Tropenmediziner Dr. Benno Kreuels: Arzt zwischen den Kontinenten

18 Juni, 2025 - 06:42
Lisa von Prondzinski
Experte im Gespräch: Dr. Benno Kreuels
Der Tropenmediziner Dr. Benno Kreuels ist Oberarzt am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und zudem am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin tätig.

Infektionskrankheiten wie Dengue-Fieber oder Malaria kennen keine Grenzen. Globalisierung, Klimawandel und zunehmende Reiselust in ferne Länder begünstigen ihre Ausbreitung in Europa. Gleichzeitig fehlt es an nachhaltiger finanzieller Unterstützung für die medizinische Versorgung in den Tropen, denn die internationalen Mittel sinken. Die Auswirkungen dieses Trends werden auch den globalen Norden treffen, sagt der Tropenmediziner Dr. Benno Kreuels. Er ist Oberarzt am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und zudem am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin tätig.

Herr Dr. Kreuels, welche Erkrankungen gelten als typische Tropenkrankheiten?

Dr. Benno Kreuels: Kaum eine Krankheit beschränkt sich geografisch gesehen nur auf die Tropen, daher ist der Begriff „Tropenkrankheit“ eigentlich nicht zielführend. Er stammt vielmehr aus der Kolonialzeit, als europäische Mediziner erstmals auf Krankheiten wie Malaria und Schistosomiasis stießen. Auslöser sind Bakterien, Parasiten oder Viren, die häufig von Mücken und anderen Insekten übertragen werden. Landläufig gilt zum Beispiel die Malaria als klassische Tropenkrankheit. Doch bis in die 1950er Jahre war Malaria auch in Deutschland und anderen Teilen Europas verbreitet, wo sie vor allem aufgrund des zunehmenden Wohlstandes ausgerottet werden konnte. Zusammenfassend kann man sagen, dass Tropenerkrankungen eng mit Armut, mangelnder Hygiene und schlechten Lebensbedingungen zusammenhängen.

Können Sie die Hintergründe genauer erläutern?

Dr. Benno Kreuels: Viele Menschen haben kein Geld für Moskitonetze oder keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Und wer nachts die Toilette aufsuchen muss, ist gezwungen, das Haus zu verlassen. Ohne elektrisches Licht steigt dabei das Risiko, zum Beispiel auf eine giftige Schlange zu treten. Außerdem erhöht Mangelernährung die Anfälligkeit für Krankheiten. Hinzu kommt, dass viele Menschen auf engem Raum leben, wodurch sich Infektionskrankheiten wie Tuberkulose leichter übertragen können. In Deutschland kann man die Auswirkungen besserer Lebensbedingungen gut nachvollziehen. Anfang des 20. Jahrhunderts war Tuberkulose hier noch weit verbreitet. Doch mit wachsendem Wohlstand und besserer Ernährung sind die Fälle deutlich gesunken, sodass die Krankheit heute nur noch selten auftritt.

Der Begriff „Tropenmedizin” ist eng mit der kolonialen Geschichte und den medizinischen Verbrechen in den ehemaligen Kolonien verbunden. Sollte er durch eine zeitgemäßere Bezeichnung ersetzt werden? Dies fordern unter anderem einige Fachleute aus den Bereichen Global Health und Medizingeschichte.

Dr. Benno Kreuels: Selbstverständlich ist die Debatte wichtig, und man muss sich kritisch mit dem kolonialen Erbe des Begriffs auseinandersetzen. Bis sich eine neue Begrifflichkeit etablieren würde, würde es sicherlich dauern: Denn selbst Institute, die den Begriff „Tropenmedizin“ im Namen durch den Begriff „Globale Gesundheit“ umbenannt haben, haben immer noch eine „tropenmedizinische Ambulanz“. Wer als Patient bei einer Erkrankung nach einer Reise Hilfe sucht, sucht in der Regel gezielt nach einem Tropeninstitut. Zudem ist es nur durch eine Namensänderung nicht getan, es ist wichtiger, sich kritisch mit dem kolonialen Erbe auseinanderzusetzen und bewusst einen echten Wandel im Denken und Handeln anzustreben.

Was hat Sie dazu motiviert, die Zusatzausbildung zum Tropenmediziner zu absolvieren?

Dr. Benno Kreuels: Ich hatte schon zu Beginn des Medizinstudiums den Wunsch, international zu arbeiten, am liebsten in einem interkulturellen Kontext. Dass es auf Tropenmedizin hinauslaufen würde, ergab sich erst später. Bereits in der Schule hatte ich mich im Biologieunterricht für Parasiten interessiert. Als es im ersten Semester meines Medizinstudiums dann eine Vorlesung zur Tropenmedizin gab, war ich von der Vielfalt der zahlreichen Infektionskrankheiten und exotischen Gifttiere mehr und mehr fasziniert. Nach meiner Facharztausbildung zum Internisten und Infektiologen am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf schloss ich die Zusatzweiterbildung zum Tropenmediziner an. 2017 habe ich dann einen Zweijahresvertrag am College of Medicine (heute Kamuzu University of Health Sciences) in Blantyre, in Malawi, erhalten. Dort habe ich Innere Medizin unterrichtet und klinisch gearbeitet.
 
Welche Unterschiede im medizinischen Alltag sind Ihnen zwischen dem Gesundheitssystem in Malawi und dem in Deutschland besonders aufgefallen?

Dr. Benno Kreuels: Da denke ich zum Beispiel sofort an das Thema Ultraschalldiagnostik. Während Internisten in Deutschland selbstständig Ultraschalluntersuchungen durchführen, ist dies in Malawi, das wie viele andere afrikanische Länder vom britischen Gesundheitssystem geprägt ist, Aufgabe von Radiologen. Die Folge ist, dass Patienten häufig lange auf die Diagnostik warten müssen, da Radiologen oft nicht ausreichend verfügbar sind. In der Klinik Malawi habe ich gemeinsam mit meinen Kollegen diesen Ablauf verändert und ein Curriculum zur Ultraschalldiagnostik für Kliniker erarbeitet. Dieses haben wir dann in die Lehre für angehende Internisten aufgenommen.

Als Mediziner ist man auch damit konfrontiert, dass Geräte oder Medikamente fehlen, weil das Geld dafür fehlt. Wenn man jedoch weiß, dass eine Erkrankung eigentlich gut behandelbar wäre, kann das psychisch belastend sein. Aufgrund des Mangels muss man pragmatisch vorgehen und Therapien manchmal auch auf Verdacht beginnen. In Deutschland ist die Situation natürlich eine andere, aber auch hier sind die Mittel endlich, weshalb wir uns Gedanken darüber machen müssen, wie Ressourcen künftig sinnvoll und verantwortungsvoll eingesetzt werden können. Nicht alles, was machbar ist, sollte auch immer gemacht werden.

Welche Aufgaben haben Sie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, wo Sie klinisch tätig sind?

Dr. Benno Kreuels: Das sind typische Aufgaben der Tropenmedizin. In unserer reisemedizinischen Sprechstunde bieten wir Impfberatungen, Beratungen zu Malariaprophylaxe sowie Impfungen an. Auffällig dabei ist: Je exotischer und seltener eine Krankheit ist, wie etwa die japanische Enzephalitis, desto größer ist das Interesse der Patienten an einer Impfung. Aber so gut wie nie denken die Leute an eine Grippeimpfung. Dabei ist die Grippe eine der häufigsten Reiseerkrankungen, da Menschen auf Reisen oft über längere Zeit mit vielen anderen auf engem Raum im Flugzeug zusammen sind. Dann haben wir auch eine Sprechstunde für erkrankte Rückreisende. Die meisten dieser Patienten werden ambulant behandelt, nur wenige, wie diejenigen mit Malaria, stationär. Zudem stehen wir beratend für Kollegen aus anderen Fachrichtungen und Krankenhäusern zur Verfügung.

Wie beeinflussen die wachsende Reiselust der Deutschen und der Klimawandel das Auftreten tropischer Krankheiten?

Dr. Benno Kreuels: Mit der weiter zunehmenden Reiselust steigt auch die Zahl der importierten Erkrankungen. So werden inzwischen schon rund 1.000 importierte Dengue-Fälle pro Jahr registriert und die Erkrankung ist inzwischen in Spanien und Frankreich heimisch. Durch den Klimawandel werden wahrscheinlich vor allem Viruserkrankungen in Europa zunehmen. Denn steigende Temperaturen schaffen ideale Bedingungen für wärmeliebende Mückenarten, die bislang nur in tropischen Regionen heimisch waren.

Am Bernhard-Nocht-Institut leiten Sie die klinische Weiterbildung und eine wissenschaftliche Arbeitsgruppe. Wie sieht die Zusatzweiterbildung im Bereich Tropenmedizin konkret aus?

Dr. Benno Kreuels: Die Zusatzausbildung ist umfangreich und vielseitig. Sie dauert insgesamt 21 Monate. Ein Arzt oder eine Ärztin muss dafür insgesamt neun Monate an einer anerkannten Weiterbildungsstätte im Bereich Tropenmedizin arbeiten und weitere neun Monate praktische Erfahrung in einer medizinischen Einrichtung in den Tropen nachweisen. Mir wurde der Aufenthalt in Malawi angerechnet. Der Auslandsaufenthalt kann aber beispielsweise auf drei Aufenthalte mit jeweils drei Monaten aufgeteilt werden. Das erleichtert die Finanzierung, denn bezahlte Stellen in tropischen Ländern sind rar.

Zur Ausbildung gehört außerdem ein dreimonatiger Kurs in Tropenmedizin, den auch das Bernhard-Nocht-Institut anbietet und den ich leite. Hier haben wir auch die Arbeitsgruppe „Vernachlässigte Erkrankungen und Vergiftungen”. Bei Vergiftungen kümmern wir uns vor allem um eine bessere klinische Versorgung von Schlangenbiss-Opfern in Vietnam, Ghana und Malawi. Ich bin im Rahmen dieser Tätigkeiten etwa zwei Monate im Jahr unterwegs, jedoch nicht am Stück. Reisen hat mich schon immer fasziniert. Schon als Student war ich in vielen Ländern Afrikas und Asiens unterwegs.

Hatten Sie schon einmal eine tropische Erkrankung?

Dr. Benno Kreuels: Zum Glück bisher nicht. Ich bin gegen alles geimpft, was empfohlen wird. Und wenn ich mich in Risikogebieten aufhalte, bin ich achtsam. Ich schütze mich entsprechend.

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Was würden Sie jungen Ärztinnen und Ärzten raten, die sich für Tropenmedizin interessieren, oder was müssen sie mitbringen?

Dr. Benno Kreuels: Dieses bunte Fach zieht ganz unterschiedliche Menschen an. Einige möchten bei "Ärzte ohne Grenzen" arbeiten, andere wollen Reisemediziner werden, und wieder andere sind einfach vom Fach begeistert. Deshalb ist es schwierig, einen Rat zu geben, der für alle passt. Wer jedoch im internationalen Kontext arbeiten möchte, dem rate ich: „Suchen Sie sich eine Aufgabe die Ihren Fähigkeiten und Ihrem Ausbildungsniveau entspricht und behandeln Sie nur das, was Sie wirklich können. Seien Sie offen für Neues und versuchen Sie von den lokalen Kollegen so viel wie möglich zu lernen.“

Wo sehen Sie aktuell die größten Herausforderungen in der Tropenmedizin?

Dr. Benno Kreuels: Neben der Bedrohung durch den Klimawandel, der besonders die Menschen im globalen Süden treffen wird, sind das vor allem die zunehmenden Medikamentenresistenzen. Nicht nur bei der Malaria, sondern bei Tuberkulose und anderen bakteriellen Infektionen. Ein weiteres Problem betrifft die Finanzierung im Bereich der globalen Gesundheit. Viele Erfolge der WHO im Kampf gegen Malaria, Tuberkulose und HIV sind bedroht, weil internationale Fördermittel zunehmend gekürzt werden. Doch wenn Infektionskrankheiten in Afrika oder Asien nicht konsequent bekämpft werden, kommen sie auch häufiger zu uns.

Der Experte:

Dr. Benno Kreuels (44) ist Facharzt für Innere Medizin und Infektiologie. Außerdem ist er Tropenmediziner. Der Oberarzt hat eine geteilte Stelle am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg. Dort leitet er die Abteilung für klinische Weiterbildung sowie die Arbeitsgruppe „Vernachlässigte Krankheiten und Vergiftungen”. Sein Beruf ermöglicht es ihm auch, seine Reiselust und die Faszination für andere Kulturen auszuleben.

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