Universitätsklinikum Essen: Was macht eigentlich ein Väterbeauftragter?

29 November, 2023 - 07:36
Miriam Mirza
Vater mit kleinem Sohn auf den Schultern

Dr. Stefan Zöllner ist einer von drei Väterbeauftragten beim Universitätsklinikum Essen und dort für die wissenschaftlichen Mitarbeitenden zuständig. Seit 2021 hat er diese ehrenamtliche Tätigkeit inne, und in seinen Augen ist noch viel zu tun. Im Interview erklärt er, was er sich wünscht und wie man Ärzte in ihrer Vaterrolle noch besser unterstützen könnte.

Herr Dr. Zöllner, Sie sind Väterbeauftragter. Diese Position findet man nicht in jedem Krankenhaus, aber warum sollte es sie überall geben?

Dr. Stefan Zöllner: Ich glaube, dass jeder Mitarbeiter unabhängig von Geschlecht, Gesinnung oder körperlicher Grundkonstitution repräsentiert werden sollte – und das gilt auch für Väter. Mein Ansinnen ist, Kollegen, die Väter sind und hier im Klinikum Essen arbeiten, zu unterstützen und zu fördern, wobei ich für die wissenschaftlichen Mitarbeiter zuständig bin.

Können Sie erklären, was Ihren Aufgabenbereich umfasst?

Dr. Stefan Zöllner: Die Idee ist, dass ich Kollegen in der Situation als Väter und auch Mitarbeitende bei Bedarf über solche Themen wie Elternzeit, Elterngeld, oder auch bei Problemen am Arbeitsplatz berate.

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Welche Probleme könnten das sein?

Dr. Stefan Zöllner: Das könnten zum Beispiel Probleme mit den Vorgesetzten der Abteilung aufgrund ihrer Rolle als Vater sein. Oder Mitarbeitende haben Sorge oder den Verdacht, dass es zu einem Karriereknick kommen oder die Förderung einbrechen könnte, wenn sie Elternzeit nehmen.

Wie wird das Angebot von Ihrem Kollegen genutzt?

Dr. Stefan Zöllner: De facto wird es derzeit nicht angenommen. Das liegt daran, dass wir an der Klinik ein gut aufgestelltes Familienbüro haben, welches organisatorische Belange kompetent abfängt.

Mit welchen Fällen sind denn Kollegen in der Vergangenheit zu ihnen gekommen?

Dr. Stefan Zöllner: Ein Beispiel: Vor ein oder zwei Jahren hatte sich ein Mitarbeiter aus einer Forschungsgruppe bei mir gemeldet, der gerne Elternzeit genommen hätte, aber ihm wurde indirekt mit Vertragsauflösung gedroht. Interessanterweise hatte mich in einem anderen Kontakt ein Personaloberarzt nach den rechtlichen Möglichkeiten zur Vertragsauflösung in Elternzeit gefragt. Viele Väter nehmen zwei Monate Elternzeit. Das führt in den Abteilungen dann zu Spannungen, weil die Zeitspanne zu kurz ist, um jemand anderes einzustellen. Das kann dann in den Abteilungen nicht adäquat kompensiert werden. Aber grundsätzlich kann man sagen, dass Väter eigentlich dieselben Fragen wie Mütter haben. Meist sind es organisatorische.

Noch immer sind es mehr Frauen, die sich um die Kindererziehung kümmern. Was sind die Gründe dafür?

Dr. Stefan Zöllner: Das Rollenbild hat sich zwar in den letzten Jahren geändert, und es gehen auch mehr Väter in Elternzeit, doch meiner Erfahrung nach übernehmen nur sehr wenige Väter die Hauptaufgabe der kindlichen Versorgung. Das macht dann doch größtenteils die Mutter. Hier spielen sicher die klassischen Rollenbilder aus der Vergangenheit hinein. Es stellt sich für die Väter die Frage, ob sie bereit sind, sich mehr als zwei Monate Elternzeit zu nehmen. Da ist sicher die Angst, beruflich etwas zu verpassen und etwa die Facharztausbildung verschieben zu müssen oder Forschungsprojekte nicht fristgerecht beenden zu können.

Oder man hat Sorge, den Anschluss zu verlieren und nicht mehr gefördert zu werden. Das ist auch nicht ganz unberechtigt. Es kommt vor, dass Ärzten genau das durch die Blume mitgeteilt wird. Da wird dann etwa gesagt: „Sie haben sicherlich Verständnis dafür, wenn ich Herrn X dann die Projektleitung übergebe, denn schließlich zeigt er kontinuierlich großes Engagement in unserer Abteilung.“ Getreu dem Motto: Väter, die Elternzeit nehmen, tun dies in erster Linie aus Arbeitsvermeidung und stellen die Kindererziehung über ihre Karriere.

Ich kann mir auch vorstellen, dass Väter ihre Rolle in der Versorgung nicht immer mit der gleichen Selbstverständlichkeit wie ihre Rolle am Arbeitsplatz annehmen. Da sind sicherlich gesellschaftliche Rollenbilder, aber auch praktisch fehlende Fertigkeiten von Bedeutung und können zu Berührungsschwierigkeiten führen. Und schließlich ist es auch anstrengend, sich um die Kinder zu kümmern. Auch diese Anstrengung mag so mancher Vater scheuen. Insofern ist genug Bedarf für Unterstützung da, sowohl für Aufklärung als auch für praktische Hilfestellung. Die Idee, dafür jemanden am Arbeitsplatz zu haben, ist richtig, aber das Angebot muss bekannter gemacht werden. Dafür muss es in allen Hierarchieebenen eines Krankenhauses ankommen und positiv gewertet werden.

Woran hapert es denn in den Häusern oft?

Dr. Stefan Zöllner: Wie so oft hapert es nicht an der Idee, sondern an der Umsetzung. Es gibt dafür keine finanziellen oder personellen Ressourcen. Ich mache diese Arbeit außerhalb meiner regulären Diensttätigkeit, und dann bleibt oft keine Zeit zu einem persönlichen Austausch. Anfangs hatten wir überlegt, ein Väter-Café zu organisieren, aber dafür müssten die Väter freigestellt werden, um sich in ihrer Arbeitszeit treffen zu können. Da das im Alltag nicht realisiert werden kann, telefoniert man kurz oder schreibt eine Mail. Letzteres ist aber nicht so niederschwellig, da dann die Probleme ja verschriftlicht wurden und man Angst haben könnte, dass solche Informationen nicht vertraulich behandelt werden. Es wäre schön, wenn die Arbeit als Väterbeauftragter Teil einer bezahlten Stelle wäre, so wie auch andere administrative Funktionen im Krankenhaus.

Was würden Sie sich für ihre Tätigkeit als Väterbeauftragter wünschen?

Dr. Stefan Zöllner: Ich würde gerne unsere Beratungstätigkeit erweitern und beispielsweise Ärzte dabei unterstützen, in ihre Rolle als Vater hineinzuwachsen und sie aktiv mit z.B. Väter-Kind-Kursen zu verbinden. Umfragen könnten ein genaueres Bild darüber abgeben, wie viele Väter wir im Krankenhaus haben und wie hoch die Bereitschaft zu Elternzeit ist, welches Wissen diesbezüglich besteht und welche Hindernisse, emotional und praktisch, sie sehen. Es wäre sicher auch gut, wenn wir aktiv in die Abteilungen hineingehen und über wichtige Themen wie Elternzeit und Elterngeld informieren könnten. Wir hatten auch die Idee, eine offene Sprechstunde einzurichten, wo Väter die Möglichkeit haben, mit uns und dem Familienbüro in einem vertraulichen Rahmen in Kontakt zu kommen. Wichtig ist, Angebote so niederschwellig wie möglich zu implementieren.

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Väterbeauftragte im Krankenhaus: Noch eine Seltenheit

Väterbeauftragte im Krankenhaus können eine wichtige Rolle bei der Unterstützung von Vätern spielen. Sie können als Ansprechpartner und Berater für Väter dienen, die sich in einer schwierigen Situation befinden, wie z.B. bei der Geburt oder bei der Pflege eines kranken Kindes. Ein Väterbeauftragter kann auch dazu beitragen, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern, indem er sich für flexible Arbeitszeiten und andere familienfreundliche Maßnahmen einsetzt. Darüber hinaus kann ein Väterbeauftragter dazu beitragen, das Bewusstsein für die Bedürfnisse von Vätern zu schärfen und nicht zuletzt die Zusammenarbeit zwischen Vätern und medizinischem Personal verbessern.

Es gibt bereits einige Krankenhäuser, die Väterbeauftragte eingestellt haben, um Vätern bei der Bewältigung von Herausforderungen zu helfen. Die Medizinische Hochschule Hannover hat beispielsweise einen Väterbeauftragten, der als Interessenvertreter der “MHH-Väter” aus allen Berufsgruppen und niedrigschwelliger Ansprechpartner und Berater rund um das Thema “Vater werden und sein” auch in vertraulich zu behandelnden Situationen dient.

Es gibt jedoch noch viel zu tun, um die Unterstützung von Vätern im Krankenhaus zu verbessern. Einige Kliniken haben beispielsweise noch keine Väterbeauftragten, und es gibt keine standardisierten Verfahren zur Unterstützung von Vätern im Krankenhaus.

Der Experte

Dr. Stefan Zöllner

Dr. Stefan Zöllner ist Väterbeauftragter und Facharzt am Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin am Uniklinikum Essen. Er ist selbst Vater von drei Kindern.

Bild: © Daniel Bernard / Uniklinikum Essen

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