Ärzte in Deutschland?
Thomas Hesse: In Deutschland angekommen, wird dann das Programm „Specialized!“ so umgesetzt: Die Medizinerinnen und Mediziner werden in einem sechsmonatigen Deutschkurs (C1-Niveau) auf die Fachspracheprüfung durch die Carl-Duisberg-Centren vorbereitet. Zeitgleich setzen wir sie in einer Teilzeit-Nebentätigkeit bereits bei uns im Klinikum ein, damit sie die jeweilige Klinik und die Abläufe besser kennenlernen können. Nachdem sie ihre vorübergehende Berufserlaubnis erhalten haben, schließt sich ein berufsbegleitender Vorbereitungskurs für die Kenntnisprüfung an – parallel können sie mit ihrer Berufserlaubnis ihre Tätigkeit als Ärztin oder Arzt ausüben.
Um den Start zu erleichtern, stellen wir den Ärzten eine Unterkunft vor Ort auf dem Saarbrücker Winterberg zur Verfügung, unterstützen sie bei Behördengängen und bei der kulturellen Integration. So setzen wir flankierend auf diverse Maßnahmen, wir nutzen beispielsweise die Angebote des Zuwanderungs- und Integrationsbüros (ZIB) der Landeshauptstadt Saarbrücken und kooperieren mit dem IQ Netzwerk Saarland.
In welchen Bereich in der Klinik sollen die Ärzte später arbeiten?
Thomas Hesse: Wir haben die Ärztinnen und Ärzte gezielt für die Fachrichtungen Anästhesie / Intensivmedizin, Innere Medizin II / Kardiologie, Orthopädie- und Unfallchirurgie, Neurochirurgie, Neurologie, Augenheilkunde, Radiologie sowie Gynäkologie und Geburtshilfe ausgewählt.
Welche anderen Recruiting-Strategien nutzen Sie, um an Fachpersonal zu kommen?
Thomas Hesse: Das Mexiko-Arztprojekt ist nur ein Baustein in der multimodal ausgerichteten Personalpolitik des Klinikums Saarbrücken. Im ärztlichen Bereich bieten wir seit Jahren sehr erfolgreich das sogenannte Praktische Jahr an. Die Studierenden können so wertvolle Erfahrungen sammeln, die sie prägen und ihrer zukünftigen Tätigkeit eine Richtung geben. Für diese wichtige Phase der Ausbildung bieten wir eine kompetente Betreuung und Begleitung an. Unsere optimalen Ausbildungsstrukturen im Zusammenspiel von praktischen Tätigkeiten auf den Stationen und internen Lehrveranstaltungen wurden auch 2021 erneut mit dem Gütesiegel „Faires PJ-Zertifikat“ ausgezeichnet. Als Maximalversorger haben wir die richtige Größe, um einen breit gefächerten und nachhaltigen Einblick in die Spitzenmedizin zu bieten und bestmöglich auf eine künftige Tätigkeit als Ärztin oder Arzt vorzubereiten.