
Seit einigen Monaten gibt es nun die Medizinische Universität Lausitz. Hervorgegangen ist sie aus dem Carl Thiem Klinikum (CTK) und markiert mit dem Wandel einen bedeutenden Meilenstein für Cottbus und die Region. Mit dem Carl Thiem Klinikum als Basis entstand das erste staatliche Uniklinikum Brandenburgs, das ab 2026 jährlich bis zu 200 Medizinstudierende ausbilden wird.
Durch den Strukturwandel unterstützt, sollen bis zu 1.300 neue Arbeitsplätze und 80 Professuren geschaffen werden. Finanziell unterstützt wird dieser Prozess von Bund und Land mit 3,7 Milliarden Euro bis 2038. Im Interview spricht Prof. Dr. Eckhard Nagel, Vorstandschef der Medizinischen Universität Lausitz – Carl Thiem darüber, was sich in seinem Klinikum verändert hat und warum das Recruiting des Universitätsklinikums nun erfolgreicher ist.
Strukturwandel als Chance für Cottbus und die Lausitz
Herr Professor Nagel, die Carl Thiem Klinik hat sich in den letzten Monaten stark verändert. Sie ist nun offiziell die Medizinische Universität Lausitz. Können Sie mehr über die Hintergründe dieses Umbruchs erzählen?
Prof. Dr. Eckhard Nagel: Sehr gern. Wir sind nun die 40. Medizinische Universitätsklinik in Deutschland, und unser Weg dorthin war einzigartig. Die Lausitz ist eine sogenannte Strukturwandelregion, die durch den Ausstieg aus der Braunkohleförderung einen erheblichen Wandel durchmacht. Der Deutsche Bundestag hat Mittel bereitgestellt, um den notwendigen Umbau der Region zu fördern, und die Gründung der Medizinischen Universität Lausitz ist das größte Einzelprojekt in diesem Zusammenhang. Unsere neue Rolle geht also weit über die einer klassischen Uniklinik hinaus. Es handelt sich um ein Konzept, das nicht nur die medizinische Versorgung der gesamten Region umfasst, sondern auch die Ausbildung von medizinischem Fachpersonal und Forschern, die sich mit den besonderen Bedürfnissen dieser Region befassen.
Das klingt nach einem umfangreichen Wandel. Wie wirkt sich dieser Schritt auf den Klinikalltag und die Mitarbeitenden aus?
Prof. Dr. Eckhard Nagel: Der Übergang zur Universitätsmedizin bringt weitreichende Änderungen mit sich. Die ersten Studierenden werden voraussichtlich 2026 mit ihrem Medizinstudium beginnen, was natürlich auch gravierende Anpassungen in den Abläufen des Krankenhauses erfordert. Heute haben wir beispielsweise noch Auszubildende in verschiedenen Gesundheitsberufen und andere Fachkräfte in unserer Akademie, aber ab dem Studienbeginn werden wir auch Medizinstudierende betreuen, die über zwölf Semester hinweg eine fundierte Ausbildung durchlaufen. Dies wird den Alltag erheblich beeinflussen und bringt einen Wandel in der Organisationsstruktur mit sich. Um diesem Wandel gerecht zu werden, haben wir das bisherige Direktorium erweitert. Früher war das Krankenhaus mit einer kleineren Führungsstruktur aufgestellt, heute haben wir jedoch Vorstände für Krankenversorgung, Wissenschaft und Forschung sowie Strukturentwicklung. Auch Digitalisierung und Finanzen werden nun als eigenständige Bereiche organisiert. Dadurch wird die Klinik nicht nur organisatorisch fit für die Zukunft, sondern erhält auch ein klareres Profil.
Auswirkungen der Universitätsgründung auf Klinikalltag und Mitarbeitende
Welche Vorteile bringt die Umwandlung zur Universität für die Weiterbildung der bereits tätigen Ärztinnen und Ärzte?
Prof. Dr. Eckhard Nagel: Mit der Umstellung zur Universitätsklinik erweitern sich die Möglichkeiten zur Fort- und Weiterbildung deutlich. Ein Teil unserer Medizinerinnen und Mediziner hat bereits promoviert oder habilitiert und ist mit wissenschaftlicher Arbeit vertraut, während andere ausschließlich auf die Patientenversorgung fokussiert sind. In Zukunft haben alle die Möglichkeit, von der Nähe zur Forschung zu profitieren und sich auch im wissenschaftlichen Bereich weiterzuentwickeln. Ein bedeutender Unterschied zur bisherigen Krankenhausstruktur ist, dass die Universitätsklinik im Rahmen der Hochschulklinikplanung tätig ist und für das Land Brandenburg eine zentrale Rolle in der medizinischen Versorgung übernimmt. Unsere Mitarbeitenden müssen daher lernen, eigenverantwortlich zu planen und strategisch zu denken, anstatt vorgegebene Aufgaben abzuarbeiten. Dies erfordert eine offene Haltung für neue Entwicklungen und die Bereitschaft, Verantwortung für die Gestaltung der Versorgung in der gesamten Lausitz zu übernehmen.
Sie haben bereits die besonderen Herausforderungen der Region angesprochen. Wie wirkt sich die Universitätsgründung auf die Fachkräftegewinnung aus?
Prof. Dr. Eckhard Nagel: Die neue Struktur ist ein bedeutender Anreiz für hochqualifizierte Fachkräfte, die an einer universitären Karriere interessiert sind. In der Vergangenheit hatten wir oft Schwierigkeiten, leitende Positionen zu besetzen – im vergangenen Jahr konnten wir beispielsweise zwei von vier offenen Chefarztstellen nicht sofort besetzen. Durch die Möglichkeit, diese Positionen als Universitätsprofessuren auszuschreiben, konnten wir jetzt jedoch zahlreiche Bewerbungen gewinnen. Das Interesse von hochqualifizierten Personen zeigt uns, dass die Universitätsstruktur nicht nur die Ausbildung stärkt, sondern auch die Attraktivität des Standorts im Hinblick auf die Versorgung steigert.
Neue Forschungsfelder und ihre Bedeutung für die Region
Welche Forschungsfelder wird die Medizinische Universität Lausitz vorrangig bearbeiten, um für die Region relevant zu sein?
Prof. Dr. Eckhard Nagel: Neben der Digitalisierung, die alle Bereiche der Gesundheitsversorgung betrifft, setzen wir einen Schwerpunkt auf die Gesundheitssystemforschung. Diese befasst sich mit der Frage, wie wir die medizinische Versorgung der Zukunft organisieren können. Wir wollen herausfinden, wie man Gesundheitseinrichtungen so vernetzt, dass die Menschen in der Region besser und wohnortnah versorgt werden können. Dies betrifft die interprofessionelle Ausbildung in Gesundheitsberufen: Neben Medizinerinnen und Medizinern werden auch Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten, Hebammen und Pflegekräfte akademisch ausgebildet. Diese Ausbildung im Team wird ein Modell für die Gesundheitsversorgung der Zukunft sein und soll den Fachkräftemangel in der Region zumindest teilweise auffangen. Zudem haben wir bereits eine Gesundheitsschule und Akademie, die jährlich über 1.000 Fachkräfte ausbildet.
Sie betonen oft den Kulturwandel, den das Projekt mit sich bringt. Worin sehen Sie persönlich die größte Herausforderung und das größte Potenzial?
Prof. Dr. Eckhard Nagel: Der Kulturwandel ist sicherlich einer der anspruchsvollsten Aspekte. Ich wünsche mir, dass die Universitätsmedizin hier in der Lausitz nicht nur eine Ausbildungsstätte ist, sondern eine echte Identifikation für die Menschen der Region schafft. Wir möchten, dass die Menschen in der Region stolz auf die neue Universität sein können und die Lausitz als Vorreiter für eine innovative, vernetzte und patientenorientierte Gesundheitsversorgung wahrnehmen. In den ersten zehn Wochen seit der Gründung konnten wir bereits eine nach modernsten wissenschaftlichen Kriterien ausgestattete Notaufnahme eröffnen – das ist eine konkret spürbare Verbesserung für die Menschen vor Ort. Ich hoffe, dass wir mit der Universität langfristig ein Modell schaffen, das über die Region hinaus inspirierend wirkt und zeigt, dass moderne Medizin und Regionalität Hand in Hand gehen können.